Bad Berleburg. . Nach dem Redeverbot im Bauausschuss zur Windkraft spricht Berleburgs Ex-Kämmerer jetzt im Interview. Als Bürger möchte er die Politiker wachrütteln.
Montag entscheidet der Berleburger Rat auch, ob sie die Gebiete Osterholz, Ohrenbach/Prenzenberger Kopf und Kilbe-Nord ernsthaft als Konzentrationszonen für die Windkraft ins Auge fasst – und den Bürgern die Chance zur erneuten Stellungnahme gibt. Widerstand hat sich bereits formiert. Ein Bürger, der die Sache differenziert sieht: Jürgen Weber, bis Dezember noch Beigeordneter und Kämmerer im Bad Berleburger Rathaus. Er durfte im Bauausschuss nicht zum Thema reden – aber im Gespräch mit unserer Zeitung.
Auf Osterholz konzentrieren
„Da läuft etwas ganz fürchterlich aus dem Ruder“, warnt Weber. Die Auswahl der drei Bereiche aus den 13 Potenzialflächen sei einfach falsch: „Wir müssten uns in einer ersten Stufe auf die bereits vorbelastete Windenergie-Vorrangzone Osterholz konzentrieren – da haben wir flächenmäßig noch einen Puffer: Die bestehende Vorrangzone dort, auf der ohnehin schon Windräder stehen, kann problemlos von 20 auf 60 oder sogar 70 Hektar erweitert werden. Und wir könnten in einer zweiten Stufe weitere Flächen hinzunehmen, wenn damit im rechtlichen Sinne der Windenergie nicht substanziell genug Raum gegeben wäre. Aber genau dies ist bisher abschließend überhaupt nicht geprüft worden.“
Im Übrigen widerspreche der Rat eigenen Beschlüssen, so Weber, „nach denen nur Flächen in Frage kommen, in deren Nähe wenig Siedlungen liegen und wo man im Einvernehmen mit den Grundstücksbesitzern plant, sprich: Die Fläche muss auch tatsächlich zur Verfügung stehen.“ In Kilbe-Nord etwa sage der hauptbetroffene Grundstücksbesitzer aber: Windräder? Nur über meine Leiche!
In Kilbe-Nord wären im Umkreis von 1,5 Kilometern übrigens nicht wie in den Unterlagen angegeben nur 500 Einwohner Berghausens betroffen, sondern mindestens 1500. Außerdem liegt der Bereich ganz wesentlich in einem Vogelzug-Gebiet – Sohl bei Wingeshausen dagegen nicht.
„Kilbe“ ist irreführend
Dort würden Waldgenossen gerne Windräder bauen, so Weber – aber deren Areal sei ja „offenbar künstlich auf unter 20 Quadratmeter kleingerechnet worden. Warum?“ Hier könne es doch nicht darum gehen, „Windkraft komplett zu verhindern, sondern ihr so wenig Raum wie möglich zu geben. Lassen Sie das Land doch mindestens 218 Hektar dafür auf Berleburger Stadtgebiet fordern – und den Rest ein Gericht klären.“
Er könne „sicherlich nicht sagen, dass ich nicht persönlich betroffen wäre“, räumt Weber ein. „Ich hätte die Windräder von Kilbe-Nord daheim in Berghausen direkt vor meiner Nase – aber das ist für mich nicht vorrangig.“ Übrigens seien die Bezeichung „Kilbe“ und „Kilbe-Nord“ absolut irreführend, so Weber, „da es sich räumlich eigentlich um den Bereich nördlich der Birkefehler Höhe handelt“.
Vier Fragen – auch zum Goetheplatz
Vom Kämmerer zum Bürger als Windkraft-Gegner – war das für Sie als Ruheständler ein weiter Weg?
Gleich vorweg: Ich war und bin kein Windkraft-Gegner. Ich bin aber dafür, dass wir Wittgenstein vor nicht erforderlichen Auswüchsen schützen müssen und deshalb aktiv für die Zukunft planen. Fakt ist, dass wir hier viel Natur und Landschaft haben, die zum Beispiel wichtig für den Tourismus sind und eine unserer Lebensgrundlagen darstellen.
Bei der Bauausschuss-Sitzung im Bürgerhaus sind Sie durch Zwischenrufe von der Zuschauertribüne aufgefallen. War das echte Leidenschaft für die Sache? Oder wollten Sie nur mal testen, wie das ist, vom Ausschuss-Vorsitzenden zur Ordnung gerufen zu werden?
Ich finde, ziviler Ungehorsam gehört manchmal dazu. In dem Moment wusste ich mir einfach nicht mehr zu helfen als mit Zwischenrufen. Politik denkt leider oft zu einfach, geht nicht in die Tiefe. Also, ich fühle mich da von der Verwaltung fehlberaten – und als jemand, der die Materie als früherer Beigeordneter kennt, auch ein bisschen verraten. Aber die Politiker lassen sich ja nicht wach rütteln.
Also, ich bin von meiner Stadt massiv enttäuscht. So habe auch ich als Bürger eine Stellungnahme zur Windkraft abgegeben – und dazu bislang keine Reaktion aus dem Rathaus bekommen. Leider auch nicht im Gespräch mit Stadtplaner Wolfgang Acker-Marx. Ich als Bürger möchte einfach nicht, dass man in diesem Verfahren zum Beispiel den Wisenten mehr Raum gibt, als man den Menschen Schutz vor Immissionen etwa durch Windräder bietet.
Wie steht es eigentlich mit Ihrem Engagement für den Goetheplatz?
Hier bin ich eher im technisch-denkmalrechtlichen Bereich engagiert. Meine These schon damals als Beigeordneter im Rathaus war: Die Bäume am Goetheplatz sind 25 Jahre lang vernachlässigt worden. Sie einfach umzuhauen wäre fatal – jedenfalls, solange nicht feststeht, was dort tatsächlich passieren wird und wann. Also müssen die Bäume jetzt gepflegt werden, dann werden sie auch bald wieder vital sein, eine Krone tragen.
Gibt’s noch mehr „Baustellen“, die Sie als Berleburger Bürger intensiver verfolgen?
In der Wisent-Diskussion etwa habe ich Behördenleiter Bernd Fuhrmann bereits das Stichwort „herrenlos“ mit Blick auf die ausgewilderte Herde gegeben. Wenn diese Herrenlosigkeit gegeben ist, dann sehe ich große Chancen für die Zukunft des Auswilderungsprojekts. Allerdings muss der juristische Streit um diesen Begriff bis zur letzten juristischen Instanz geführt werden.
Und Sie haben mitbekommen, dass ich ein Gegner des Abbruchs der Industriebrache in Arfeld war, um dort ein Bürgerzentrum zu bauen – da habe ich mir was anderes gewünscht, weil ich der Überzeugung bin, dass dort Denkmalschutz mit Füßen getreten worden ist und die Stadt als Untere Denkmalbehörde versagt hat. Jetzt ist das Ding um – ich kann’s nicht mehr ändern.