Rüthen/Belecke. Vom Umsatz her dominieren die Discounter den Lebensmitteleinzelhandel. Aber es ist weit mehr als eine Nische, in der die etablierten Lebensmittelgeschäft ihr Geschäft machen. Sie punkten mehr durch Qualität, Beratung und Auswahl denn über den Preis. Obwohl das nicht so ganz stimmt.
Die Discounter dominieren den Lebensmittelmarkt, Aldi, Lidl, Netto & Co vereinen seit Jahren in Deutschland rund 44 Prozent des Umsatzes auf sich. Geht den etablierten, inhabergeführten Geschäften die Puste aus? „Nein“, glaubt Carsten Buschkühle (42), Chef von derzeit sieben Edeka-Märkten, darunter auch in Rüthen und Belecke. Service, Qualität und Sortiment sind die Punkte, mit denen man den Billigheimern Paroli bieten will.
Jürgen Seyer (49), Leiter der Rüthener Filiale, sprudelt es geradezu heraus, wenn er aufzuzählen beginnt, was „sein“ Geschäft auszeichnet. Da ist zum einen die Fleischerei Schäfermeier – mit eigener Schlachtung und Tieren aus der Region. „Da weiß man, was man hat“, ist ein Werbe-Claim, der heute erst recht – und nicht nur bei Waschmittel - gilt. Da wird man von Fachpersonal beraten, dort gibt es auch die Wurst- oder Fischplatte nach Wunsch der Kunden. Beim Bäcker im Eingangsbereich, Hoberg, ist es nicht anders. Und auch Lotto, Post und Zeitschriften-Bereich gehören für ihn „selbstverständlich“ dazu.
Auch sonst wird Service groß geschrieben, sei es ein Präsentkorb mit einer ganz besonderen Mischung oder der Wunsch, nach dem Einkauf ein Taxi gerufen zu bekommen. Und selbstverständlich kann man sich seine Waren auch ganz einfach nach Hause liefern lassen – ein Service, den (vorwiegend) Senioren beim Discounter wohl vergeblich suchen. Seyer: „Für mich ist wichtig, dass der Kunde zufrieden ist, das findet, was er möchte – und wiederkommt.“
Apropos suchen: Wer den günstigen Preis sucht, wird bei Lidl und Co. wohl fündig – die Supermärkte (und das gilt für Rewe und andere Händler genauso) haben aber längst nachgezogen. Der Unterschied ist die Angebotsbreite und -tiefe: Jürgen Seyer: „Im Discounter hat man vielleicht 1000 Artikel. Wir haben 20 000“. Und das nicht selten optisch besonders ansprechend aufgebaut und passend gruppiert (etwa in der Spargelzeit mit Sauce und Spargelschäler neben den Stangen).
„Einkaufen erleben“
Der Kunde will nicht nur seine Ware finden, er will „einkaufen erleben“, wie Buschkühle passenderweise auch gleich seine Homepage genannt hat. Und zwar nicht nur dann, wenn er mit dem Einkaufswagen durch die Gänge fährt und nach Nudeln und Suppengrün sucht. „Wir haben damit angefangen“, verweist Seyer auf die Schlemmerabende von Edeka Buschkühle, die es einmal jährlich in allen Märkten gibt. Dann werden Tische zwischen den Regalreihen aufgebaut, dann wird aufgetischt, was das Herz begehrt und Edeka liefern kann. Zubereitet von eigenen Mitarbeitern, die man tags darauf auch noch nach dem Rezept fragen kann. Was offenbar fast so häufig vorkommt wie die Bitte, doch zu sagen, wo man die eine oder andere Zutat im Laden finden kann.
Keine Frage, das ist auch eine Werbeveranstaltung für den Edeka-Markt, schließlich gibt es aus allen Abteilungen Leckereien – bis hin zur Biertheke und dem obligatorischen Absacker. Das alles in der Regel passend zu einem Themenmotto. „Da gab es schon Afrika, Asien, Europa, Spanien, Italien,...“ zählt der Filialleiter auf. Ob deswegen auch die Ecke mit Russland-Produkten eröffnet wurde?
Doch warum in der Ferne schweifen, wo schon sprichwörtlich das Gute so nahe liegt? Wenn möglich, werden regionale oder gar lokale Produkte ins Sortiment genommen. Da gibt es die „Meister Goldeinudeln“ sowie „Wormstalls“ Schnaps (auch wenn der längst nicht mehr aus Rüthen kommt), Honig aus Kallenhardt, Ziegenkäse aus Meiste, Pizza und Pralinen aus Lippstadt. Dass Erdbeeren und Spargel aus der Senne den Weg nach Rüthen oder Belecke finden, erscheint da schon selbstverständlich. Viel frischer geht nur am Busch oder auf dem Feld. Seyer: „Das stärkt die eigenen Bauern. Da wird Wert gelegt auf Qualität, da gibt es keine Massenproduktion.“ Oder anders ausgedrückt: „Wir wollen die Region stärken. Und die Kunden genießen das.“ Nicht verhehlt werden soll freilich, dass die Produkte nicht selten teurer sind als die von „Großanbietern“. Aber das zahlen die Kunden offenbar gerne, wie jüngst noch eine bundesweite Studie ergeben hat.
Vor allem dann, wenn es die passende Beratung dazu gibt. Auch das ist ein großer Unterschied zwischen Discount und Supermarkt. Wenn man bei ersteren überhaupt mal jemand findet, der einen beraten könnte. Umgerechnet 35 Vollzeitkräfte sind bei Buschkühle allein in Rüthen beschäftigt – auch ein wichtiger Aspekt: Der Supermarkt, seit zehn Jahren in der Bergstadt, schaffte auf seinen 1200 Quadratmetern Arbeitsplätze.
Mitbewerber nebenan
Wer schauen will, wie es Aldi hält, braucht in Rüthen nicht einmal den Parkplatz verlassen, denn die Albrecht-Brüder haben ihr Reich gleich nebenan. Daher fordert Carsten Buschkühle von seinem Team „Bestleistung“, sieht den direkten Mitbewerber jedoch sportlich – in der Hoffnung, dass der, der bei Aldi gekauft hat, auch noch nach Edeka kommt, und dort sieht, dass die Standardprodukte auch nicht teurer sind. Oder erst zu ihm kommt und dann gar nicht mehr nach nebenan muss.
Buschkühle setzt darauf, dass „der Supermarkt als tägliches Einkaufsziel erhalte bleibt“, der zugleich Kommunikationszentrum ist, Einkaufsatmosphäre bietet – und das Grundsortiment zu Discountpreisen anbieten kann. Besonderen Wert legt der Inhaber dabei auf „starke Frischeabteilungen“, dass es Bedienungstheken gibt trotz des Kostendrucks. „Qualität kostet nun einmal Geld“, weiß der 42-Jährige.
Zu geringe Wertschätzung
Und da kommt dann das Problem zur Sprache, über das auch die Erzeuger klagen: „Lebensmittel werden in Deutschland viel zu wenig wertgeschätzt“. Mit der Folge, dass der Kostendruck auf die Hersteller enorm ist. Bauern wissen davon ein Lied zu singen. Buschkühle: „Da haben wir eine totale Schieflage“. Die offenbar sogar schon bei den Discountern erkannt worden ist. Denn es ist wohl einmalig, dass Lidl auf die Reduzierung der Fleisch-Preise bei Aldi in einer Stellungnahme erklärte, dass dies doch nicht richtig sein könne. Bei den Preisen gleichgezogen ist man dann aber trotzdem.
Buschkühle nimmt die Verbraucher als Kunden mit ins Boot: „Der Kunde kann mitbestimmen, ob er alles billig haben will – oder eine hochwertige Produktvielfalt.“