Warstein. . Am Mittwoch ist die Legionellen-Epidemie in Warstein erneut Thema im Umweltausschuss des Landtages. Neben der aktuellen Situation geht es dabei auch um die Ursachenforschung. Für Fachleute steht fest: Große Brauerein müssen künftig frühzeitig handeln.
Die Ereignisse in Warstein im vergangenen Sommer beschäftigen heute erneut den Umweltausschuss im NRW-Landtag. Neben dem Blick auf die aktuellen Situation geht es dabei nach wie vor um die Ursachenforschung. Auf die blickt auch die bundesweite Fachwelt mit großem Interesse.
Dr. Gero Beckmann ist Fachtierarzt für Mikrobiologie und Gegenprobensachverständiger. Als Leiter der Abteilung Hygiene und Beratung am Institut Romeis in Bad Kissingen kennt er sich aus mit der Legionellen-Problematik. Er vermisst in industriellen Kreisen eine verstärkte Sensibilität für diese Problematik. Denn Warstein zeige, wieso gerade die Großbrauereien das Thema auf der Agenda haben sollten.
Legionellen und Brauerei-Kläranlagen - diese Verbindung kam durch die Warsteiner Ereignisse erstmals zustande. Dabei sind die Bedingungen, die Legionellen in den Brauerei-Abwässern vorfinden, für sie ideal. Wieso?
Legionellen haben besondere Nährstoffansprüche, sie brauchen unter anderem die Aminosäure Cystein. Diese kommt in Brauerei-Abwässern vor. Legionellen werden wegen dieser besonderen Nährstoffansprüche im mikrobiologischen Labor nur auf Spezialmedien abgezüchtet. Diese Medien enthalten als einen Wuchsstoff auch Hefeextrakt, genau das ist das Stöffchen, aus dem die Träume sind und der das Cystein enthält. Hefeextrakt kommt natürlich in Brauerei-Abwässern vor.
Also sind Brauerei-Abwässer für Legionellen attraktiv?
Im Grunde bildet das, was die Brauereien an Abwässern abgeben, einen idealen Nährboden für Legionellen. Das heißt aber nicht, dass in allen Brauerei-Abwässern zwangsläufig Legionellen sein müssen. Wir haben viele Wasser-Proben von mittelständischen Brauereien erhalten und dort keinerlei Legionellen anzüchten können. Das ist von verschiedenen Faktoren abhängig.
Welche Faktoren sind das?
Zunächst einmal kommt es darauf an, ob eine Brauerei ein eigenes Vorklärbecken hat oder ihre Abwässer direkt in die kommunale Kläranlage einspeist. Dann spielt die Lage der Brauerei und ihrer Klärbecken eine Rolle. Ganz entscheidend ist auch die Größe der Brauerei, ihre Ausstoßmenge. Je größer der gesamte Prozess ist, der in der Brauerei abläuft, umso mehr Abwässer kommen zusammen, die in ihrer schieren Summe schon viel Platz für Bakterien aller Art bieten - auch Legionellen. Ein weiterer Faktor ist die Außentemperatur um das Becken: Ist diese hoch, beschleunigen sich mikrobiologische Prozesse - wie der Wachstum von Bakterien.
Also ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass solche hohen Legionellen-Belastungen ausgerechnet in einer Brauerei-Kläranlage auftauchen?
Die Konstellation wie in Warstein ist möglicherweise besonders: Es ist eine große Anlage, die Brauerei hat eigene Vorklärbecken und die Wetterbedingungen waren durch die spezielle geografische Lage dementsprechend. Hefeextrakthaltiges Brauereiabwasser ist immer eine Vitaminspritze für Legionellen. Voraussetzung ist, dass die Legionellen überhaupt erst einmal in die Kläranlagen gelangen. Dieser „Bioreaktor“, den sie dort vorfinden, sorgt für die hohe Anzahl der Legionellen, nicht für die ursächliche Kontamination. Der Ursprung muss extern sein. Das ist es ja, was auch in Warstein noch nicht geklärt ist: Wo kamen die Legionellen her? Ich persönlich denke, dass eine echte „Beweisführung“ da schwer werden wird.
Wenn die Legionellen definitiv nur von Außen in die Klärbecken der Brauereien gelangen können, dann stellt sich die Frage: Wie kann das gehen?
Wichtig ist auf jeden Fall festzustellen, dass Legionellen bei der Bierherstellung und damit auch im Bier aufgrund des Brauprozesses sicher auszuschließen sind. Viele Brauereien setzen zusätzliche Pasteurisationsmaßnahmen ein. Diese erhöhen unstrittig die zusätzliche mikrobiologische Sicherheit. Ein Beispiel: Eine rein theoretische Legionellenbelastung wäre durch eine 15-minütige Heißhaltezeit bei 63 Grad Celsius mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit inaktiviert. Eine Kontamination im Außenbereich wäre beispielsweise durch überfliegende Vögel oder einsicherndes Oberflächenwasser denkbar.
Was können Brauereien denn konkret tun, um eine Kontamination zu vermeiden?
Brauereien könnten ihre Vorklärbecken dauerhaft abdecken oder Vogelvergrämungsanlagen einrichten, um eine Kontamination von außen auszuschließen. Zuvor sollte man allerdings die genaue Ursachenanalyse abwarten.
Die Ursache in Warstein ist noch immer nicht gefunden. Auch Sie sagen, dass es vermutlich sehr schwierig werden wird, die eigentliche Quelle noch nachzuweisen. Trotzdem lassen sich ja Schlüsse ziehen, aus dem, was passiert ist. Was erwarten Sie als Experte jetzt?
Die Brauereien sollten reagieren und das Risiko nach den betrieblichen Gegebenheiten abwägen. Ein großer Druck ist meiner Meinung nach allerdings noch nicht vorhanden. So etwas wie in Warstein passiert ja wirklich nicht alle Tage, daher sollte es jetzt auch Konsequenzen haben: Welche Prozesse laufen in den Klärbecken ab? Wie kann man diese besser regulieren? Aber es sollte auch Konsequenzen für alle Betreiber von Rückkühlwerken bestimmter Bauart haben, das zeigte ja schon der Fall 2010 in Neu-Ulm mit mindestens fünf Todesfällen und 65 Schwererkrankten. Daher fordern die Experten seit Jahren eine konsequente Wartung und Überwachung derartiger technischer Anlagen.