Warstein. .

Fünf Tage vegan leben? Kann ja nicht so schwer sein, war mein erster Gedanke, bevor ich mit diesem Selbstversuch anfing.

Erst als ich begann, mich genauer darüber zu informieren, was ein Veganer denn genau is(s)t, worauf er verzichtet, warum er das tut und was seine Motive sind, wurde mir klar: So einfach ist das doch nicht. Denn Veganer lehnen jede Ernährungsweise, die auf tierische Produkte aufbaut, ab: Sie verzichten nicht nur auf Fleisch und Fisch, sind also nicht nur gegen das Töten von Tieren, sondern entsagen auch jeglichen tierischen Produkten, das bedeutet: Keine Milch, keine Eier, kein Honig, kein Leder. Klingt auch erstmal nach nicht besonders vielen Dingen auf die man im täglichen Leben verzichten muss – ein Frühstück ohne Ei und das morgendliche Glas Milch ist schließlich noch lange kein Weltuntergang. Aber natürlich betrifft der Verzicht auch alle Nahrungsmittel, in denen die eben genannten Dinge enthalten sind. Wer sich nie näher mit dem Thema auseinandergesetzt hat, so wie ich vorher, wird überrascht sein, wie viele Produkte plötzlich vom Speiseplan verschwinden: Käse, Quark, Butter, Schokolade, Cornflakes, und, und, und. Für mich besonders schlimm: Nutella enthält auch Milch und ist für die fünf Tage für mich damit tabu. Ich? Morgens? Ohne Nutella? Es fiel mir schwer, mir das vorzustellen. Aber es war zu spät: Ich hatte zugesagt und musste das jetzt durchziehen.

Um zumindest ein bisschen Gewohnheit in mein Frühstück zu bringen, zog ich los, um die Supermärkte nach alternativem Müsli oder Brotaufstrichen zu durchsuchen. Die erste Ernüchterung folgte: Denn das Gefühl, in einem Supermarkt zu stehen und so gut wie keine Auswahlmöglichkeiten zu haben, war mir bis dahin fremd gewesen. Ein einziges Regal stand mir zur Verfügung. Die Brotaufstriche, die angeboten wurden, sahen nicht gerade verlockend aus, ebenso wenig ihre Namen: Paprika-Chili, Senf-Ruccola, Kräuterpastete… Und das zu einem Preis, der einem das vegane Leben auch nicht gerade schmackhaft macht. Gefreut hatte ich mich außerdem darauf, mal Fleischersatz zu probieren, aber: Er enthielt Milch.

Nach all den Rückschlägen hatte ich dann doch noch Erfolg und musste nicht mit gänzlich leeren Händen nach Hause gehen: Mit einem Bio-Früchtemüsli, Sojamilch und viel Obst machte ich mich auf den Heimweg.

Der nächste Tag begann mal wieder mit einer Überraschung, aber ausnahmsweise mit einer positiven: Das Müsli war wirklich lecker, genau wie die Sojamilch, die zwar ein bisschen anders schmeckt und auch eine andere Farbe hat als herkömmliche Kuhmilch, aber eine echte Alternative ist. Mein Mittagessen in der Schule bestand aus einer Banane und einem Apfel und abends aß ich ein Brot mit Zuckerrübensirup, der zu 100% aus besagten Feldfrüchten besteht. Ein riesiger Trost für mich: Auch die Kaugummis, ohne die bei mir gar nichts geht, enthalten keine tierischen Produkte, sodass ich mit ruhigem Gewissen den ganzen Tag über kauen konnte.

Nachdem ich nun von so vielen Dingen wusste, dass sie für Veganer ungeeignet sind, war es immer wieder schön, Dinge essen zu können, in denen ich tierische Produkte vermutet hatte, wie zum Beispiel die Brötchen aus der Bäckerei nebenan oder eben Graubrot.

Den ersten Tag hatte ich gut überstanden und ich lag abends nicht, wie ich befürchtet hatte, stundenlang wach, mit dem Gedanken an Steaks oder Schokolade.

Der erste vegane Kochversuch
Der erste vegane Kochversuch © WP

Den zweiten Tag wollte ich nutzen, um mich im Internet ein wenig nach veganen Rezepten umzusehen. Der Haken war nur, die Hälfte der Zutaten sagte mir gar nichts und viele Bezeichnungen hatte ich noch nie in meinem Leben gehört. Oder weiß jemand von euch, was „Schabzigerklee“ oder „Kurkuma“ ist? Schließlich wurde ich aber doch noch fündig: In einem Forum stieß ich auf ein Rezept für einen Auflauf, dessen Rezept nur ein Wort aufwies, das mir fremd war: Bulgur. Das ist eine Weizenart, die vor allem in der türkischen Küche verwendet wird. In einem Naturkostladen erstand ich ein Paket zum stolzen Preis von 2,60 Euro. Doch diese Preiskategorie war für mich nach dem Einkauf am vorherigen Tag nichts wirklich Überraschendes mehr. Abends wagte ich mich dann in der Küche an meinen ersten veganen Auflauf. Außer dem Bulgur bestand er aus zerstampften Kartoffeln, vielen Zwiebeln und Knoblauch und etlichen Gewürzen. Nach einer Stunde stand er auf dem Tisch. Was soll ich sagen? Der Auflauf hatte die Konsistenz von Brei und schmeckte nach gar nichts. Ich möchte allerdings nicht ausschließen, dass das mit meinen kaum vorhandenen Kochkünsten in Zusammenhang steht. Mein Kochexperiment war also ziemlich nach hinten losgegangen – ich blieb vorerst bei kreativen Brotkreationen: Brot mit Banane, Brot mit Tomaten und Öl und vielen anderen Obst- und Gemüsesorten. Viele davon waren überraschend lecker, trotzdem vermisste ich Käse oder Wurst. Vor allem natürlich eins: Nutella.

Am dritten Tag begann ich mit Nachforschungen über die Menschen, deren Lebensweise ich gerade versuchte zu erleben und zu ergründen: Was treibt Veganer an, wie viele gibt es von ihnen und was macht sie aus?

Ich fand heraus, dass ich fünf Tage lang eine von rund 600.000 Veganern in Deutschland war, wobei man allerdings ziemlich viele verschiedene Zahlen im Internet findet. Die meisten Quellen sprechen von der oben genannten Zahl, andere berichten von 80.000 oder sogar noch weniger vegan lebenden Deutschen. Veganer sind gegen jegliche Nutzung von Tieren. Sie lehnen zum Beispiel ab, dass beispielsweise Legehennen extra gezüchtet und gehalten werden, damit Menschen sich von Hühnereiern ernähren können. Während viele Leute die Haltung von Vegetariern, die, wie allgemein bekannt, lediglich das Schlachten von Tieren und den damit verbundenen Fleischverzehr ablehnen, nachvollziehen können, geht einigen die Einstellung von Veganern zu weit. Eine weit verbreitete Meinung ist, dass es den Tieren ja nicht weh tue, wenn sie gemolken werden oder ihre Eier als Nahrungsmittel verwendet werden. Doch Veganer sehen das als Ausbeutung der Tiere.

Ich muss gestehen, dass ich vor meiner Beschäftigung mit dem Thema Veganismus selbst dem eher kritischen Lager angehörte, doch nachdem ich selbst, wenn auch nur kurz, die Erfahrung mit veganer Lebensweise gemacht habe, kann ich mich mit den Menschen, die sich gegen eine Ernährung auf Basis tierischer Produkte entschieden haben, viel besser identifizieren. Außerdem ist mein Respekt für sie, die für ihre Prinzipien auf so vieles verzichten, noch um einiges gewachsen.

Mein Fazit nach fünf Tagen veganer Lebensweise? Wie schon erwähnt: Für mich sind Veganer Menschen, die auch wirklich nach ihren Vorstellungen handeln, was die wenigsten Leute von sich behaupten können. Sie nehmen einiges auf sich, um sich nicht auf Kosten von anderen Lebewesen zu ernähren, was ich wirklich bewundernswert finde.

Allerdings ist mir auch klargeworden, dass jemand, der wirklich konsequent vegan leben möchte, auch einiges an Kosten stemmen muss – denn die Preise für Lebensmittel, die für Veganer geeignet sind, sind nicht selten doppelt so hoch wie die für nicht-vegane Kost. Insofern ist es für manche Menschen vielleicht vom finanziellen Standpunkt her schwierig, vegan zu leben, selbst wenn sie es wollten.

Drittens wurden mir neben allem Verzicht auch die vielen Vorteile der veganen Ernährung bewusst: Man isst viel gesünder und frischer, weil viel Obst und Gemüse auf dem Speiseplan steht und man entwickelt ein ganz neues Bewusstsein für das, was man isst und wie man es isst.

Insofern kann ich für mich sagen, dass das Experiment ein voller Erfolg war, was neue Erfahrungen und den Blick über den Tellerrand angeht – dass ich aber auch gemerkt habe, dass diese Lebensart auf die Dauer nichts für mich ist, obwohl ich es nach einer derart intensiven Beschäftigung mit dem Thema eigentlich besser wissen müsste.

Aber auf mein Brötchen mit Nutella zum Frühstück oder eine Currywurst am Sportplatz kann ich mein ganzes Leben wirklich nur schwer verzichten.