Wittgenstein. .
Der Naturschutz für Wittgenstein – im NABU Siegen-Wittgenstein wird er ganz wesentlich verkörpert durch das Ehepaar Helga und Michael Düben. Im Interview mit unserer Zeitung sprechen beide über ihre Lobby-Arbeit, Windkraft und Wisente.
Haben Sie beide als Aktive im NABU Ihr Hobby zum Beruf gemacht?
Helga Düben: Also, es ist schon manchmal eine 40-Stunden-Woche, die wir ehrenamtlich leisten. Ich bin ja auch Vorsitzende des Landschaftsbeirats bei der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein – und der kümmert sich auch um kurzfristige Stellungnahmen, etwa bei der Errichtung von Windrädern. Im Jahr kommen da oft schon an die 40 zusammen – bei oft umfangreicher Aktenlage. Und als Mitglied in diversen anderen Gremien mit Umwelt-Bezug hat man auch genug zu tun. Außerdem ist der NABU Siegen-Wittgenstein zum Beispiel einer der Träger der Biologischen Station in Kreuztal-Ferndorf.
Michael Düben: Es nimmt uns zeitlich schon sehr mit (schmunzelt).
Schwerpunktmäßig um welche Themen kümmert sich die NABU-Regionalgruppe Wittgenstein derzeit?
Michael Düben: N wie Naturschutz: Wir als NABU nehmen Stellung zu Umwelt-Themen aller Art in Wittgenstein, aktuell etwa zu Plänen rund um neue Windkraftanlagen. A wie Artenschutz: Aktuell kümmert sich zum Beispiel unsere Wasseramsel-AG um rund 70 Nistkästen dieser besonderen Vogelart unter mehreren Brücken in der Region. Außerdem steht bei uns für dieses Jahr eine große Wiesenbrüter-Kartierung auf dem Programm, bei der wir Braunkehlchen und Wiesenpieper im Auge haben. B wie Biotop-Pflege: Die läuft beispielsweise im Naturschutzgebiet Bärenkaute, wo der NABU eine eigene Flächen hat und mit einem Landwirt zusammenarbeitet, der diese Fläche naturschutzfachlich bewirtschaftet. Schließlich U wie Umwelt-Bildung: Hier kooperieren wir etwa in der Nachmittagsbetreuung mit der Grundschule Niederlaasphe. Und wir planen, uns als NABU an den Ferienspielen in Feudingen zu beteiligen. Allerdings ist es bei Kinder-Gruppen oft schwer, gerade für den Nachmittag Experten als Leiter zu finden.
NABU-Jahresbericht 2008, ein Thema schon damals: der Zustand des FFH-Gebiets „Eder zwischen Erndtebrück und Beddelhausen“. Auszug Bericht: „Ein wichtiges Schutzziel ist hier den mit Hochstaudenflur bewachsenen Uferrandstreifen in seiner Vielfalt zu schützen. Bei einer Begehung mussten wir feststellen, dass dies an vielen Stellen nicht mehr gewährleistet ist.“ Hilft da jetzt die geplante Flurbereinigung rund um Womelsdorf?
Michael Düben: Also, die Uferzonen der Eder in Erndtebrück sind ab Hauptmühle stromabwärts eigentlich auf drei Meter Breite geschützt. Und trotzdem werden diese Zonen oft bis zur Gewässer-Oberkante beweidet oder gemäht. Wir als NABU hoffen natürlich, dass die Flurbereinigung funktioniert und mehr geschützte Flächen gesichert werden können. Klar ist aber auch: Keiner der Grundstückseigentümer kann dazu gezwungen werden.
Jahresbericht 2010, Thema Wiederansiedlungsprojekt Wisente in Wittgenstein: „Viele im NABU freuen sich über die Wiederkehr dieses großen Pflanzenfressers in unsere Heimat und erhoffen sich durch sein Zutun eine Stärkung der Biotop- und Artenpflege.“ Und was wird nun aus dem Auswilderungsprojekt, sollte der Streit zwischen Trägerverein „Wisent-Welt“ und den HSK-Waldbauern nicht beizulegen sein?
Helga Düben: Also, der Versuch mit dem Wisent als Gestalter im Wald ist gemacht. Und wer hat davon profitiert? Vor allem die Touristiker im Hochsauerland! Deshalb wäre es wirklich schön, wenn sich alle Waldbauern auf die Entschädigungen für Schälschäden einließen und mitmachen. Um mehr Erfahrungen auch hinsichtlich der Nahrungsquellen der Wisente zu machen, fände ich es richtig, dass das Projekt langfristig bestehen bleibt.
„Ja zu Windkraft UND zum Artenschutz“, sagt der NABU – wie kriegt man das hier in Wittgenstein unter einen Hut?
Michael Düben: Das wird sehr schwierig. Denn Windkraft in Waldgebieten – das bedeutet eben auch Einfluss auf die Lebensräume von Schwarzstorch oder Rotmilan. Für das Stadtgebiet Bad Berleburg zum Beispiel ist aus unserer Sicht die Erweiterung des jetzigen Windrad-Standortes bei Weidenhausen das einzig Denkbare.
Der Begriff „Lobby-Arbeit“ ist in der öffentlichen Wahrnehmung eher negativ besetzt. Was kann man dagegen tun – etwa als NABU?
Michael Düben: Naturschutz ist eine gesellschaftliche Aufgabe, breit demokratisch legitimiert. Die Überwachung liegt beim behördlichen Naturschutz. Aber was hilft das, wenn trotzdem 50 Prozent der Vogelarten vom Aussterben bedroht sind? Hier hat der amtliche Naturschutz versagt. Wir im NABU sehen uns hier als berechtigte Mahner – deshalb werden wir dauernd beschimpft. Und das tut weh.
Beispiel L 903 von Richstein nach Bad Laasphe: Hätte der Landesbetrieb Straßen NRW hier nicht mit Bauarbeiten und Vollsperrung noch bis Mai warten können? Dann wäre nämlich die Krötenwanderung auf der K 53 von Richstein übers Harfeld nach Bad Laasphe mit oft nächtlicher Vollsperrung durch – und die Autofahrer aus Richstein glücklich, nicht noch längere Umwege über Dotzlar zum Arbeitsplatz fahren zu müssen.
Stichwort RWE-Klimaschutzpreis: In Bad Berleburg ist der NABU in der Jury vertreten, in Erndtebrück bewirbt er sich darum mit eigenen Aktivitäten und gewinnt auch noch für die Bärenkaute. Wie ist das zu vereinbaren? Und in Bad Laasphe?
Helga Düben: Also, ich halte das für vereinbar. Dann nehme ich mich als NABU-Vertreterin in der Jury eben als befangen zurück. Und in Bad Laasphe können wir uns bewerben, wenn wir dort ein sinnvolles Naturschutzprojekt realisiert haben.
„Hilfe für verletzte und gefährdete Tiere“ als Service des NABU – wie kommt das an?
Michael Düben: Sehr gut. Und wir können als NABU ja auch auf eine ganze Reihe von Menschen mit speziellen Kenntnissen über ganz verschiedene Tiere zurückgreifen. Das ist auch gut so, denn: Wenn Sie ein verletztes Wildtier finden, dürfen Sie es nicht einfach der Natur entnehmen. Und der NABU sorgt dafür, dass gesund gepflegte Tiere auch wieder in ihren Lebensraum zurückkommen.
Endzeit-Szenario: Der Einschlag eines Asteroiden macht die Erde auf Jahre hinaus unbewohnbar, es gibt aber Überlebende unter Mensch und Tier. Inwiefern wäre das ein guter Neuanfang für die Natur, für den Menschen?
Helga Düben: Die Natur braucht uns Menschen nicht, aber wir brauchen die Natur.
Michael Düben: In so einem Szenario würde sich die Natur mit der Zeit entwickeln. Ob der Mensch dabei aber überlebt, das glaube ich nicht.