Bad Berleburg.
Rund 30 000 Menschen haben den Kosovo in den
vergangenen Monaten fluchtartig in Richtung Schengen-Raum verlassen – viele kamen nach Deutschland. Für Alfred Tafoshi ist das keine
echte Überraschung. Seine Eltern kamen im April 1991 als Gastarbeiter und somit noch vor dem Kosovo-Krieg in das Bundesgebiet. Damals war er fünf Jahre als. Weil er regelmäßig seine Verwandten in der ehemaligen Heimat besucht, kennt der Selbstständige und Mitarbeiter der Stadtjugendpflege die Gründe für den Exodus der Kosovaren in Richtung Norden.
1 Warum verlassen die Menschen in Scharen die ehemalige jugoslawische Teilrepublik mit Ziel EU?
Es ist ganz einfach das politische System. Die Europäische Union zahlt dem Kosovo pro Jahr eine Aufbauhilfe von 160 Millionen Euro, aber das Geld verschwindet regelmäßig in irgendwelchen dunklen Kanälen und kommt nicht bei den einfachen Leuten an.
Es gibt keine Arbeit. Und wer keine Arbeit hat, kann sich keine Lebensmittel kaufen, die genau so teuer sind wie hier. Wenn man kein Geld hat, kann auch kein Holz zum Heizen gekauft werden. Es gibt überhaupt keine Krankenkasse, die medizinische Leistungen übernehmen würde, von Arbeitslosengeld mal ganz zu schweigen.
2 Was versprechen sich die Flüchtlinge von einem Aufenthalt in Deutschland?
Wie gesagt, im Kosovo leben 60 Prozent der Einwohner unter der Armutsgrenze. Hier erhoffen sie sich ein bisschen Taschengeld, denn in vielen anderen EU-Staaten gibt es nur Gutscheine. Der Andrang ist jetzt im Winter so groß, weil jetzt die landwirtschaftlichen Vorräte aus dem eigenen Anbau aufgebraucht sind. Während der warmen Jahreszeit können die Leute von den Erträgen aus dem eigenen Garten aber zumindest überleben.
Die allermeisten treten die lange Reise zudem mit völlig falschen
Vorstellungen an. Sie glauben, hier arbeiten und Geld verdienen zu können, und anschließend wieder in den Kosovo zu gehen. Das funktioniert natürlich nicht. Unglücklicherweise geben viele der Flüchtlinge sehr viel Geld für die Schlepper aus.
3 Wie könnte die Situation im
Kosovo nachhaltig verbessert werden?
Das ist ganz eindeutig: Der Präsident muss weg, und dann muss die Aufbauhilfe ordentlich und gerecht verteilt werden. Passiert das nicht, werden die Reichen immer reicher und die ärmere Bevölkerung tritt im nächsten Winter, wenn die eigenen Vorräte aufgezehrt sind, erneut die Flucht in Richtung Schengen und somit auch nach Deutschland an.