Wittgenstein. .

Man soll die Kirche im Dorf lassen. „Dieser Spruch kommt ja nicht von ungefähr“, sagt Oliver Berg im Gespräch mit dieser Zeitung. Der Verwaltungsleiter des Evangelischen Kirchenkreises Wittgenstein befasst sich intensiv mit der Frage der Finanzen in den einzelnen Kirchengemeinden.

Eines der bedeutendsten Themen sind die Immobilien und vor allem deren Unterhaltung. Das Thema Rücklagen-Bildung, das in unserer Berichterstattung über den Verkauf des Pfarrhauses in Girkhausen eine große Rolle spielt, ist dabei nicht neu: „Alle Gemeinden sind per se gehalten, Rücklagen zu bilden. Nur bislang wurde darauf nicht so stark geachtet“, sagt Berg.

Das ist inzwischen anders. Schon deshalb habe sich der Finanzausschuss im Kirchenkreis Wittgenstein ein Finanzierungsmodell erarbeitet. Das orientiert sich an den Versicherungswerten der Immobilien und verlangt zunächst 0,5 und bis 2020 dann sogar 0,75 Prozent jährlicher Rücklagenbildung pro Gebäude.

Ein pädagogisches Mittel

„Das ist auch ein Pädagogisches Mittel“, macht Berg deutlich. Die Landeskirche und auch die Kirchenkreise fordern ihre Gemeinden und Presbyterien. Sie sollen sich mit ihren Immobilien und ihrer gesamten Struktur, den Vermögen und den Kosten befassen. Sie sollen sich fragen: „Was haben wir für Ziele?“ Welche Gottesdienststätten wollen wir erhalten, welche Räume braucht die Gemeinde für Jugendgruppen, Frauenhilfe und so weiter.

Hierzu lässt sich in Westfalen eines feststellen: „In der Regel haben sie 50 Prozent zu viel Raum“, so Berg. Das liegt an der Bevölkerungsentwicklung, die Berg ganz plastisch mit Zahlen belegen will. In den 1950er Jahren gab es in der Evangelischen Landeskirche von Westfalen 2,4 Millionen Gemeindemitglieder und 400 Kirchen. Diese Zahlen stiegen durch das Bevölkerungswachstum auf 3,5 Millionen Mitglieder und 800 Kirchen in den 1970er Jahren an.

Paradoxer Weise sprudeln die Kirchensteuereinnahmen

Inzwischen aber machen sich demografische Effekte wie Geburtenrückgang, Landflucht und Alterung der Bevölkerung bemerkbar. „Wir haben jetzt nur noch 2,4 Millionen Gemeindemitglieder – aber immer noch 800 Kirchen“, rechnet Berg vor. Die ganzen anderen Gebäude wie Gemeindehäuser und Kindergärten sind darin noch nicht enthalten. „Gerade den ländlichen Kirchenkreis Wittgenstein stellt das vor große Probleme“, so Berg.

„Das Paradoxe ist aber, dass die Kirchensteuereinnahmen momentan sprudeln“, sagt Berg. Das liegt letztlich an der geringen Arbeitslosigkeit, ist für den Verwaltungsmann aber kein Ruhekissen: „Jede Rezession wird uns hart treffen.“ Und mit Blick auf den demografischen Wandel, bedeutet es, dass die Einnahmen sinken werden, weil weniger Steuerzahler hier leben und Rentner geringere Steuern zahlen.

Diese demografische Entwicklung trifft auch die Kommunen, aber es gibt zwischen der weltlichen und der kirchlichen Gemeinde einen ganz wesentlichen Unterschied: „Eine Kirchengemeinde darf sich nicht verschulden oder über Kassenkredite finanzieren“, erläutert Berg. Auch aus diesen Gründen hält Berg Rücklagenbildung für pädagogisch wertvoll. Jede Gemeinde muss planen, welche Gebäude sie zukünftig noch braucht und erhalten kann. Nur so ist es möglich, die „Kirche im Dorf zu lassen. Hier verbindet sich Glaube mit Stein.“