Aue-Wingeshausen. . Die Frauen im Dorfverein Aue-Wingeshausen gestalten Decken und Bezüge – nachhaltig und fröhlich. Da schaut man bei der Arbeit gern zu.
Die Designer dieser Welt schauen wohl eher nicht im Gemeindehaus in Aue-Wingeshausen vorbei. Und auch die fünf gut gelaunten Damen, die im schmucklosen Raum an den beigefarbenen Tischen arbeiten, sitzen nicht unbedingt an den Laufstegen in Mailand oder Paris, sondern erfahren von den Fashion Weeks vor allem aus den bunten Zeitschriften. Doch haben die Modeschöpfer und die Frauen etwas gemeinsam: Sie lieben Patchwork. Was für die einen der Trend in der vergangenen Herbst- und Winterkollektion war, ist für die anderen eine jahrelange Leidenschaft. Ein Besuch bei der Patchwork-Gruppe des Dorfvereins Aue-Wingeshausen.
Sabine Koch zieht das weiße Garn durch den Baumwollstoff und blickt zufrieden. Ihre erste eigene Steppdecke mit braunen, roten und orangefarbenen Mustern nimmt Gestalt an. Sie ist noch ziemlich neu in der Patchwork-Gruppe. Zufällig habe sie das Hobby für sich entdeckt, erzählt Koch. „Weil Christel mir mal gezeigt hat, was man durch Patchwork so alles zaubern kann.“ Christel Stremmel sitzt ums Tischeck, nickt und bereitet mit der englischen Papiertechnik die Muster für ihr nächstes Projekt vor.
Anfänger sind willkommen
Die Patchwork-Gruppe des Dorfvereins Aue-Wingeshausen freut sich über Neulinge. „Jeder kann dazustoßen und nach Lust und Laune unseren Treffen kommen“, sagt Annette Döppel.
„Wir haben das nötige Material da, so dass sich Anfänger sofort ausprobieren können“, ergänzt Margit Bürger. „Es wäre schön, wenn wir noch mehr Menschen mit Patchwork infizieren könnten.“
Kreatives Recycling
Sie heftet Papierschablonen mit groben Stichen an den Stoff. Meist benutzen die Frauen Baumwolle: alte Bettwäsche, ausgediente Oberhemden oder ein nicht mehr gebrauchtes Schützenköniginnenkleid. „Neues Leben für alten Stoff“, sagt Initiatorin Margit Bürger. Es ist kreatives Recycling in einer Gesellschaft, die Nachhaltigkeit zu einem ihrer wichtigsten Ziele auserkoren hat. Sind die Muster fertig, werden sie zusammengelegt und zu einem Top genäht. Dieses verbinden die Patchworkerinnen dann mit einem Volumenvlies und rückseitigem Stoff. So entsteht ein Quilt, das im besten Fall farbenfroh leuchtet und akkurat genäht ist. Allerdings fertigen die Freundinnen nicht nur Decken. Auch Wandbehänge, Taschen, Stuhlbezüge oder Topflappen entwickeln sie in Handarbeit. „Man kann mit Patchwork alles machen“, sagt Annette Döppel.
Die Wittgensteinerin ist eine quirlige Frau, die beim Erzählen gerne lacht. Es gibt für sie kaum etwas Schöneres, als sich in das kreative Chaos zu stürzen. „Einfach loslegen und hinterher staunen, was herausgekommen ist“, beschreibt Döppel ihren Kunst-Zugang.
Döppel gehört zu der gestalterischen Keimzelle, aus der die Patchwork-Gruppe in Aue-Wingeshausen entstanden ist. Zusammen mit Margit Bürger, Birgitta Dreier und Christel Stremmel trifft sie sich bereits seit über 35 Jahre in einem Strickclub. „Irgendwann wollten wir noch etwas anderes dazu machen“, erzählt Döppel von den privaten Anfängen, die bald ein Jahrzehnt zurückliegen. Margit Bürger schlug Helmut Keßler vor rund einem Jahr die Idee einer Patchwork-Gruppe vor und rannte nicht nur beim 1. Vorsitzenden des Dorfvereins Aue-Wingeshausen offene Türen ein.
Patchwork beim Friseur oder Arzt
Zumeist sind es mehr als zehn Frauen, die zu den monatlichen Treffen ins Gemeindehaus kommen. An diesem Dienstagvormittag in der Ferienzeit sind es zwar nur fünf Damen, doch ihre Laune ist prächtig. „In Gesellschaft macht es am meisten Spaß“, meint Birgitta Dreier. Die Treffen dienen auch dazu, Fragen zu stellen und Anregungen zu gewinnen. „Zu Hause kann man dann weiterarbeiten“, sagt Dreier.
Doch nicht nur in den heimischen vier Wänden werkeln die Damen. Beim Friseur oder im Wartezimmer in der Arztpraxis sitzen sie auch ab und an mit ihren Stoffen. „Die Nähmaschine macht mich manchmal nervös, Patchwork macht mich glücklich“, sagt Luise Beuter.
Glücklich und entspannt: „Patchwork beruhigt mich. Es ist wie Wellness“, stellt Annette Döppel fest. Eine wissenschaftliche Studie aus den USA schreibt Patchwork sogar die gleiche entkrampfende Wirkung wie Yoga zu – ganz egal, ob das Flickwerk in Mailand, Paris oder Aue-Wingeshausen entsteht.