Wittgenstein. . Die Übergriffe in Köln haben das Thema „Sexuelle Gewalt an Frauen“ in den Mittelpunkt gerückt. Im Gespräch mit der Heimatzeitung nimmt Susanne Stötzel vom kreisweit agierenden Verein „Frauen helfen Frauen e.V.“ in Siegen zu dem Thema Stellung.
Die Übergriffe in Köln haben das Thema „Sexuelle Gewalt an Frauen“ in den Mittelpunkt gerückt. Im Gespräch mit der Heimatzeitung nimmt Susanne Stötzel vom kreisweit agierenden Verein „Frauen helfen Frauen e.V.“ in Siegen zu dem Thema Stellung.
Welche Formen von Gewalt an Frauen erleben Sie in Ihren Beratungen?
Susanne Stötzel: In den meisten Fällen ist der Beratungsgrund die sogenannte Häusliche Gewalt, das heißt Gewalt innerhalb von Beziehungen, ausgeübt von Männern an Frauen. Dabei geht es in den allermeisten Fällen um ein ganzes System von Gewalt, das heißt, es geht neben körperlichen Angriffen auch um Bedrohung, Erpressung, Kontrolle, Isolierung und ökonomische Abhängigkeit.
Gibt es noch weitere Fälle?
Wir werden auch angefragt in Fällen sexualisierter Gewalt, d.h. Vergewaltigung, Nötigung und sexuelle Belästigung z.B. am Arbeitsplatz. Es wenden sich aber auch Frauen an uns, die in ihrer Kindheit Misshandlung erlebt haben.In diesem Zusammenhang ist uns wichtig, den „Fonds Sexueller Missbrauch“ zu erwähnen. Hier können Betroffene Anträge auf Kostenübernahme von bis zu 10 000 Euro beantragen, beispielsweise für die individuelle Aufarbeitung des Missbrauchs, für Beratungs- und Betreuungskosten.
Dazu bieten wir Unterstützung bei der Antragstellung. Wichtig zu wissen: Der Antrag muss bis zum 30. April 2016 für Taten im familiären Bereich eingereicht werden. Danach wird der Fonds geschlossen.
Wo fängt Gewalt an?
In einer Liebesbeziehung fängt Gewalt meist vergleichsweise harmlos an. Hinweise können schon übersteigerte Eifersucht oder einschränkende, enttäuschte, wütende Reaktionen auf eigenständige Freizeitaktivitäten der Partnerin sein. Auch fortgesetztes Schlechtmachen, beschimpfen, herabwürdigen sind Formen von Gewalt. Psychische Gewalt untergräbt nach und nach das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen der Frau, bis sie sich am Ende selbst nichts mehr zutraut. Im öffentlichen Raum beginnt Gewalt da, wo Frauen sich nicht mehr wagen abends alleine das Haus zu verlassen, sie beginnt bei eindeutig sexuell motivierten Handlungen oder Gesten, die Frauen herabwürdigen und ihre persönliche Grenze verletzen, sie beginnt bei taxierenden Blicken, beim Hinterherpfeifen und ungewollten Berührungen.
Petition an Justizminister Heiko Maas
Infos zum Fonds Missbrauch: www.fonds-missbrauch.de. Der Verein ist unter 0271/21887 oder www.frauenhelfenfrauen-siegen.de erreichbar.
Nach derzeitigem deutschen Strafrecht reicht es bei sexuellen Handlungen nicht aus, wenn eine Frau ausdrücklich und mehrfach „Nein“ sagt, weint oder fleht. Sie muss sich körperlich wehren, sonst liegt meistens keine Straftat vor. Schätzungsweise 85 bis 95 Prozent aller Frauen zeigen deshalb eine Vergewaltigung gar nicht an. Der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe verlangt deshalb von Justizminister Heiko Maas in der Petition „Nein heißt Nein“ die umfassende Reform des Sexualstrafrechts. Die Petition ist zu finden unter www.change.org/p/heikomaasschaffen-sie-ein-modernes-sexualstrafrecht-neinheisstnein
Haben sich die Probleme der Frauen, die zu Ihnen kommen, im Laufe der Jahre tendenziell geändert?
Leider muss man sagen, dass Frauen nach wie vor von Männergewalt bedroht sind. Das erleben wir in unserer Arbeit seit über 35 Jahren.
Unterscheiden sich die Probleme der Frauen in der hiesigen ländlichen Region von denen in Großstädten, oder hat der Wohnort keine Bewandtnis für Gewaltausübungen?
Hier sprechen die ständige Belegung aller Frauenhäuser für sich und leider sind auch im Kreis Siegen-Wittgenstein schon Frauen getötet worden und häufig sind in diesen Fällen der Partner oder Ex-Partner tatverdächtig.
Was können Frauen tun, um sich gegen Gewalt zu schützen?
Einen tatsächlich wirksamen Schutz gibt es nicht, da Frauen keinen Einfluss darauf haben, ob sie angegriffen werden. Auch lässt sich im Falle eines Angriffs nicht vorhersagen, ob überhaupt Möglichkeiten der Gegenwehr zur Verfügung stehen. In einer Bedrohungssituation reagiert jeder Mensch anders, wir können vor Schreck gleichsam erstarren und die häufig empfohlene lautstarke Gegenwehr ist nicht möglich. Im Falle von Gefahr gilt auch bei Häuslicher Gewalt, die Polizei zu benachrichtigen. Beratung und Unterstützung finden Frauen in der Beratungsstelle und einen sicheren Ort im Frauenhaus.
Wie viele Frauen haben sich im Jahr 2015 hilfesuchend an Sie gewandt, und welche Themen waren dabei die Schwerpunkte?
Im Jahr 2015 haben sich über 500 Frauen an die Frauenberatungsstelle gewandt. Schwerpunkte waren die Themen Gewalt und Probleme in der Partnerschaft, aber auch Themen wie soziale Sicherung, psychische und physische Erkrankung, Ess-Störungen und weitere.