Belecke. . 20 Menschenleben forderte die Explosion bei den Siepmann-Werken; am 9. März jährt sich die wohl größte Katastrophe, die Belecke erlebt hat, zum 50. Mal.

Um 9.19 Uhr ertönen die Sirenen im Ortsteil Belecke, am Mahnmal auf dem Firmengelände wird ein Kranz niedergelegt. Zudem werden zehn Minuten lang die Totenglocken der St.-Pankratius- und Heilig-Kreuz-Kirche im Gedanken an die Todesopfer läuten. „Wir wollen denjenigen, die sich erinnern, signalisieren, dass wir angemessen damit umgehen, und diejenigen informieren, die zu der Zeit noch nicht geboren waren“, erklärte Walter Siepmann, der mit Stadthistoriker Dietmar Lange in einem Pressegespräch über die Ereignisse berichtete.

Als Zeitzeuge geladen war Dr. Hans-Jürgen Vogt. Der heute 84-Jährige, damals technischer Betriebsleiter der Schmiede, erinnerte sich an seine Eindrücke damals: „Das Gelände sah aus wie nach einem Bombenangriff,“ für ihn vertraute Bilder, denn er hatte den Luftkrieg in Bielefeld erlebt. An dem Morgen bei seiner Mutter in Göttingen, hatte Vogt telefonisch von dem Unglück erfahren und war mit hoher Geschwindigkeit zurück nach Belecke gerast.

„Es war für uns alle ein fürchterlicher Schock.“ Auch Walter Siepmann, damals Student, weilte nicht in der Heimat, und erlebte bei seiner Rückkehr die „unbeschreibliche Fassungslosigkeit.“ Zur Stunde der Katastrophe, die die kleine Stadt Belecke nachhaltig erschütterte, hielt sich sein Vater, Walter Siepmann sen., im Konstruktionsbüro auf und sah aus unmittelbarer Nähe, wie sich nach der Explosion im Kompressorenraum durch die Druckwelle das Dach des Schmiedewerks hob und kurz danach eine zehn, fünfzehn Meter hohe Feuersäule aufstieg.

Für alle war völlig rätselhaft, wie es zu der Explosion kommen konnte. Am darauffolgenden Montag kam ein Sachverständiger vom TÜV Essen und entnahm Ölkohle. Wie später festgestellt wurde, hatte sich hinter den Kompressoren diese Ölkohle abgesetzt und offensichtlich durch den permanenten Luftstrom zu glimmen begonnen; zusammen mit heißer Druckluft und dem Öl entstand ein explosives Gemisch.

Das Siepmann-Unglück führte dazu, dass in der Industrie bundesweit öl-geschmierte Kompressoren verboten wurden. Somit wurden auch in dem Belecker Werk eine völlig neue ölfreie Druckluftanlage für die Hämmer eingebaut und die Leitungen zudem an der Decke bzw. außerhalb der Halle verlegt. „Der erste Hammer in der Schmiede 3 lief nach vier Wochen wieder“, schilderte Vogt das tatkräftige Zupacken.

Zwei Faktoren führten dazu, dass sich das Unternehmen wieder erholte: „Die Branche war sehr hilfsbereit“, so Vogt, fast durchweg gab es eine hervorragende Zusammenarbeit und Fairness. „Im Betrieb selbst herrschte ein Grundvertrauen, das war einzigartig“ erinnert sich der 84-Jährige, dass es in seinen 24 Jahren als Chef fast keine Fluktuation in der Belegschaft gab. „Wenn eine Truppe sowas durchsteht, dann schweißt das zusammen.“

Für ihn als verantwortlichen Betriebsleiter endete eine „unheimlich präzises“ juristische Untersuchung erst im Mai 1964; das Ermittlungsverfahren gegen ihn als Hauptbeschuldigten wurde eingestellt. Danach hatte er nie den Drang, andere Angebote anzunehmen, noch heute wohnt er in Belecke, das ihm zur neuen Heimat wurde.