Wingeshausen. . Wisent Wildnis in Wingeshausen ist trotz Regens ein Anziehungspunkt - auch weil Quinn getauft wird

Die Wisente zupfen weiter unbeeindruckt an den Grashalmen, während der Platzregen auf ihr zotteliges Fell niederprasselt. Vereinzelt halten Menschen an, um die kleine Herde fast andächtig zu betrachten oder das ein oder andere Foto zu knipsen – vor allem schaut sich jeder suchend nach dem neugeborenen Kälbchen „Quinn“ um. Anlass des Festes, das den Sommer nur im Namen trug aber dennoch viele Besucher anlockte, war die Geburt des Kälbchens Quinn vor wenigen Wochen. Das scheint aber genauso Schutz vor dem Regen zu suchen, wie die Sommerfest-Besucher, die sich unter die nächste Plane im Waldklassenzimmer ein paar Schritte weiter retten. Wasserdichte Schuhe statt Sandalen, Regenjacke mit Kapuze statt T-Shirt: Das Wetter war alles andere als sommerlich eingestimmt für das Sommerfest in der „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“.

Blasrohr, Stockbrot und Wisent

Leopold Rath nimmt den Matsch und die Sturzbäche gelassen. Hier brennt er mit Olaf Imhof eine Wisentscheibe.
Leopold Rath nimmt den Matsch und die Sturzbäche gelassen. Hier brennt er mit Olaf Imhof eine Wisentscheibe. © WP

„Und trotzdem sind etwa 40 Kinder heute in unser Klassenzimmer gekommen“, erzählt Waldpädagoge Olaf Imhof. Stockbrote backen, mit dem Blasrohr schießen und natürlich Wisent-Zeichen auf Holzscheiben einbrennen geht schließlich auch bei Regen. „Wir wollten mit den Kindern auch eine Leonardo-Brücke über den Bach bauen. Bei diesem Wetter ist das aber einfach nicht drin“, meint Imhof. Aber auch das gehört zu dem Walderlebnis: zu verstehen, dass sich die Natur nicht nach einem Terminplan richtet. Leopold Rath nimmt den Matsch und die Sturzbäche gelassen. Für den Zehnjährigen ist der Ausflug in die Wisent-Wildnis wie ein Abenteuer, mit seinen Gummistiefeln springt er in jede Pfütze. „Guck‘ mal, Opa, da! Das Kleine da!“ – mit seiner Familie macht Leopold gerade einen Kurzurlaub auf Hof Kilbe und als Kind aus dem Ruhrgebiet ist er noch nie einem Wisent begegnet; umso größer ist also die Aufregung. Doch auch wenn Leopold und sein Opa immerhin aus Mülheim an der Ruhr angereist sind: Die Wisent-Herde nimmt’s kauend gelassen; genauso wie den Regen. Aber zurück zu Kälbchen Quinn und seiner Taufe: Bernd Ohrndorf aus Netphen-Eschenbach ist sein Namensgeber. Das Wisent-Projekt ist ein „großes Glück“ für die Region, schwärmte Bernd Ohrndorf.

Andrea Treude-Kirchner überreicht den Patenbrief an Rüdiger Schlund (re.), Chefredakteur von Radio Siegen. Links im Bild Namensstifter Bernd Ohrndorf aus Eschenbach und Bernd Fuhrmann, Vorsitzender des Wisent-Trägervereins.
Andrea Treude-Kirchner überreicht den Patenbrief an Rüdiger Schlund (re.), Chefredakteur von Radio Siegen. Links im Bild Namensstifter Bernd Ohrndorf aus Eschenbach und Bernd Fuhrmann, Vorsitzender des Wisent-Trägervereins. © WP

In Kooperation mit Radio Siegen hatte der Wisent-Verein nach einem Namen für den jüngsten Wisent im Besucherareal gesucht. Am Ende setzte sich jedoch „Quinn“ mit erklecklicher Mehrheitdurch. Und einer, der auf diesen Namen kam, war Bernd Ohrndorf. Er wurde schließlich als Namensgeber ermittelt und prämiert. Wie kam er nun ausgerechnet auf Quinn? Der Schlagersänger Freddy Quinn hatte die Assoziation für den Namen geliefert, berichtet der Namensgeber. Dafür erhielt Ohrndorf einen Holzwisent und eine Jahreskarte für die „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“ aus den Händen von Andrea Treude-Kirchner von der Wisent-Geschäftsstelle.

Aber auch am Rande des Sommerfestes beschäftigt die Projektbegleiter und Wisentfans die Frage nach der Zunkuft der Wildrinder im Rothaargebirge: Der 1. Vorsitzende des Wisent-Vereins, Bernd Fuhrmann, versprach: „Wir werden uns weiterhin für die Freiheit der Wisente einsetzen.“ Der Verein habe in den vergangenen Tagen starke Rückendeckung erfahren. Das zeige auch die Facebook-Seite „Freiheit für die Wisente im Rothaargebirge“. Binnen weniger Tage haben sich dort mehr als 4000 Unterstützer zu den Wisenten bekannt, berichtete Bernd Fuhrmann.

Eigenverantwortung in der Natur

Johannes Röhl vom Wisent-Vorstand erläuterte die Idee der „Wildnis“. Denn es gibt dort keine überbordenden Informationstafeln, Anleitungen oder Erklärungen. Die Menschen sollten Natur selbst erleben, schauen, zuhören und entdecken. „Der Bildungsgedanke ist uns wichtig“, sagte Röhl, „denn wir wollen die Natur unseren Kindern erhalten.“ Dazu gehörten aber auch kleinere Risiken, zum Beispiel das Überwinden von Hindernissen. Denn eine „Vollkaskomentalität“ sei nicht das Ziel des Artenschutz- und Naturprojektes. Die Menschen sollten vielmehr Verantwortung für ihre eigenen Schritte im Gelände und in der Natur übernehmen.