Allagen. .

Das Thema ist sensibel. Hochsensibel sogar. Und gerade deshalb bezieht die Landrätin klar und deutlich Stellung. „Ich werde nicht müde werden, mich für dieses Thema einzusetzen“, betonte Eva Irrgang gestern bei ihrer traditionellen Sommerpressekonferenz. Mit „dieses Thema“ meint sie die anhaltende Diskussion um die Freilassung von ehemals sicherheitsverwahrten Häftlingen.

Bekanntermaßen gibt es auch in Allagen mit dem privat von der Familie Bömmel geführten „Haus Bockholt“ eine Einrichtung, die immer wieder ehemalige Häftlinge vorzugsweise aus der Justizvollzugsanstalt Werl aufnimmt und versucht, ihnen eine Perspektive nach der Haft aufzuzeigen. Dabei spielt der christliche Glaube eine wesentliche und tragende Rolle. Familie Bömmel führt in Werl eine zweite Einrichtung dieser Art.

Gut möglich, dass in naher Zukunft im Haus Bockholt noch mehr ehemalige Sicherungsverwahrte - also Schwerkriminelle - um Aufnahme bitten. Denn in der Justizvollzugsanstalt Werl sollen künftig alle Sicherungsverwahrte des Landes NRW untergebracht werden. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten im Fall einer Entlassung in der Nähe, also im Kreis Soest und damit eben auch in Allagen bleiben.

Und genau das sorgt die Landrätin, weshalb sie in engem Austausch mit NRW-Justizminister Thomas Kutschaty getreten ist: „Mit der Justizvollzugsanstalt in Werl, den LWL-Kliniken Eickelborn und Warstein und möglicherweise der Zentralen Unterbringungseinheit für Asylbegehrende in Wickede trägt der Kreis Soest jetzt schon eine hohe gesellschaftliche Last in NRW“, betont sie.

Irrgang fordert daher eine konzeptionelle Vorbereitung für die Entlassung von Sicherheitsverwahrten: „Insbesondere muss ein ausreichendes Angebot an Einrichtungen - forensische Ambulanzen, betreutes Wohnen und ähnliches - gewährleistet sein.“

Und so etwas gehöre in professionelle Hände. „Ein Dach über dem Kopf bei der Familie Brömmel reicht also nicht“, formulierte die Landrätin, die betonte, dass sie in dieser Frage auch im engen Austausch mit Bürgermeister Manfred Gödde stehe: „Der Bürgermeister aus Warstein ist da ganz an meiner Seite.“

Es sei verständlich und menschlich, dass Bürger, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu so einer Einrichtung leben, Ängste und Sorgen haben. Irrgang: „Die können wir ihnen auch nicht komplett nehmen.“ Polizeiliche Observationen, wie noch vor einem Jahr etwa angeordnet, seien nicht mehr zulässig, „obwohl es keine Sicherheit gibt, dass ein ehemaliger Sicherheitsverwahrter nicht rückfällig wird.“

Auch Allagens Ortsvorsteher Peter Linnemann betrachtet die aktuelle Diskussion und Entwicklung mit einer gewissen Skepsis: „Zwar ist in den letzten Jahren nicht passiert. Aber in gewisser Weise sitzen wir in Allagen alle auf einem scharfen Messer.“

Nach seiner Kenntnis leben zur Zeit zwei Männer, die aus einer JVA kommen, im Haus Bockholt. „Das waren aber auch schon einmal mehr.“ In den nunmehr dreizehn Jahren, in denen Karl und Elisabeth Brömmel im Haus Bockholt aktiv sind, sei vergleichsweise wenig vorgekommen. Der letzte Fall, als ein Mann wiederholt Kinder angesprochen habe, liege nun auch schon wieder zwei Jahre zurück. Damals war die Aufregung in Allagen groß.

Polizeidirektor Manfred Dinter hatte in einer Versammlung im Sportlerheim des TuS Allagen seinerzeit darauf hingewiesen, dass die ehemaligen Straftäter - darunter auch Sexualstraftäter - allesamt ihre Haftstraßen verbüßt hätten. Es sei Aufgabe der Gesellschaft, so Dinter, Menschen, die ihre Straftat verbüßt hätten, wieder in die Gesellschaft zu integrieren.

Das sieht auch Peter Linnemann grundsätzlich so: „Zunächst einmal sind das freie Leute, die ein Anrecht darauf haben, als freie Menschen behandelt zu werden.“ Dass das Haus Bockholt eine schwierige Einrichtung und für Allagen schon so etwas wie ein Härtefall sei, stünde dem nicht entgegen. Linnemann: „Natürlich ist man darüber nicht glücklich. Aber andererseits muss unsere Gesellschaft so etwas aushalten können. Entscheidend ist doch immer, dass nichts passiert. Ich will mir gar nicht erst ausmalen, wenn einmal etwas passiert.“