Gräfenroda/Bad Berleburg. .

Mit den Dörrberger Musikanten aus dem Thüringer Wald verbindet der Berleburger Verkehrs- und Heimatverein eine langjährige Freundschaft. Die hat das damalige Vorstandsmitglied Karl Heinz Stolz (†) begonnen. In Gräfenroda, dem Heimatort der Musiker, war Stolz von der Spielkunst der Männer begeistert und lud sie spontan für einen Auftritt beim Wollmarkt im Mai 1990 ein.

Dabei wurden schnell weitere Kontakte geknüpft und als der Tag der Einheit für den 3. Oktober terminiert war, kam sofort eine Einladung aus Gräfenroda zur Teilnahme an der Vereinigungsfeier beim Verkehrs- und Heimatverein an.

Für den damaligen Vorstand mit Günter Hirschhäuser, Karl Heinz Stolz und Bernd Brömmeling stand fest: Da fahren wir hin. Heute erinnert sich Brömmeling noch haargenau an das Ereignis. „Karl Heinz Stolz kannte sich gut aus. Er steuerte seinen Wagen von Hessen aus in Richtung Thüringen, das noch durch die Mauer getrennt war. Karl Heinz wusste aber von einer Landstraße, die durch eine Öffnung der Grenze passierbar war. Das Loch in der Mauer habe ich heute noch vor Augen.“

Noch Zweifel am großen Ziel

Das Bürgerhaus in Gräfenroda war am 2. Oktober festlich geschmückt; aber Stimmung wollte so recht nicht aufkommen. Brömmeling: „Ich glaube, die Menschen dort waren noch sehr ängstlich und vielleicht bestanden bei ihnen sogar noch Zweifel an der Vereinigung. Wir hatten auch irgendwie ein mulmiges Gefühl, weil an jedem der Tische ein Stasi-Mann saß, wie uns die Musikanten verrieten.“

Im Saal waren Zettel mit dem Text der dritten Strophe der deutschen Nationhymne verteilt worden. „Die singe ich auf keinen Fall mit“, erklärte ein Stasi-Mann den Berleburgern. Die aber hatten eine rigorose Überzeugungskraft und zwangen den Mann dann doch kurz vor Mitternacht zum gemeinsamen Singen. Danach löste sich die Spannung auf einen Schlag. Menschen lagen sich in den Armen, Freudentränen, gemeinsames Anstoßen. Noch bevor das große Feuerwerk beendet war, hatten sich alle Stasileute aus dem Staub gemacht.

Matthias Heinemann war damals Dirigent der Dörrberger Musikanten. Er hatte Bernd Brömmeling von einem mysteriösen „Stasi-Häuschen“ erzählt und den Realschuldirektor neugierig gemacht. Angeblich sei diese Abhörzentrale für den normalen Bürger nie geöffnet gewesen. Jetzt stand die Tür auf. Am nächsten Morgen war Brömmeling der einzige „Wessi“, der sich mit Heinemann traute, das Haus zu betreten. „Es war alles da. Richtmikrofone, Kameras, Abhöranlagen und Schreibtische. Sogar ein Schlafraum für die Überwacher, weil die Leute in Gräfenroda rund um die Uhr bespitzelt wurden.“

Bernd Brömmeling wird niemals vergessen, wie die Heimfahrt nach Wittgenstein verlief: „In jedem auch noch so kleinen Dorf herrschte Volksfeststimmung. Überall, sogar mitten in Oberhof, standen Menschen an Bierrondells und feierten in einer unbeschreiblichen Stimmung. Und ich spürte genau, was die Menschen feierten, ihre Freiheit.“