Erndtebrück. . Drei Frauen aus der Edergemeinde gründen eine Bürgerinitiative, um vor Ort Menschen aus Kriegsgebieten wie Syrien zu helfen. Und sie suchen noch weitere Unterstützer.
Im Moment ist es noch eine reine Privat-Initiative: Die SPD-Politikerin Irmlind Laues, Unternehmerin Ursula Wied und Lehrerin Gisela Bleischwitz haben in ihrer Heimatgemeinde die „Bürgerinitiative Flüchtlingshilfe Erndtebrück“ gegründet.
„Die Berichte über Gewalt in den Unterkünften Bad Berleburg und Burbach waren für uns der Anstoß“, sagt Irmlind Laues, SPD-Politikerin in Erndtebrück und Vorsitzende des Sozialausschusses.
Chance zur Begegnung in Jugendtreff und „Klöneck“
Der Erndtebrücker Jugendtreff „LogIn“ hat sich bereiterklärt, Spiel-Nachmittage für die jüngeren Flüchtlinge zu organisieren – und Kontakte zu Jugendlichen.
Außerdem „werden wir das ,Klöneck’ der AWO Erndtebrück für Begegnungen in Anspruch nehmen“, kündigt Initiatorin Irmlind Laues an.
Das erklärte Ziel des aktiven Trios nun: sich um zugewiesene Flüchtlinge in Erndtebrück zu kümmern – vor allem mit Deutsch-Unterricht, aber auch mit direkter Hilfe bei der Suche nach Kontakten, etwa zu Vereinen oder möglichen Arbeitgebern vor Ort.
Die Gründung der Initiative selbst schildert Ursula Wied: „Es hat vor kurzem im Erndtebrücker Rathaus so eine Art ,Runden Tisch’ gegeben. Wir drei haben zusammengesessen mit dem Beigeordneten Thomas Müsse und mit Christoph Dörnbach, in der Verwaltung auch für Flüchtlingsfragen zuständig.“ Außerdem seien Norbert Bleischwitz vom DRK und Roswitha Heppner von der AWO dabei gewesen, Carolin Bem vom Jugendtreff „LogIn“ und Barbara Lenz-Irlenkäuser, beim evangelischen Kirchenkreis Wittgenstein für Flüchtlingsarbeit zuständig.
„In dieser Gesprächsrunde haben wir auch erfahren, dass es Grenzen gibt, was die Gemeindeverwaltung leisten kann“, so Wied weiter. „Und dass es gut ist, die Verantwortung noch auf andere Schultern zu legen.“
Wohnraum fehlt
Wichtig sei es erst einmal, so Laues, dass die Menschen aus Kriegsgebieten wie Syrien, zum Teil traumatisiert, „wieder zu sich selbst finden“. Wie wohltuend dabei schon ein Spaziergang sei, hat Wied mit einer Bewohnerin erlebt. „Das war der schönste Tag in meinem Leben“, sagte die Frau zum Schluss.
Stichwort Wohnraum für Flüchtlinge – gibt’s da Nachholbedarf? „Ja, da würde die Gemeinde gerne etwas anmieten“, weiß Ursula Wied. Doch es fehle ja oft schon Wohnraum für Bundeswehr-Angehörige am Standort Erndtebrück. Mit Blick auf steigende Flüchtlingszahlen würden sowohl die Unterkunft an der Hauptmühle als auch angemietete Wohnungen womöglich bald nicht mehr reichen, fürchtet. Wied. „Da wären wir für Angebote aus der Bevölkerung dankbar.“
Ursula Wied im Interview: Mit Basis-Deutsch raus aus den Containern
Flüchtlinge unterzubringen ist für die Gemeinde Erndtebrück nicht immer leicht – werden sie doch oft recht überraschend zugeteilt. Hier bekommen die Verantwortlichen aus dem Rathaus jetzt Unterstützung von der neuen Bürgerinitiative Flüchtlingshilfe Erndtebrück. Ein Gespräch mit Initiatorin Ursula Wied.
Oberstes Ziel der Initiative ist es, „die Integration der zu uns kommenden Menschen mit verschiedenen Aktionen zu fördern“. Wo sehen Sie da einen Anfang?
Ursula Wied: Vor allem mit einem Deutsch-Unterricht für Flüchtlinge. Das Ehepaar Bleischwitz, aber auch der frühere Erndtebrücker Pfarrer Helmut Krumm wollen da etwas tun, so eine Art Basis-Deutsch vermitteln. Außerdem haben wir noch ein oder zwei Personen, die als Lehrer einsteigen wollen. Netterweise hat uns die Gemeinde für den Unterricht Räume in der Hauptschule zur Verfügung gestellt.
Glauben Sie, dass dieses Angebot ankommt?
Das Interesse am Erlernen der Sprache ist bei den Flüchtlingen groß. Sie ist ja eigentlich auch das wichtigste Bindeglied für die Flüchtlinge zu ihrer neuen Heimat. Außerdem wollen wir zeigen, wie Deutschland funktioniert, dass zum Beispiel Pünktlichkeit eine Tugend ist.
Wie klappt eigentlich die Verständigung mit den Flüchtlingen?
Das ist schon schwierig, selbst mit Englisch oder Französisch. Zum Glück gibt es jemanden unter den Flüchtlingen, der fünf Sprachen spricht. Dieser Mann hilft uns im Moment sehr beim Übersetzen.
Welche anderen Aktionen sind noch denkbar?
Der Jugendtreff „LogIn“ möchte einen Treff für die Flüchtlinge organisieren, die mit 20 bis 40 Jahren meist sehr jung sind und übrigens derzeit aus 15 verschiedenen Ländern kommen – aus Afrika, Bangladesch, aus Syrien, dem gesamten arabischen Raum. Das gilt zumindest für die Einzelpersonen, die neben zwei größeren Flüchtlingsfamilien hier bei uns leben.
In der Berleburger Flüchtlingsunterkunft am Spielacker war Langeweile eines der Stichworte. Können Sie schon sagen, was man am Standort Erndtebrück dagegen tun kann?
Wir haben uns überlegt, für die Flüchtlinge einen Fragebogen zu entwerfen, um herauszufinden: Was haben Sie bisher in Ihrer Freizeit gemacht? Was planen Sie für Ihre Zukunft? Die Antworten könnten hilfreich sein, um gerade den Flüchtlingen Kontakte zu unseren Vereinen zu vermitteln – vielleicht sind ja Fußballer-Talente darunter. Oder jemand, der Musik machen möchte. Oder wir finden einen Draht zu heimischen Unternehmen, die Praktika, eine Lehre oder sogar Jobs anbieten könnten. Das könnte den Flüchtlingen mehr Selbstwertgefühl vermitteln – und sie dazu bringen, ihren Blick in die Zukunft zu richten auf das, was kommt, wenn ihr Asylantrag bewilligt wird. Aber auch die Arbeitsagentur wäre sicher bereit, Termine für jemanden unter den Flüchtlingen zu vereinbaren, der eine Arbeitserlaubnis hat.
Gibt es vielleicht auch ganz kurzfristig Chancen für die Flüchtlinge, sich sinnvoll einzubringen?
Das loten wir gerade aus. So möchten wir als Bürgerinitiative gerne bei Privatleuten anfragen, die im Alltag vielleicht Hilfe brauchen. Wir könnten Kontakte für einen Arbeitseinsatz vermitteln, etwa: Hecke schneiden gegen eine Tasse Kaffee oder einen kleinen Obolus. Dass die Leute auf jeden Fall etwas machen, wofür sie ein bisschen zurückbekommen. Vom Staat erhalten Asylbewerber derzeit eine Leistung, die knapp unterhalb von Hartz IV liegt. Und davon müssen sie auch noch ihre Unterkunft bezahlen.
Womit könnten die Erndtebrücker den Flüchtlingen noch helfen?
Tja, wir suchen da zum Beispiel noch Wörterbücher Arabisch-Deutsch. Und Menschen, die mit den Flüchtlingen einfach mal spazieren gehen. Die ihnen einfach etwas von ihrer Zeit geben – das Wertvollste, was wir haben. Auch ein Kicker für die Unterkunft wäre nicht schlecht, gegen die Langeweile. Und Fahrräder. Dann wären für die Flüchtlinge die Wege kürzer.
Alle Bürger, Vereine oder sonstigen Institutionen, die sich im Sinne der neuen Bürgerinitiative einbringen möchten, sind zur Mithilfe eingeladen. Mehr Infos: Vorsitzende des Sozialausschusses der Gemeinde Erndtebrück, Irmlind Laues, Tel. 02753/2457, oder Ursula Wied, Tel. 02753/2028, oder Gisela Bleischwitz, Tel. 02753/3470