Bad Berleburg. . Knie-Beschwerden – ein hochaktuelles Thema, das die Wittgensteiner interessiert. Kein Wunder, denn: Die Ursachen sind so vielfältig wie Behandlungschancen, erklärt Dr. Peter Riess, in der Bad Berleburger Helios-Klinik Chefarzt.
Knie-Beschwerden – sie sind ein hochaktuelles Thema in der Helios-Klinik Bad Berleburg: Etwa 150 Interessierte hatten sich für einen Vortrag von Dr. Peter Riess angemeldet – zu viele für nur einen Termin. Also hielt der Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie und Orthopädie kurzerhand noch einen zweiten Vortrag, um dem Informationsbedürfnis der Bürger gerecht zu werden. Relevant sind die Informationen übrigens auch für beschwerdefreie Menschen.
Das verwundbare Knie
Wie ist ein Knie aufgebaut? Warum haben so viele Menschen Probleme mit dem Gelenk? Und wie können Schmerzen oder Krankheitsbilder behandelt werden? Dr. Peter Riess, Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie und Orthopädie nahm zu den verschiedenen Fragen Stellung, erklärte zunächst den Aufbau des Kniegelenks und warum es so verwundbar ist. „Das Knie verbindet die beiden größten Knochen im Körper, den Oberschenkel- und den Unterschenkel-Knochen. Durch das Körpergewicht und die alltägliche Bewegung steht es unter Dauerbelastung“, erklärt der Chirurg. Die Oberschenkel- und Unterschenkelköpfe sind beide abgerundet, haben also nur eine relativ kleine Auflagefläche, was den Druck und die Reibung auf den Knorpel und die Menisken deutlich erhöhen kann – vor allem, wenn starke Belastungen durch Sport, Übergewicht oder Fehlstellungen hinzukommen.
Die drohenden Schäden
Das Ergebnis einer Belastung können Risse in den Menisken und dann auch des Knorpels sein, die zu Schmerzen, Immobilität und später Arthrose führen können. Daneben gibt es auch Erkrankungen des Kniegelenkes, die vermehrt in jungen Jahren auftreten, wie zum Beispiel Morbus Osgood Schlatter oder das Patellaspitzen-Syndrom. Beide Erkrankungen folgen unter anderem auf eine zu hohe Belastung, etwa durch exzessiven Sport. Der Therapieverlauf ist meist langwierig. „Trotzdem sind die Heilungschancen bei beiden Krankheiten gut. Von einer Operation würde ich in diesen Fällen aber abraten“, so Dr. Riess. „Physiotherapie, Ruhe und entzündungshemmende Medikamente wirken hier besser.“
Knie-Spiegelung nicht immer sinnvoll
Entgegen der landläufigen Meinung empfehlen Fachärzte bei einer Kniegelenksarthrose nicht zwangsläufig eine Knie-Spiegelung.
Dr. Riess: „Arthroskopien bei Kniegelenksarthrose stehen schon länger in der Kritik bzw. wurde die therapeutische Notwendigkeit hinterfragt. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat jetzt durch Sichtung verschiedener Studien belegt, dass Knie-Spiegelungen bei Gonarthrose keine dauerhafte Linderung verschaffen. Besser wirkt Physiotherapie. Bei anderen Erkrankungen kann eine Arthroskopie hingegen sinnvoll sein.“
Bei einem Kreuzband-Riss, ebenfalls eine bekannte Sportlerkrankheit, kann es gerade bei jungen Menschen sinnvoll sein, eine Kreuzband-Plastik durchzuführen. Dazu entnimmt der Chirurg eine Oberschenkel-Sehne und ersetzt mit ihr das Kreuzband. In der Regel kann der Patient nach bis zu sechs Monaten wieder Kontaktsport ausüben, also etwa Fußball spielen.
Die häufigste Ursache für Knie-Beschwerden ist Arthrose, genauer gesagt die Gonarthrose (Kniegelenksarthrose). Statistisch sind mehr Frauen als Männer betroffen, aber auch das Alter ist ein ausschlaggebender Faktor für die degenerative Verschleiß-Erkrankung. „Die Prognose bei einer fortgeschrittenen Gonarthrose ist schlecht“, sagt Dr. Riess. „Das Ziel nach der Diagnose ist meist, Schmerz- und Bewegungsfreiheit herzustellen und zu erhalten.“
Tipps zur Vorbeugung
Grundsätzlich ist Vorbeugung die beste Medizin: regelmäßige Bewegung wie etwa Radfahren, ein Körpergewicht im Normalbereich und gesund leben – ohne Rauchen und mit wenig bis keinem Alkohol. Zu den endogenen, sprich angeborenen, Faktoren die eine Gonarthrose zusätzlich begünstigen, zählen beispielsweise Gene, Geschlecht oder ethnische Zugehörigkeit.
Die Diagnose
Doch wie stellt der Arzt die Ursache fest? Dr. Riess: „Am Wichtigsten ist es, miteinander zu sprechen. Der Patient muss Gelegenheit bekommen, seine Beschwerden genau zu schildern. Daraus leiten sich für uns oft schon die nächsten Schritte ab.“ Es folgen die Untersuchung und je nach Symptom auch Röntgen/MRT oder Spiegelung. „Es gibt Stellen am Knie, an denen ein Druckschmerz fast immer auf ein bestimmtes Beschwerdebild hindeutet“, so der Mediziner. „Manchmal strahlen aber auch Rücken- oder Hüftschmerzen bis ins Knie aus. Das sollte man vor einer Behandlung in jedem Fall abklären.“
Die Therapie
Abhängig vom Krankheitsbild und unter Einbeziehung der Patientenwünsche stehen verschiedene Therapie-Verfahren zur Verfügung, um kranke Kniegelenke zu therapieren:
Menisken können an gut durchbluteten Stellen genäht oder an anderer Stelle zumeist sparsam teilentfernt werden.
Knorpel kann von einer weniger beanspruchten, an eine stark beanspruchte Stelle im Gelenk transplantiert werden.
Und: Durch die sogenannte Mikro-Frakturierung (eine Form der Eigenblut-Therapie) können kleine Knorpelschäden durch Faserknorpel (Ersatzknorpel) aufgefüllt werden. Dr. Riess zur Wirksamkeit dieses Verfahrens: „Ich vergleiche das gern mit dem Ausbessern von Schlaglöchern: Wenn man die Löcher mit Rollsplitt füllt, erfüllt die Lösung ihren Zweck. Aber wirklich perfekt ist sie nicht.“
Die Knie-Prothese
Ist bei einer Gonarthrose der Zustand des Knies irgendwann so desolat, dass Bewegungen nur noch unter starken Schmerzen möglich sind, kann eine Prothese sinnvoll sein. Es gibt verschiedene Prothesen-Modelle, die in der Helios-Klinik eingesetzt werden -- abhängig davon, ob das Knie vollständig oder nur teilweise geschädigt ist.
„Wir arbeiten immer substanzerhaltend“, sagt der Chefarzt. Patienten, bei denen nur eine Seite des Kniegelenks verschlissen ist, wird auch nur die betroffene Stelle ersetzt. Es gibt Prothesen in unterschiedlichen Größen und Gewichten. Sie werden vor der Operation am Computer an der Anatomie des Patienten geplant und während des etwa 90-minütigen Eingriffs penibel an den Knochen modelliert. Dr. Riess: „Die Vorstellung, sich eine Prothese einsetzen zu lassen, schreckt viele Patienten erst einmal ab. Aber aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es vielen Betroffenen nach dem Eingriff deutlich besser geht als vorher.“