Bad Berleburg. .

Im katholischen Pastoralverbund Wittgenstein stehen am Samstag und Sonntag, 7. und 8. November, Wahlen zum Kirchenvorstand an – jenem Gremium, das zuständig ist für Gebäude, Grundstücke und Personal der jeweiligen katholischen Kirchengemeinde – und zugleich das höchste Gremium einer Pfarrei in Vermögensangelegenheiten. Steht da womöglich ein Generationenwechsel an? Dazu im Interview: der Wittgensteiner Pfarrer Bernhard Lerch.

Zunächst einmal: Ist der Pastoralverbund mit dem neuen Gemeindeassistenten seit 1. August nun personell gut aufgestellt?

Bernhard Lerch: Ja, ich denke schon. Daniel Feldmann kommt aus Olpe, also von außen, ist frisch ausgebildet und wird nun eigene Akzente setzen. Er wird mit seinen 25 Jahren in den Bereich Kinder- und Jugendarbeit einsteigen – und sich außerdem um Präsenz unserer Kirchen im Sozialen Netzwerk Facebook kümmern. Denn mit dem Pfarrbrief allein erreichen Sie die jungen Leute heute nicht mehr. Und bei den Älteren ist es sehr oft genau umgekehrt. Außerdem ist unsere Gemeindereferentin Rosemarie Biedermann mittlerweile 65 Jahre alt und geht nächstes Jahr in den Ruhestand. Da ist eine Nachfolge-Regelung natürlich sinnvoll.

Der Bevölkerungsanteil der Katholiken in Wittgenstein liegt laut Statistik bei etwa zehn Prozent, in Erndtebrück sogar etwas höher. Wie entwickeln sich die Zahlen?

In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Katholiken in Wittgenstein von 5500 auf jetzt 4400 gesunken. Das hat vor allem etwas mit dem demografischen Wandel zu tun – mit der Abwanderung junger Leute, aber auch mit einer Überalterung der Bevölkerung. Gerade bei jungen Leuten ist die Zahl der Abwanderer etwa zur Ausbildung außerhalb deutlich größer als die der Hiergebliebenen. Aktuell haben wir rund 2000 katholische Christen in Bad Berleburg, etwa 1300 in Bad Laasphe und etwa 1100 in Erndtebrück.

Was ist zu tun, um die Zahl der Gläubigen stabil zu halten, sie gar zu steigern?

Tatsache ist: Die weniger gewordenen Katholiken gehen auch seltener in die Kirche – vor allem die mittlere Generation zwischen 40 und 60 Jahren ist das gar nicht mehr gewohnt. Außerdem gibt es nicht mehr DEN Senior – da kommt das regelmäßige Kaffeetrinken nicht mehr automatisch bei der Zielgruppe an. Und das bedeutet: Wir müssen unsere drei Kirchengemeinden im Pastoralverbund Wittgenstein wieder ganz von unten aufbauen.

Wie kann das funktionieren?

Dafür haben wir 2014 ein Pastoralkonzept entwickelt. Wir haben junge Leute, aber auch Senioren unserer Kirchengemeinden gefragt: Was müssen wir als Kirche tun, damit ihr kommt? Jetzt gibt es tatsächlich ein steigendes Interesse an der Aufgabe des Messdieners. Und die zusätzlich eingerichtete Pfarrjugend – das ist eine Sache, die brummt. Aber auch die Krabbelgruppen, die Gottesdienste etwa speziell für Kinder sind gut besucht – da kommt dann auch gerne die Oma- und Opa-Generation. Es scheint uns da nachhaltig etwas gelungen zu sein, in Bad Berleburg allemal. Aber auch Erndtebrück blüht auf. Und in Bad Laasphe renovieren Eltern in Eigenregie mit ihren Kindern das gesamte Pfarrheim.

Wie kommt eigentlich der spezielle „Kinderpfarrbrief“ an?

Die Idee dazu kam von den jungen Leuten selbst. Und ich finde, man muss sich auf die Kinder einstellen – auch und gerade im Familien-Gottesdienst.

Stichwort „Ökumene“: Wo gibt es aktuell Berührungspunkte mit der evangelischen Kirche in Wittgenstein?

Ja, die Ökumene – das ist eigentlich noch eine Baustelle. Durch die Strukturveränderungen sowohl in der evangelischen als auch in der katholischen Kirchen Wittgensteins sind frühere Verbindungen der Kirchengemeinden in den Hintergrund getreten. So gab es früher in allen drei Gemeinden gemeinsame Sitzungen unseres Pfarrgemeinderates und des Presbyteriums vor Ort. In Sachen Ökumene mehr zu tun, das steht für 2016 auf unserer Agenda. Mein Kontakt zu Superintendent Stefan Berk ist jedenfalls gut, das Verhältnis beider Konfessionen entspannt.

Die evangelische Kirche spart derzeit, etwa bei eigenen Immobilien. Ist das auch für die katholische Kirche vor Ort angesagt?

Wir haben in allen drei Kirchengemeinden den Dreiklang aus Kirche, Gemeindehaus und Pfarrhaus. Und daran wollen wir festhalten. Wir werden keine Kirche und kein Gemeindehaus mehr stilllegen oder abreißen wie zuletzt 2007 die Kirche in Feudingen. In Bad Laasphe allerdings haben wir unser Pfarrhaus jetzt vorerst geräumt, um drei Flüchtlingsfamilien mit insgesamt 16 Personen Platz zu bieten. Bald werden es wohl 17 sein, denn eine der Frauen ist hochschwanger. Wir sind dort also etwas zusammengerückt. Einige Flüchtlinge in Bad Berleburg und Bad Laasphe, die zum Beispiel als Christen aus Syrien kommen, besuchen übrigens auch unsere Gottesdienste. Sie suchen nach langer Zeit der Entbehrungen in ihrer Heimat einfach eine Kirche als Ort, um beten zu können.

Vom Juristen zum Priester

Pfarrer Bernhard Lerch ist 54 Jahre alt und stammt aus Iserlohn. Seinen Beruf versteht er als Berufung. Doch die kam erst später – nach einem Jura-Studium in Köln und erster Berufserfahrung in der Branche.

Im Alter von 25 Jahren dann, so Lerch, sei ihm sonntags beim Kirchgang irgendwie aufgefallen: Da gehe ich gerne hin. Könnte Priester nicht auch mein Beruf sein? Also begann Lerch ein Theologie-Studium in Paderborn. Es folgte eine pastorale Ausbildung und schließlich 1995 die Priesterweihe.

Bis 1999 war Lerch als Vikar in Unna tätig, ehe er für vier Jahre seine erste Pfarrstelle im hessischen Willingen antrat – und dann 2003 nach Bad Berleburg wechselte. Hier war er zunächst einer von drei Pfarrern. Mittlerweile kümmert er sich in diesem Amt allein um die Seelsorge im katholischen Pastoralverbund Wittgenstein.

„Wir brauchen Köpfe!“ heißt das Motto der anstehenden Wahl zum Kirchenvorstand im November. Hat der Pastoralverbund genug „Köpfe“, die in den drei Kirchengemeinden zur Wahl stehen? Oder heißt es überall „Wiederwahl“?

Durchaus nicht. Wir haben es für die Wahl 2015 geschafft, die Kandidaten deutlich zu verjüngen. Außerdem haben wir deutlich mehr Kandidaten, als wir eigentlich brauchen. Tatsächlich gehen gerade die jungen Leute aus unseren Gemeinden jetzt mehr in die Verantwortung. In Bad Laasphe sind das übrigens alles Leute, die auch bei der Renovierung des Pfarrheims mithelfen.

Wie sind die Reaktionen auf das aktuelle Briefwahl-Angebot?

Das wird wie immer gerne in Anspruch genommen. Gerade von Leuten, die jetzt in die Ferien fahren, das Wählen dann aber gerne schon hinter sich haben.

Was können, was sollten die neu gewählten Kirchenvorstände in der nächsten Zeit bewegen?

Unser großes Projekt heißt jetzt Mobilität. Wir wollen 2016 einen neuen Transporter anschaffen, einen Neun-Sitzer – um kurzfristig Fahrdienste zu Veranstaltungen anzubieten oder auch die Pfarrjugend zum Kanufahren zu bringen. Einen Anhänger für Material habe wir schon.

Eine digitale Dauerbaustelle: Wann gibt’s Informationen über die Kirchengemeinde Bad Laasphe im Internet-Auftritt www.pastoralverbund-wittgenstein.de?

Also, die Plattform dafür steht. Natürlich müssen die Gruppen in der Bad Laaspher Kirchengemeinde auch selbst etwas tun, Texte entwerfen, Bilder einstellen, um im Internet über ihre Angebote zu informieren.

Wie wird eigentlich der „Priester-Notruf“ genutzt?

Diesen telefonischen Kontakt nutzen vor allem heimische Bestatter, wenn sie für eine Beerdigung einen katholischen Pfarrer benötigen. Aber auch die Intensiv-Station der Berleburger Helios-Klinik, wenn es dort um Sterbebegleitung geht. Und schließlich Einzelpersonen mit Sorgen. Da hatte ich allerdings auch schon einmal eine Anruferin aus Dortmund in der Leitung, die im Internet auf der Suche nach einem Kontakt einfach nach den Begriffen „Priester“ und „Notruf“ gegoogelt hatte.

Was reizt Sie persönlich besonders an Ihrem Beruf? War das auch Ihr Wunsch in der Kindheit?

Also, in der Kindheit wollte ich eigentlich Astronaut werden. Als die erste Mondlandung im Fernsehen übertragen wurde, war ich neun Jahre alt. Aber es kam dann eben doch ganz anders.