Sassenhausen. .
„Bei uns im Dorf, da ist ein gaaanz reicher Mann, der will alle Bauernhöfe kaufen.“ Das erzählen seit wenigen Tagen Sassenhäuser Kinder in der Schule. Wenn andere Jungen und Mädchen oder gar die Lehrerin mehr wissen wollen, dann zucken die Kinder mit den Schultern. Es sind nur ganz wenige in Sassenhausen, die bisher direkten Kontakt mit dem zunächst Unbekannten hatten bzw. haben. Nämlich eine Bürgerin und ein Bürger, die beide unabhängig von einander Verhandlungen über den Verkauf ihrer Immobilie führen. Das ist Fakt. Vieles allerdings bleibt dieser Tage im grauen Sassenhäuser Nebel blass.
In der Schweiz gemeldet
Wie die Recherchen unserer Lokalredaktion ergaben, handelt es sich bei dem angeblichen Investor um einen 60 Jahre alten Diplom-Kaufmann, der zuletzt in der Schweiz gemeldet war und im Rheinland lebt. Seinen eigenen Angaben zufolge ist er als Finanzmakler auf internationalen Märkten in London, Luxemburg und Düsseldorf aktiv. Auch sei er, so soll der seriös auftretende Herr bei einem seiner Besuche im Dorf selbst erzählt haben, Besitzer von Autos im Wert von 800 000 Euro. Darüberhinaus würden zwölf Angestellte vornehmlich dafür sorgen, dass seine Tätigkeiten nicht an die Öffentlichkeit gelangen könnten.
Zumindest was das Internet betrifft, haben diese Mitarbeiter ihren Job gut gemacht. Doch seit wenigen Tagen ist der Mann auch im weltweiten Netz kein Unbekannter mehr. Unter dem Namen „Gut Sassenhausen“, wofür sich gerade eine GmbH in Gründung befindet, sucht der Mann über diverse Stellenangebote mehrere Mitarbeiter für das Gut.
In der Ausschreibung heißt es: „Für die Betreuung unserer landwirtschaftlichen Betriebe suchen wir in Vollzeit eine/n...“ (und dann) „Hauswirtschafter/in für die Betreuung eines Privathaushalts mit 2 Personen und einem Hund. Aufgaben: Sie bereiten Mahlzeiten zu und servieren diese, kaufen ein, reinigen Textilien und halten Räume sauber.“ Und zwar an einer Adresse in Sassenhausen, für die der Kaufvertrag noch nicht unterzeichnet ist. Bei dem Makler, der die Immobilie anbietet, gilt das Haus laut Aushang als „reserviert“.
Des Weiteren werden Stellen angeboten als „Helfer/in Landwirtschaft, Handwerker/in, Buchhalter/in und Berufskraftfahrer/in“ – letzterer mit der Aufgabe „Viehtransport“. Gespräche hat der neue Arbeitgeber mit einer Reihe von Bewerbern bereits am vergangenen Freitag in Sassenhausen geführt.
Das alles passt zu Gerüchten, die der Kaufmann in Sassenhausen hinterlassen hat, nämlich: Er werde ein Gestüt, Rasse Friesenpferd, aufbauen und suche dafür insgesamt 200 bis 250 Hektar Grünfläche. Mehr noch: Innerhalb der Golferszene in Sassenhausen soll er den Bau eines Golf-Hotels angekündigt haben.
Unsere Zeitung hat den 60-Jährigen mit diesen Aussagen konfrontiert, um über neue touristische Attraktionen im prosperierenden Sassenhausen zu berichten. Doch der vorgebliche Investor will keine Stellungnahme abgeben. „Es gibt nichts zu berichten“, ließ er im Gespräch mit unserer Redaktion wissen. Er habe „ein Objekt in Sassenhausen erworben und das wird auch bezahlt. Es gibt Leute, denen das missfällt. Aber ich bin den Leuten keine Rechenschaft schuldig.“ Und: „Über ungelegte Eier reden wir nicht!“
Erprobte Masche
Also ist alles nur Sassenhäuser Dorfplausch? Wohl nicht; denn die Masche, mit der der 60-Jährige hier offenkundig auftritt, wurde offensichtlich bereits erprobt. Im Dezember 2010 hatte er in für die in Gründung befindlichen „Gut Hahnerhof GmbH“ bei einem Maschinenhändler in Grevenbroich Mähgeräte und Ersatzteile bestellt, aber nicht bezahlt. In einem Zivilverfahren wurde er im vergangenen Jahr zur Zahlung von 41 000 Euro verurteilt. Im Zusammenhang mehrerer Ermittlungsverfahren sei der 60-Jährige – zumindest im Bezirk des zuständigen Landgerichts in Mönchengladbach – „nicht unbekannt“, sagte Richterin Christina Schreiner als Pressesprecherin der Behörde. Ermittelt worden sei unter anderem wegen Urkundenfälschung und Betruges. Unter dem Aktenzeichen 110 JS 7080/13 ist erst am 26. Juni 2014 ein Strafbefehl in einem Betrugsverfahren rechtskräftig geworden, teilte der Leitende Oberstaatsanwalt Lothar Gathen (Mönchengladbach) auf Anfrage mit. Aber die Recherche der Wittgensteiner Heimatzeitung ergab noch mehr. Der Düsseldorfer Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück bestätigt: Wegen „Betruges und Beitragsvorenthaltung“ hat der Mann eine Strafe verbüßt und saß bis August 2013 für ein Jahr in der JVA Moers.
Drei insolvente Firmen
Der Besitzer eines 15 Hektar großen Anwesens erinnert sich „ungern an den Herrn“, wie er sagt. „Der hat hier ganz dick aufgetragen, wollte acht Millionen für mein Anwesen geben; aber der hat nur geredet. Als ich ihm sagte, er solle den Kaufpreis bei einem Notar hinterlegen, war er verschwunden.“
Mehrere Mitarbeiter seiner drei, inzwischen insolventen Unternehmen (namentlich der Redaktion bekannt), haben ihn gemeinschaftlich angezeigt, nachdem sie keinen Lohn mehr bekommen hatten.
Nie wieder gemeldet
Über die Beziehung zu einer Frau ist der Mann vor wenigen Wochen nach Wittgenstein gekommen. Einen festen Wohnsitz hätte der 60-Jährige fast im Raum Bad Laasphe gehabt. Dort hat er sich für einen historischen Herrensitz interessiert, der mit 22 Zimmern und 12 000 Quadratmeter Umland für knapp 700 000 Euro angeboten wird. Auch dort soll er dem Vernehmen nach von seinen Pferdezucht-Plänen gesprochen, sich an der Lahn aber nie wieder gemeldet haben.
Besorgte Sassenhäuser Bürger denken darüber nach, die Polizei einzuschalten, weil sie sich Sorgen machen, dass der Mann Mitbürgern und der Dorfstruktur Schaden zufügen könnte.