Bad Berleburg/Schmallenberg. . Artenschutz-Projekt im Emsland scheitert, weil dem Land Niedersachsen das Risiko zu hoch war. Wittgensteiner Wisent-Verein sieht eigenes Projekt nicht in Gefahr.

Wie gefährlich sind die ausgewilderten Wisente? Nach einem Angriff auf eine Wanderin aus Neuss im Schmallenberger Sauerland herrscht Unsicherheit ob dieser Frage, denn die Projekt-Beteiligten waren stets davon ausgegangen, dass so etwas nicht passieren wird. „Wisente (...) sind friedliebende und scheue Tiere, von denen kein besonderes Risiko ausgeht“, heißt es auf der Homepage. Nach dem Vorfall sei das Artenschutz-Projekt nicht in Gefahr, so Sprecher Dr. Michael Emmrich.

Fast-Angriffe auf Förster

Im niedersächsischen Emsland wurde hingegen im Jahr 2009 ein ähnliches Auswilderungs-Projekt abgebrochen. „Die Gefahr war zu groß, dass Menschen bedrängt werden“, erinnert sich Hermann Wreesmann, der damalige Projekt-Koordinator für das Land Niedersachsens. Denn das Verhalten der Wildtiere sei unberechenbar.

Die niedersächsischen Wisente (drei Kühe, ein Bulle) sollten auf einem 1000 Hektar großen Privatwald der Arenberg-Meppen GmbH leben. Das Gelände war eingezäunt und für die Öffentlichkeit gesperrt, allerdings sollte es auf öffentlichen Druck geöffnet werden. Der zuständige Forstdirektor Winfried Frölich erinnert: Es gab im Gehege „mehrere Fast-Unfälle unseres Revierförsters bei Wisent-Begegnungen.“ Meist habe sich der Bulle aus der Herde gelöst, mit den Hufen gescharrt und in seinem Imponiergehabe Drohgebärden erkennen lassen. „Letztlich“, so der Förster, „ist unser Projekt an der Gefährlichkeit der Tiere gescheitert. Es wäre eine unkalkulierbare Situation entstanden, die wollten und konnten wir nicht verantworten. Das Risiko war zu hoch.“

Wanderer füttern Tiere

Die niedersächsischen Tiere stammten teilweise aus Zoo-Haltungen. Das habe das Verhalten geändert, so Hermann Wreesmann. Aber auch die hiesigen Wisente sind nicht mehr so ganz wild. Das vermutet zumindest der Biologe Dr. Philip Schmitz. Er erforschte für seine Doktorarbeit über mehrere Jahre das Verhalten der ausgewilderten Wisente. Damals lag die Fluchtdistanz bei etwa 40 Metern. Dass sich die Tiere so nah an den Menschen wagen, wie jetzt am Rothaarsteig könne daran liegen, dass die Tiere gefüttert werden, so der Biologe. Im Winter im Auftrag des Wisent-Vereins und auch von Wanderern. „Das ist mir mehrfach geschildert worden“, sagt der Biologe, der heute bei Berlin arbeitet. „Die Tiere sind an den Menschen gewöhnt. Das kann zu gefährlichen Situationen führen.“ Vor allem, wenn die Tiere Kälbchen haben. Laut Trägerverein hat es in den vergangenen Tagen doppelten Nachwuchs gegeben. Die Herde besteht nun aus 19 Tieren.

Allerdings möchte der Biologe Schmitz nicht von einem Angriff sprechen. Dann hätte es massive Verletzungen gegeben. Eine Kuh wiegt bis zu 450 Kilogramm – so viel wie sechs Waschmaschinen. Die Frau erlitt Prellungen am Bein und eine leichte Fleischwunde. Sie erstattet laut Verein keine Anzeige. Der Wisent drückte der Frau nach Aussagen des Opfers zweimal den Kopf in den Bauch. Das Tier habe 100 vor ihnen gestanden, ein zweites sei hinzu gekommen. Die Wandergruppe sei rückwärts ausgewichen und eine Böschung hochgeklettert, doch die Wisente seien ihnen nachgelaufen. Der Hund sei dabei in ihrer Nähe gewesen.

Ministerium hält sich zurück

Der Trägerverein um den Vorsitzenden Bernd Fuhrmann will den Vorfall nun in einer Art Aufsichtsrat in dem auch der Kreis Siegen-Wittgenstein sitzt, diskutieren. „Wir möchten zusammen mit Experten klären, ob es sich um einen Einzelfall handelt“, so Sprecher Emmrich. Dieses Ergebnis wolle auch das NRW-Umweltministerium abwarten. Es bedauere den Vorfall. Die Frage, ob das Projekt, das von Umweltminister Johannes Remmel stets positiv begleitet wurde, nun in Gefahr sei, wurde nicht beantwortet. Fuhrmann traf sich am Dienstag zu einem versöhnlichen Gespräch mit der Geschädigten. Die Rheinländerin machte deutlich, dass sie weder Wisent-Projekt noch den Tourismus gefährden wolle.