Warstein/Dortmund. Frauen mit einem Pilotenschein? Sie muss man lange suchen beim Ballon-Event in Warstein. Ljudmila Samborskaja nicht. Die 53-Jährige aus Dortmund ist bei der Montgolfiade bekannt wie ein bunter Hund; mehr oder weniger die Mutter der osteuropäischen Nationenfahrer. In diesem Jahr betreut sie ein russisches Team, das mit einer „Raumkapsel“ für Aufsehen sorgt.

Ljudmila spricht fließend deutsch. Ihre natürliche Fröhlichkeit und warmherzige Gastfreundschaft hat unglaubliche Stahlkraft. An jeder Ecke des Fiesta-Geländes wird sie stürmisch begrüßt. Ljudmila hier, Ljudmila da. Kein Ballonfahrer geht ohne ein nettes Wort vorbei. Was nicht verwundert. Ljudmila wird bei der WIM überall gebraucht.

Als Dolmetscherin, Gute-Laune-Fee und pragmatische Pilotin ist die Dortmunderin in der von Männern dominierten Ballonsportszene angesehen. Ein Energiebündel durch und durch. Ljudmila lebt in der Montgolfiade-Woche ihre Leidenschaft. „Ich mag alles, was in der Luft ist. Ballonfahren ist wie eine gute Droge“, erklärt die studierte Psychologin und Musiklehrerin. Ein Trip, der sie gefesselt hat.

Dabei war die Jungfernfahrt vor 14 Jahren eher ein Trauma. Im österreichischen Filzmoos musste Ljudmila als Begleiterin im Korb eines Freundes aus Litauen zwischen zwei Bergen notlanden. Es war Winter und bitter kalt. Erst nach zwei Stunden wurden beide von einem Rettungshubschrauber geborgen. „Danach war mir klar, ich lenke lieber selbst einen Ballon“, erinnert sich Ljudmila. Den ersten Pilotenschein machte sie in Litauen, wo die gebürtige Ukrainerin aufgewachsen ist. Familiäre Kontakte halfen ihr bei der Ausbildung.

Deutscher Pilotenschein und Internationale Starterlaubnis

Den deutschen Pilotenschein hat die 53-Jährige seit 1999 in der Tasche.
Den deutschen Pilotenschein hat die 53-Jährige seit 1999 in der Tasche. © Hartwig Sellmann/WNM

Ljudmila Samborskaja flüchtete 1990 mit Mann Alexander (heute 60) und Tochter Vitalie (heute 28) wegen der politischen Unruhen in Osteuropa nach Deutschland. Sohn Ronny (heute 19) kam 1992 in Dortmund zur Welt. Die Familie unterstützt das exzentrische Hobby ihrer Mutter. Seit Mai 1999 besitzt Ljudmila einen deutschen Pilotenschein mit internationaler Starterlaubnis. Vor dreizehn Jahren (1998) nahm sie zum ersten Mal an der Warsteiner Montgolfiade teil.

Ein paar Männer muss Ljudmila bis heute immer mit an Bord haben. Reine Frauen-Crews gibt es im Ballonsport kaum, weil das Auf- und Abrüsten schwere Arbeit ist. Umgekehrt loggt sich die temperamentvolle Lady gerne in einer männlichen Gesellschaft ein. Bei der WIM 2011 ist sie der Hahn im Korb der russischen Formation.

Die Piloten Nikolay Galkin (40), Stanislav Fodorov (43) und Crew-Mitglied Peter Goncharuk (60) sind mit der Sonderform „Wostok 3KA-3“ am Start. Ein Nachbau der Raumkapsel von Juri Gagarin, der vor 50 Jahren als erster Mensch im Weltall unterwegs war. „Das Jubiläum wurde am 11. April in Russland gefeiert. Gagarin ist dort der große Held“, berichtet Ljudmila. Der Wostok-Ballon sollte am gleichen Tag vor den Toren Moskaus zur Premieren-Fahrt abheben. Das nationale Ereignis fiel ins Wasser, wegen starken Regens.

Wostok-Imitat wurde in vier Monaten genäht

Ljudmila mit Stanislav Fodorov. Sie hält die Kollegen bei Laune. Fotos: Sellmann
Ljudmila mit Stanislav Fodorov. Sie hält die Kollegen bei Laune. Fotos: Sellmann © Hartwig Sellmann/WNM

80 Ausflüge hat das „Space Shape“ mittlerweile aber auf dem Buckel. Die Russen - alle drei Profis - haben es von der Ballon-Fabrik Kubicek in Brünn (Tschechei) anfertigen lassen. Vorlage war ein Miniatur-Modell aus DDR-Zeiten (Baujahr 1975), das sie vor zwei Jahren über ein amerikanisches Auktionshaus für 500 Euro im Internet ersteigert haben. In nur vier Monaten wurde das Wostok-Imitat genäht. 350 Kilo wiegt die Hülle, fast drei Kilometer lang ist sie im ausgefalteten Zustand.

Wenn der Ballon mit 5600 Kubikmeter Volumen Heißluft zum Himmel steigt, ragt er mit stolzen 47 Metern in die Höhe. Normalerweise ein teueres Vergnügen. Doch gekostet haben die Näharbeiten der russischen Besatzung nur rund 120.000 Euro. Die andere Hälfte übernahm die Firma aus Brünn, weil sie die Idee ihre Auftrageber so toll fand.

Ballon ist in Russland Zuschauermagnet

„Mit ihrer Sonderform wollen die Jungs den Menschen viel Freude bereiten. In Russland ist der Ballon ein Zuschauer-Magnet. Das hat zu tun mit Träumen aus der Kinderzeit. In Russland wollten früher alle Astronauten sein“, verrät Ljudmila Samborskaja. Sie stellte den Kontakt zu den weitgereisten Piloten her, die ihr Equipment mit dem Auto von Moskau nach Warstein verfrachtet haben. 1600 Kilometer beträgt eine Strecke. Ljudmila organisierte den Startplatz bei der WIM und bot praktische Hilfe an. Damit erfüllte sie sich selbst einen Traum: „Ich bin die erste Pilotin in diesem wunderschönen Ballon.“

Wostock-Crew hat Spaß

Warten auf besseres Wetter: Die drei russischen Ballonfahrer - von links - Nikolay Galkin (40), Peter Goncharuk (60) und Stanislav Fodorow (43). Sie sind mit der Sonderform
Warten auf besseres Wetter: Die drei russischen Ballonfahrer - von links - Nikolay Galkin (40), Peter Goncharuk (60) und Stanislav Fodorow (43). Sie sind mit der Sonderform "Wostok 3KA-3" aus Moskau zur Montgolfiade nach Warstein gekommen. © Hartwig Sellmann/WNM
Jeden Tag einen Blick auf die elektronische Wetterkarte im Laptop wirft der russische Pilot Nikolay Galkin (40). Im Hintergrund Kollege Stanislav Fodorow (43) mit Ljudmila Samborskaja (53), Pilotin aus Dortmund
Jeden Tag einen Blick auf die elektronische Wetterkarte im Laptop wirft der russische Pilot Nikolay Galkin (40). Im Hintergrund Kollege Stanislav Fodorow (43) mit Ljudmila Samborskaja (53), Pilotin aus Dortmund © Hartwig Sellmann/WNM
Jeden Tag einen Blick auf die elektronische Wetterkarte im Laptop....
Jeden Tag einen Blick auf die elektronische Wetterkarte im Laptop.... © Hartwig Sellmann/WNM
...irgendwann wird selbst der stärkste Mann müde...
...irgendwann wird selbst der stärkste Mann müde... © Hartwig Sellmann/WNM
Pilotin Ljudmila Samborskaja aus Dortmund hält die Russen bei Laune.
Pilotin Ljudmila Samborskaja aus Dortmund hält die Russen bei Laune. © Hartwig Sellmann/WNM
Sie hat 1999 den deutschen Pilotenschein gemacht und auch noch den alten aus Litauen.
Sie hat 1999 den deutschen Pilotenschein gemacht und auch noch den alten aus Litauen. © Hartwig Sellmann/WNM
Ljudmila Samborskaja (53)  ist eine der wenigen Frauen bei der Warsteiner Montgolfiade, die Ballone steuern können.....
Ljudmila Samborskaja (53) ist eine der wenigen Frauen bei der Warsteiner Montgolfiade, die Ballone steuern können..... © Hartwig Sellmann/WNM
....und deshalb der Hahn im Korb bei ihren männlichen Kollegen.
....und deshalb der Hahn im Korb bei ihren männlichen Kollegen. © Hartwig Sellmann/WNM
Pilotin Ludmila ist mit ihrem Temperament beliebt...
Pilotin Ludmila ist mit ihrem Temperament beliebt... © Hartwig Sellmann/WNM
...alle schätzen die in Litauen aufgewachsene Kollegin.
...alle schätzen die in Litauen aufgewachsene Kollegin. © Hartwig Sellmann/WNM
Auch eine Miniaturform ist interessant für die drei russischen Ballonfahrer.
Auch eine Miniaturform ist interessant für die drei russischen Ballonfahrer. © Hartwig Sellmann/WNM
Modellbauer Jupp Hein (r.) aus Meschede erklärt seine Arbeit...
Modellbauer Jupp Hein (r.) aus Meschede erklärt seine Arbeit... © Hartwig Sellmann/WNM
...stellt das Zubehör für die Modellballone vor...
...stellt das Zubehör für die Modellballone vor... © Hartwig Sellmann/WNM
...zeigt wie die kleine Gasflasche aufgeht...
...zeigt wie die kleine Gasflasche aufgeht... © Hartwig Sellmann/WNM
Nikolay Galkin (40) mit den Präsenten....
Nikolay Galkin (40) mit den Präsenten.... © Hartwig Sellmann/WNM
....einen Rucksack gibt's noch gratis dazu....
....einen Rucksack gibt's noch gratis dazu.... © Hartwig Sellmann/WNM
Am Ende haben alle ihren Spaß an einem Tag ohne Starts....
Am Ende haben alle ihren Spaß an einem Tag ohne Starts.... © Hartwig Sellmann/WNM
...und zum Finale hoffen die Russen auf besseres Wetter...
...und zum Finale hoffen die Russen auf besseres Wetter... © Hartwig Sellmann/WNM
...erst ein Mal hat Stanislav Fodorow seine
...erst ein Mal hat Stanislav Fodorow seine "Raumkapse" vorgellt... © Mike Fiebig / WP
... am traumhaften Auftakt-Wochenende hob die Sonderform Wostok 3KA-3 ab.
... am traumhaften Auftakt-Wochenende hob die Sonderform Wostok 3KA-3 ab. © Mike Fiebig / WP
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Fantastisch finden ihre männlichen Kollegen Europas größtes Ballonfest. Für alle drei ein Debüt im Sauerland. „Sie wollten unbedingt mit nach Warstein kommen. Es gibt kein vergleichbares Event in Russland. Das hier ist eine echte Fiesta“, übersetzt Ljudmila.

Die Wostok I werde nach der bitteren Sturmtief-Pause ganz sicher bei den Massenstarts (6.30 und 17.30 Uhr) im Sauerland zu bewundern sein. „Am Wochenende kriegen wir bestimmt wieder schönes Wetter“, vertraut Ljudmila Samborskaja den Prognosen der WIM-Meteorologen. Sie würde so gerne noch mal mit in die Luft gehen.