Kallenhardt. . Wie aus dem Bilderbuch war der 2. Silvestergang, den der Förderverein Heimatpflege organisiert hatte. Über 200 Gäste kamen, womit die Erwartungen von Rainer Geesmann und Dietmar Lange bei weitem übertroffen wurden. Grund für den großen Zuspruch dürfte das Ziel gewesen sein, das aus einem Märchenbuch sein könnte: Das zauberhafte, prächtige und vorbildlich restaurierte Schloss Körtlinghausen. Nicht alle Tage öffnen sich seine Türen für jedermann und so nutzten Teilnehmer weit über Kallenhardt hinaus die Chance vor dem Jahreswechsel in die (frühere) Welt des heimischen Landadels einzutauchen.
Im vergangenen Jahr hatten am 1. Silvestergang etwa 60 Teilnehmer das historische Zentrum Kallenhardts erkundet. „Mit 100 Gästen hatten wir dieses Mal gerechnet. Dies aber sprengt unsere Erwartungen“, so Dietmar Lange. In drei Gruppen, sachkundig begleitet von ihm, Rainer Geesmann und dem Schlossherrn Constantin Freiherr von Fürstenberg machten sich die Silvestergänger auf den Weg. Sie bekamen Einblicke in die Beletage des Schlosses mit dem Festsaal als Höhepunkt der Raumfolge und in die Schlosskapelle. Dort konnte Freiherr von Fürstenberg nur staunen: „Selbst zur Christmette ist die Kapelle nicht immer so voll.“
„Wir stehen hier in einem typischen Barockschloss aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts“, verwies Dietmar Lange auf die Symmetrie des H-förmigen Bauwerkes, das Ausdruck des gesteigerten Repräsentationsbedürfnisses des Adels seiner Zeit ist. Erbaut von der Familie von Weichs, nutzte sie Körtlinghausen als ihren privaten Wohnsitz, während die Dienstgeschäfte als kurkölnischer Oberforst- und Jägermeister weiter vom Jagdschloss in Hirschberg versehen wurden. Vom adligen Selbstverständnis jener Zeit zeugt das Deckengemälde im Festsaal, das die Familie in das Zentrum der göttlichen Vorsehung rückt. Heute, ergänzte Rainer Geesmann an anderer Stelle, ist es vordringliche Aufgabe des Adels, solche Besitztümer zu erhalten. Eine gewaltige Aufgabe: Alleine in Nordrhein-Westfalen gibt es 842 Schlösser und Burgen.
Ausdruck des Wandels waren auch die verschiedenen Nutzungen von Schloss Körtlinghausen. Bis 1945 wurde das Hauptgebäude durch die Familie von Fürstenberg bewohnt. Im selben Jahr wurde es durch das britische Militär besetzt. 1946 bis 54 war es an den Caritasverband im Erzbistum Paderborn vermietet. Zeitweilig beherbergte das Schloss aus Polen vertriebene Schwestern und weitere bis zu 200 Vertriebene und diente als Kinderheim. 1956 bis 94 war es an den Bundesverband für den Selbstschutz vermietet. „60.000 Menschen wurden in dieser Zeit im Selbstschutz geschult“, berichtete Geesmann.
Viele Kallenhardter, darunter auch Geesmann selbst, haben besonderen Beziehungen zu Schloss und Gut, sind dort aufgewachsen oder in die Lehre gegangen. „Körtlinghausen ist wie ein kleines Dorf für sich“, erinnerte der Vorsitzende des Fördervereins an Sägewerk, Schmiede, Tischlerei, Gärtnerei sowie Land- und Forstwirtschaft, die zum großen Teil noch existieren.
Bei Glühwein im früheren Pferdestall tauschten die Teilnehmer ihre frisch gewonnenen Eindrücke aus – und freuten sich schon auf den nächsten Silvestergang.