Wittgenstein. . Die zunehmend chaotischen Zustände in der Türkei gehen auch an der Wirtschaft nicht spurlos vorüber. Wir hörten uns bei Wittgensteiner Unternehmen um, wie sehr das Chaos ihre Geschäfte belastet.

  • Je größer das Engagement vor Ort, desto größer die Besorgnis
  • Mitarbeiter erhalten regelmäßig Warnungen
  • Politische Situation bei Verhandlung meist kein Thema

Fast täglich berichtet die internationale Presse von den neuesten Entwicklungen in der Türkei: von den Anschlägen in Ankara und Istanbul und wie Erdogan das Land allmählich „in die Diktatur führt“ – so bezeichnete die „Süddeutsche Zeitung“ den Kurs des Präsidenten unmittelbar nach dem gescheiterten Putschversuch. Auch für die heimischen Wirtschaftsunternehmen stellt die Türkei zum Teil einen wichtigen Handelspartner dar. Deshalb verfolgen einige Firmen die jüngsten Ereignisse mit großer Sorge, wie die Umfrage der IHK Siegen im Kreis zeigt. „Grundsätzlich gilt: Je stärker das Engagement vor Ort ausgeprägt ist, desto größer ist die Besorgnis“, fasst IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener zusammen. Und auch in Wittgenstein beobachtet man teilweise unsicher das Geschehen mit dem Geschäftspartner in Südosteuropa.

Ejot

Die Berleburger Firma Ejot pflegt unter anderem einen Produktionsstandort in Istanbul. Erst Ende Juni gab es dort am Flughafen einen terroristischen Anschlag, bei dem knapp 50 Menschen getötet wurden. „Wir beobachten sehr genau, wie sich die Ereignisse im Land entwickeln. Vor allem, weil regelmäßig Manager und Produktionsbeteiligte zwischen Berleburg und Istanbul hin- und herfliegen“, sagt Ejot-Sprecher Andreas Wolf. Istanbul sei ein wichtiges Außenstandbein, die Zusammenarbeit sei sehr eng. „Wir müssen abwarten, wie sich diese ‘Säuberungen’ auf das Unternehmen auswirken“, sorgt sich Wolf. Den Mitarbeitern werde die Warnungen des Auswärtigen Amtes sehr nahegelegt, eine Unsicherheit schwanke dabei immer mit.

BSW

Auch das Berleburger Schaumstoffwerk (BSW) unterhält Wirtschaftsbeziehungen in die Türkei. Ortsansässige Händler verkaufen BSW-Produkte dort weiter, von einer Unsicherheit habe man aber noch nichts wahrgenommen, wie BSW-Sprecher Albrecht Rieger betont. „Wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Türkei verschlechtern, werden wir wahrscheinlich auch Umsatzeinbußen haben. Aber – leider Gottes – kann die Wirtschaft ja auch in einem nicht-demokratischen Land florieren“, meint Rieger. Derzeit könne man nur abwarten.

Sinto Maschinenfabrik

Friedrich Schäfer ist Area-Sales-Manager bei der Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik in Bad Laasphe, ist unter anderem zuständig für die Vertretung in Istanbul. „Ich fliege selbst übernächste Woche in die Türkei, aber die geschäftlichen Verbindungen sind so stabil wie auch noch vor einem Jahr“, sagt Schäfer. Auch hier werde die Lage genau beobachtet, aber: „Die politische Situation im Land wird bei unseren Verhandlungen außen vor gelassen“, sagt Schäfer.

Sonor

Der Berleburger Schlagzeughersteller Sonor lässt in der Türkei unter anderem Cymbals (Schlagzeug-Becken) von einem Lieferanten aus Istanbul herstellen. Sonst seien die Beziehungen nach Südosteuropa aber nicht so umfangreich. „Unsere Umsätze bewegen sich dort auf einem eher geringen Niveau. Wir gehen dort kein großes Risiko ein“, sagt Geschäftsführer Rainer Dreisbach. Auch beim Sonor-Großhandel mit Sitz in Izmir habe es bisher keine Auswirkungen auf die Beziehungen nach Berleburg gegeben. „Aber wir beobachten natürlich die Entwicklungen in der Türkei“, gibt Dreisbach zu.

BKT

Für die Firma Böhl Kunststofftechnik (BKT) hat die politische Lage in der Türkei durchaus Auswirkungen – zum Beispiel beim Verkauf. „Erst vor ein paar Wochen hat uns eine türkische Firma Kunststoffgranulat verkaufen wollen. Das haben wir aber abgeblockt“, erzählt Geschäftsführer Hans Böhl. Es sei wichtig, einen zuverlässigen Geschäftspartner zu haben; wenn die Lieferkette unterbrochen werde, käme es zu teuren Produktionsverzögerungen. „Die Türkei ist kein Land, mit dem wir nachhaltige Geschäftsbeziehungen eingehen können“, erklärt Böhl.