Rüthen. Das politische Farbspektrum in Rüthen ist auch dank der FDP bunter geworden. Die Freidemokraten stellen mit Bernd Lehmann auch einen Bürgermeister-Kandidaten. Im WP-Interview bezieht er Stellung.
Frage: Einen FDP-Mann muss man das einfach fragen: Mit welcher Zahl haben Sie denn Ihre Absätze verziert?
Bernd Lehmann: Schuhgröße 42. Mit anderen Prognosen halte ich mich da zurück.
Frage: Wie viel Prozent sollen es denn sein? Für Sie und für die FDP.
Lehmann: Für die FDP wären alle Werte im zweistelligen Bereich erfreulich, bis 15 Prozent ein großer Erfolg, über 15 Prozent natürlich super.
Für mich persönlich ist die Frage bei der Bürgermeisterwahl, wie die Leute Partei und Person auseinanderhalten. Dabei ist die Bürgermeisterwahl eigentlich eine Personenwahl.
Frage: Die FDP tritt erstmals in Rüthen an. Gibt es auch nur deshalb den Kandidaten Lehmann? Letztlich nehmen sich die drei übrigen Kandidaten doch nur die Stimmen gegenseitig weg, die nötig wären, um einen CDU-Bürgermeister zu verhindern.
Lehmann: Die Diskussion gab es im Frühjahr 2008, aber die Gespräche waren für uns nicht zufriedenstellend. Es wurde erst spät mit offenen Karten gespielt. Und da haben wir uns von der FDP gesagt: Wir sind neu, wir wollen uns nicht vorab koalieren mit einer Partei.
Uns war es wichtig, im Wahlkampf auch in der Bürgermeisterfrage mit aufzutauchen. Ich wurde nach der Gründung der FDP immer wieder angesprochen, ob ich denn jetzt auch Bürgermeister werden möchte. Das kann ich eindeutig bejahen, damit ich meine engagierte und couragierte Arbeit für Rüthen zu meinem Beruf machen kann.
Frage: Sie sind Neuling im Politgeschäft, trauen die Bürger Ihnen den Job überhaupt zu? Und Sie sich?
Lehmann: Den Job traue ich mir auf jeden Fall zu. Ich habe einen Vorteil: Ich kann nicht nur erzählen, was ich in Rüthen machen würde, sondern ich kann auf Referenzen verweisen — wie die RüFa und die Arbeit im Forum für Stadtentwicklung. Ich habe die Entwicklung Rüthens schon immer zu meinem Hobby gemacht und dabei auch eng mit der Politik zu tun gehabt. Das war bisher Engagement im Ehrenamt — warum sollte ich das nicht auch berufsmäßig machen?
Außerdem fehlt mir die „unternehmerische Verwaltung”. Wie ein Unternehmer muss ich auch als Bürgermeister akquirieren — bei anderen Firmen, bei der Bezirksregierung und dem Land. Und nicht zuletzt bei meinen Kunden, den Bürgern und den Firmen. Das ist der unternehmerische Aspekt. Und es ist mir wichtig, dass die Stadt für den Bürger da sein muss — und nicht nur der Bürger für die Stadt.
Frage: In ihrem Wahlkampf widmet sich die FDP sehr stark wirtschaftlichen Aspekten. Wurde der Bereich von der allein bestimmenden CDU bislang zu wenig beachtet oder geht es Ihnen darum, andere Schwerpunkte zu setzen?
Lehmann: Stadtentwicklung und Wirtschaftspolitik sind meine Schwerpunkte. Ich habe den „Masterplan 2015” entwickelt — mit Perspektiven für Rüthen. Bislang werden meist 20 Punkte diskutiert, aber keiner nachhaltig umgesetzt — da wurde in Rüthen zuletzt einfach zu wenig gemacht. Die Projektzeit von sechs Jahren für den Masterplan ist überschaubar; in drei Schritten: auf die Analyse folgt die Strategiephase und die Umsetzungsphase; Bürger und Unternehmer werden aktiv mit einbezogen.
Außerdem haben wir Probleme mit der Bevölkerungsentwicklung; Stichworte sind Demografie und Arbeitsplatzangebot in den Nachbargemeinden: Die Leute ziehen nicht nach Hamburg oder München, sondern in die Nachbargemeinden, wo es Arbeitsplätze gibt. Wir haben da große Konkurrenz in Warstein und Büren. Darum ist Wirtschaftspolitik wichtig — aber nicht, indem man versucht, ein Gewerbegebiet durch eine neue Straße aufzupeppen. Man muss nachhaltig und strategisch vorgehen, das muss zunächst auf dem Gewerbegebiet Lindental fußen, neue Gewerbegebiete sind da sehr weit in der Zukunft.
Unser Bestreben ist es, sich auf den Rohstoff Holz zu besinnen. Es gilt, da entsprechende Gremien zu schaffen, um das Potenzial zu nutzen. Da brauchen wir keine Experten von außerhalb, da haben wir viele heimische Firmen. Und die Überlegungen gehen über das reine Holz hinaus, denn da hängt auch Zellstoff und regenerative Energie mit dran: Holz hat eine vielfältige Verwendungsmöglichkeit.
Frage: Gibt es ein Lieblingsthema von Bürgermeister Lehmann?
Lehmann: Ja. Die Stadt als mittelständisches Unternehmen. Für Firmen von außerhalb muss die Stadt den Standort interessant machen, etwa durch die Grundstückspreise oder steuerliche Anreize. Es muss dann heißen: Wie kann ich Ihnen helfen — und nicht, was bringen Sie mit? Und ich muss schauen, dass ich aktiv werde, und etwa auf Messen Investoren anspreche. Kurz: Es dreht sich alles um die Wirtschaftspolitik, auch die Themen, Schule, Familienfreundlichkeit und Stadtentwicklung hängen da letztlich mit dran und damit letztlich die Bevölkerungsentwicklung.
Frage: Sie sind einer der Rüthener, die das Projekt „Haus Buuck” wesentlich vorangetrieben haben. Wird es Ihrer Meinung nach in der kommenden Legislaturperiode — egal wer Bürgermeister wird — einfacher, das Projekt zum Abschluss zu bringen?
Lehmann: Das Projekt ist bereits kurz vor dem Abschluss. Wir habe da in der kurzen Zeit viel erreicht. Es war bisweilen schwer, weil Haus Buuck zum Politikum gemacht wurde und weil das Verständnis, was das Haus für Rüthen bringt, nur langsam gewachsen ist. Dabei hat das Haus eine Schlüsselfunktion für die Stadtentwicklung. Aber ich habe Verständnis dafür, dass dies nur langsam erkannt worden ist.
Der Bürgermeister ist bei der Umsetzung des Sanierungsgebietes Hachtorstraße gefragt — und die touristische Umsetzung der Ideen für Rüthen. Das muss schnellstmöglich geschehen. So frage ich mich da: Wo bleibt zum Beispiel eigentlich die längst beschlossene Stadtmauer-Beleuchtung?
Frage: Sie proklamieren „strenge Finanzdisziplin mit den Vorrangsstufen: notwendig, nützlich, wünschenswert” — was fällt demnach Ihrer Meinung nach aus diesem Raster?
Lehmann: Aus dem Raster fällt vor allem die Nordtangente, weil sie wirtschaftlich völlig uninteressant ist. Das haben auch Gespräche mit den Firmen im Lindental gezeigt. Auch die Abläufe in der Verwaltung könnten effizienter sein, da sehe ich aus unternehmerischer Sicht Einsparpotenzial.
Andererseits sehe ich den Investitionsstau ins öffentlichen Gebäuden, trotz des Konjunkturpakets. Das gilt gerade für viele Gebäude in den Ortschaften, weil dort immer wieder nur kleckerweise repariert wurde. Es bleibt natürlich die Frage: Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise aus? Und für uns bedeutet das: Wie werden wir langfristig mehr Geld ins Stadtsäckel bekommen? Wirtschaftlicheres Arbeiten geht natürlich auch durch interkommunale Zusammenarbeit. Da sehe ich noch viel Potenzial.
Frage: Welche Gefahren erkennen Sie für die Stadt?
Lehmann: Schließungen im Einzelhandel, der Gastronomie oder dass der Bankautomat in Kallenhardt weg ist — das sind schleichende Prozesse. Es darf nicht passieren, dass wir auch hier in der Stadt immer mehr zu dörflichen Strukturen kommen. Es besteht sonst die Gefahr der Verdörflichung auch in der Innenstadt. In der Summe wäre die Auswirkung sehr groß. Mich schockiert da manchmal das geringer werdende Zufriedenheits-Niveau der Rüthener. Das Beibehalten der vorhandenen Strukturen ist jedoch Stadtentwicklung, man muss das Umfeld erhalten und ausbauen. Wie sagte schon Jean Anouilh: „Die Dinge sind nicht wie sie sind, sondern das, was man aus ihnen macht!”
Frage: Wenn es für den Chefsessel nicht reicht, werden Sie weiter von Ihrem Büro aus den Hintereingang des Rathauses nutzen. Für wie groß halten Sie die Chance der FDP, trotzdem das politische Geschehen in Rüthen mitzuprägen und zu gestalten?
Lehmann: Rüthens Zukunft ist davon abhängig, wie sich die Sitzverteilung im Rat ergibt. Absolute Mehrheiten machen müde, es gibt eine bessere Politik durch eine breit gefächerte Partei-Struktur. Ich hoffe da auf eine sehr demokratischen Stadtrat, über die Zahl der FDP-Sitze entscheidet aber der Wähler. Werde ich nicht Bürgermeister, werde ich den Hintereingang des Rathauses gegenüber meinem Büro noch öfter nutzen, ob als Ratsmitglied, Fraktionsvorsitzender oder auch als engagierter Bürger.
Ich werde auf jeden Fall weiter für meinen Heimatort kämpfen.