Bad Berleburg. . Lothar Menn kann sich ganz schön in Rage reden. Der Kreislandwirt für Siegen-Wittgenstein engagiert sich momentan sehr in der politischen Diskussion um das geplante Landesumweltschutzgesetz. Es sollte laut Menn an einigen Stellen deutlich verändert werden, findet der Erndtebrücker, der bei Gesprächen mit der Heimatzeitung kein Blatt vor den Mund nimmt.

Lothar Menn kann sich ganz schön in Rage reden. Der Kreislandwirt für Siegen-Wittgenstein engagiert sich momentan sehr in der politischen Diskussion um neue Gesetze. Vor allem das geplante Landesumweltschutzgesetz, das im Frühjahr beschlossen werden soll, muss an einigen Stellen deutlich verändert werden, findet der Erndtebrücker, der bei Gesprächen mit Düsseldorfer Politikern, der Landesregierung und der Heimatzeitung kein Blatt vor den Mund nimmt.

Herr Menn, wie wird man eigentlich Kreislandwirt?

Lothar Menn: Man wird vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband aufgestellt und in einer Urwahl von den Mitgliedern im Kreis gewählt.

Aber dieses ehrenamtliche Engagement liegt bei Ihnen in der Familie?

Die Familie Menn war ehrenamtlich immer schon sehr engagiert. Auch mein Vater war Kreislandwirt und ich bin da nach und nach über Vorstandsarbeit in Vereinen auch so reingewachsen.

Das ist der Landwirtschaft ein Dorn im Auge...

Landwirte, Waldbauern, Jäger und Fischer haben gleich mehrere Kritikpunkte am Entwurf des Landesnaturschutzgesetzes ausgemacht, die sie auch aufzulisten:

Kompensationsmaßnahmen. Bei Kompensationsmaßnahmen gelte nicht mehr die von Schwarz-Gelb eingeführte 1:1-Regelung (Ausgleichsfläche nicht größer als Eingriffsfläche). Der Ausgleich solle wertgleich erfolgen, wodurch die benötigte Ausgleichfläche größer sein könne als die Eingriffsfläche.

Verbot Dauergrünland umzuwandeln.

Verbot von Pflegeumbrüche auf hochwertigen Dauergrünlandflächen durchzuführen.

Verbot den Grundwasserstand in Nass- und Feuchtgrünlandflächen abzusenken.

Flächendeckende Landschaftspläne: Die seit 1975 in NRW bestehende und von der CDU-FDP-Landesregierung zwischenzeitlich aufgehobene Pflicht zur flächendeckenden Aufstellung von Landschaftsplänen soll wieder eingeführt werden.

Biotopflächenanteil: Vorgaben aus dem Bundesnaturschutzgesetz zum Biotopverbund werden ins Landesnaturschutzgesetz aufgenommen, der landesweite Flächenanteil soll von 10 auf 15 Prozent erhöht.

Verstärkter Heckenschutz: Zusätzlich zum Schutz von Wallhecken werden auch andere Hecken ab 100 Metern Länge wegen ihrer hohen Bedeutung als Lebensstätte wild lebender Tiere geschützt.

Erweiterter Biotopkatalog: Der Katalog der gesetzlich geschützten Biotope wird erweitert. Künftig werden auch Kleinseggenrieder, Nass- und Feuchtgrünland, Magerwiesen und -weiden sowie Streuobstbestände geschützt

Baumsatzungen: Die bisherige „Kann-Regelung“ zur Aufstellung von Baumschutzsatzungen wird zu einer „Soll“-Bestimmung für die Gemeinden umgewandelt.

Vogelschutz: Die Bestimmungen zum Brutvogelschutz werden sprachlich angepasst, rechtlich aktualisiert und in der Verbotsdefinition viel ausführlicher und eindeutiger (Schutz der Nahrungshabitate und Flugkorridore) formuliert.

Was macht Landwirtschaft für Sie zu einem attraktiven Beruf?

Ganz einfach die Selbstständigkeit und die Arbeit mit der Natur und den Tieren. Außerdem ist jeder Tag anders. Das ist kein Job, das ist eine Berufung für die man bereit sein muss. Man kann damit kein Geld verdienen, ohne sich mit der Landwirtschaft zu identifizieren.

Früher war Wittgenstein von der Landwirtschaft geprägt, heute dominieren Nebenerwerbsbetriebe. hauptberufliche Landwirtschaft hat inzwischen Seltenheitswert.

In Siegen-Wittgenstein haben wir rund 85 Prozent Nebenerwerbslandwirte. Im Vollerwerb sind es nur noch gut 15 Prozent.

Woran liegt das?

Vor 30, 40 Jahren hatte jeder noch so ein bisschen Landwirtschaft. Viele gingen nachmittags aus den Fabriken nach Hause, weil sie zum Beispiel Heu machen mussten. Aber das hat sich verändert. Heute können Unternehmen nicht mehr auf ihre Mitarbeiter verzichten. Die müssen acht Stunden da sein. Also haben viele ihren Nebenerwerb aufgegeben und die übrigen haben diese Flächen gepachtet. 70 Prozent der bewirtschaften Flächen von Haupterwerbslandwirten sind gepachtet.

Wie groß muss ein Betrieb eigentlich sein, um lebensfähig zu sein?

Das kann man pauschal nicht sagen. Früher hatte meine Familie 13 Kühe und war damit ausgelastet, heute haben wir 150 Tiere. Man kann keine genaue Zahl sagen, ab wann man z.B. vom Milchgeld leben kann. Das ist sehr individuell.

Was bedeutet dieser Wandel in der Landwirtschaft für die Kulturlandschaft?

Hat sich die Kulturlandschaft denn gewandelt? Gut, heute bauen wir in Wittgenstein weniger Getreide und Kartoffeln an, aber verändert hat sich dadurch nicht viel.

Wittgenstein ist eine von Grünland- und Forstwirtschaft geprägte Region. Mit dem geplanten Landesnaturschutzgesetz könnte sich aber künftig viel verändern, oder?

Das trifft Landwirte und Waldbesitzer. Wir müssen uns fragen, was wollen wir eigentlich? Wildnis oder Artenvielfalt. Laut dem Entwurf, soll Grünland nicht mehr umgebrochen werden. Dabei war die Artenvielfalt früher, als wir zum Beispiel noch Getreide angebaut und den Boden umgebrochen haben, viel größer. Jetzt fehlen Lerche, Kiebitz und Feldhuhn.

Kritik gibt es auch an den Plänen, den Anteil der Naturschutzflächen auf von 10 auf 15 Prozent auszuweiten?

Dazu müsste man uns erst einmal erklären, wovon sich diese Prozentsätze ableiten: Von der Fläche des Landes oder von den bislang noch unbebauten oder unbewirtschafteten Flächen? Wir verlieren allein in NRW täglich etwa neun Hektar Fläche. Wenn man dann auch noch berücksichtigt, dass laut dem Gesetzentwurf künftig Ausgleichsflächen für Eingriffe in die Natur nicht mehr nur gleich, sondern größer sein sollen, verlieren wir am Ende 27 Hektar Fläche täglich, die für Land und Forstwirtschaft nutzbar gewesen wären. Die Politik soll uns dann auch mal sagen, wo wir dann zum Beispiel Lebensmittel erzeugen sollen. Man bekommt den Eindruck, dass selbst unsere Politiker mittlerweile glauben, dass man Brot beim Bäcker und Fleisch beim Metzger kauft. Man kann doch aus einer Kulturlandschaft keinen Urwald machen.

Ein weiterer besonders kritisierter Punkt sind erweiterte Einspruchsrechte von Naturschutzverbänden und die Einräumung von Vorkaufsrechten...

Das betrifft die Kommunen und auch die Industrie. Es kann doch nicht sein, dass ein Nichtfachmann dann einer Behörde sagen kann, welche Flächen sie zu schützen hat. Dann könnte man die Unteren Landschaftsbehörden ja auch abschaffen, wenn Interessengruppen so viel Einfluss erlangen. Im Grunde sind wir als Land- und Forstwirte schon jetzt zu 70 Prozent enteignet. Mit diesem Gesetz wären es 100 Prozent. Ich habe schon spaßeshalber mit dem Gedanken gespielt, meinen Betrieb dem Staat zu schenken und mich dann als Mitarbeiter mit festem Gehalt, geregelten Arbeits- und Urlaubszeiten einstellen zu lassen.

Es wird immer von der Macht der Verbraucher gesprochen. Wenn für Milch, Butter und Fleisch höheren Preisen erzielt werden können, verbessere sich die Situation der Landwirte. Welchen Einfluss haben sie als Produzenten auf den Markt?

Eine solche Macht haben wir nicht. Wir leben in einer globalisierten Welt und wir machen in Wittgenstein, Deutschland oder Europa keine Preise mehr. Wenn wir hier weniger auf den Markt bringen, produzieren andere eben mehr. Außerdem haben wir in Deutschland sehr hohe Standards und sind deshalb teurer. In Neuseeland braucht ein Landwirt 20 Cent pro Liter Milch, um existieren zu können, in Deutschland sind es 40 bis 45 Cent.

Gibt es einen Unterschied zwischen konventionelle Produktion und der für Bio-Produkte?

Wir haben in Deutschland so hohe Produktionsstandards, dass die Qualitätsunterschiede für den Verbraucher marginal sind. Wenn wir aber die gesamte Landwirtschaft der Welt auf biologische Produktionsstandards umstellen wollten, könnten wir nur noch vier Milliarden Menschen ernähren. Wir haben aber inzwischen 7,5 Milliarden.

Die Direktvermarktung von regionalen Produkten spielt auch in den Supermärkten Wittgensteins eine immer größere Rolle. Aber es gibt auch von Seiten der Landwirte Kritik, warum?

Weil die Vorgaben für eine Direktvermarktung so hoch sind, dass sie nicht von allen Betrieben erfüllt werden können. Wir in Wittgenstein erzeugen hauptsächlich Milch und Fleisch. Also bräuchten wir z.B. eine eigene Molkerei. Wollte ich aber alle Auflagen für die Direktvermarktung erfüllen, wäre mein Betrieb pleite, bevor ich das geschafft hätte. Außerdem müsste ich eine ganze Produktkette mit Kartoffeln Obst usw. anbieten, damit die Kunden nicht von Hof zu Hof fahren müssen. Das bringen wir einfach nicht hin.