Bad Berleburg/Latrop. . Der Jungbulle wies Knochenbrüche auf, die aus einem Sturz in den vier Meter tiefen Abhang bei Latrop stammen müssen. Andererseits klaffte an seinem Rücken eine tiefe Fleischwunde, wie sie durch das Horn eines Wisentbullen verursacht worden sein kann.
- Schwere Verletzungen ließen nur Gnadenschuss zu
- Rangkampf mit Leitbulle Egnar und tiefer Böschungssturz
- Totes Tier wird genauer untersucht
Die frei lebende Wisent-Herde im Rothaargebirge hat einen Jungbullen verloren, meldet der Trägerverein des Auswilderungsprojektes am Montag. Das etwa 15 Monate alte Tier war schwer verletzt und musste deshalb getötet werden. Es lag am Fuße eines Abhangs bei Latrop. Der Wisentverein berichtet, der zuständige Revierförster habe das Tier am Samstagmorgen „von seinen schweren Leiden“ erlöst.
Der Jungbulle wies einerseits mehrere Knochenbrüche auf, die aus einem Sturz in den vier Meter tiefen Abhang bei Latrop stammen müssen. Andererseits klaffte an seinem Rücken eine tiefe Fleischwunde, wie sie durch das Horn eines ausgewachsenen Wisentbullen verursacht worden sein kann. Deshalb gehen die Verantwortlichen des Wisentträgervereins davon aus, dass sich der Jungbulle in einem Kommentkampf mit dem Leitbullen Egnar verletzt haben muss. „Ob der junge Wisent ohne äußere Gewalteinwirkung die Böschung herabgestürzt war oder von Bulle Egnar zuvor einen Stoß erhalten hatte, ist nicht zu beantworten“, schreibt der Wisentverein weiter. So unklar wie die Umstände dieses Unfalls, bleibt bislang auch die Identität des Jungtieres. Selbst Wisent-Ranger Jochen Born betonte im Gespräch mit dieser Zeitung, dies nicht mit Sicherheit sagen zu können.
Kein Einzelfall
Tage von Egnar als Leitbulle sind gezählt
Die Tage des Leitbullen Egnar in der Wisentwildnis Wittgenstein sind gezählt. Nicht etwa, weil der Bulle bereits drei Mal in ansonsten eher unblutigen Rangkämpfen drei Jungtiere tödlich verletzt hat, sondern weil irgendwann Inzucht droht. Die zwischenzeitlich auf 22 Tiere angewachsene wilde Herde, hat sich offensichtlich nicht nur wohl gefühlt, sondern auch kräftig vermehrt. Das ist wichtig, weil die fast ausgerotteten Wildrinder in einem „genetischen Flaschenhals“ stecken, da sie von zu wenigen Vorfahren abstammen. Die Vermeidung von Inzucht ist deshalb das oberste Ziel aller miteinander verbundenen Wisentprojekte - ob in Zoos oder freier Wildbahn.
Herdenmanagement
Spätestens 2017 muss die Zusammensetzung der Herde verändert werden, erläutert Wisent-Ranger und Herdenmanager, Jochen Born. Wegen des Rechtsstreites war diese Frage hinten angestellt worden, wird aber wegen der positiven Signale des Oberlandesgerichtes Hamm nun wieder in den Fokus rücken. Born erläutert, dass es schwierig sein werde, Egnar zu fangen und noch schwerer, ihn gleichwertig zu ersetzen. Ein Chance biete sich aber, weil der Bulle in der freilebenden Herde bislang nur eine „Tochter“ neben viele Bullenkälbern hat. „Wenn wir die Tochter abfangen, gewinnen wir zumindest ein Jahr Zeit“, sagt Born.
Der Getötete könnte einer der vier Jungbullen sein, die in Zweiergruppen auch außerhalb des Auswilderungsgebietes unterwegs sind. Kontakt zu diesen Tieren kann der Verein nur über Sichtungsmeldungen halten. Oder: Es handelt sich um ein Tier aus der Herde. Auch da könne nicht immer zweifelsfrei gesagt werden, welche Tiere sich im Bereich der Gruppe aufhalten.
Der Fall des jetzt getöteten Tieres ist nicht ohne Beispiel. Im Dezember 2010 hatte Egnar - damals noch im Auswilderungsgehege - den zweijährigen Rivalen „WA_75“ mit „massiven Hörnerstößen“ getötet, das hatte die Obduktion ergeben. 2013 im September war das männliche Jungtier „Quandor“ von seinem Vater Egnar auf die Hörner genommen worden und musste anschließend getötet werden. Zum aktuellen Fall erläutert der 2. Vorsitzende des Trägervereins Klaus Brenner: „Es gab keine Alternative dazu, das Tier von seinen Leiden zu erlösen. Das Töten des Tieres steht ganz klar im Einklang mit den tier- und artenschutzrechtlichen Regeln und Gesetzen. Denn das Töten eines wilden Tieres, um es vor unnötigen Schmerzen und Ähnlichem zu bewahren, steht ausdrücklich nicht im Konflikt mit dem Tier- und Artenschutz.“ In den kommenden Tagen soll der Kadaver veterinärmedizinisch untersucht werden, um genauere Aufschlüsse über die Verletzungen und ihre Herkunft zu erhalten. Zur Zeit lagert das Tier in einem Kühlraum des Forstamtes Schmallenberg.