Warstein. . Als Case-Managerin koordiniert sie das Senioren-Netzwerk im Krankenhaus. Sie glaubt, dass sich das Versorgungsdefizit zumindest verkleinern lässt.
Menschen helfen – diese Motivation zieht die meisten Mitarbeiter Tag für Tag ins Krankenhaus „Maria Hilf“. Dass sie das im sozialen Dienst besser kann als in der Pflege, hat Melanie Rautert für sich erkannt – heute arbeitet sie daher nicht mehr in der Pflege, sondern durch eine Weiterbildung zur Case-Managerin als Koordinatorin des am Krankenhaus angesiedelten Senioren-Netzwerks.
Zu ihren Aufgaben gehört vor allem die Beratung von älteren Patienten. Meist geht es um die Frage, wie deren Versorgung auch im Anschluss an den Krankenhaus-Aufenthalt gesichert werden kann. Aber noch eine zweite Mission hat sich Melanie Rautert vorgenommen: „Durch den demografischen Wandel werden die Versorgungsangelegenheiten immer mehr zum Problem. Deshalb müssen wir den Blick auf die Frage richten, was wir tun können, um dieses Problem zu lösen.“
Versorgungsdefizit kann verkleinert werden
Das Senioren-Netzwerk sei dafür ein Stützpfeiler, davon ist die Fachfrau, die an ihre Ausbildung ein Studium der Pflegewissenschaft angeschlossen hat, überzeugt. „Alle Einrichtungen, die mit der Versorgung älterer Menschen zu tun haben, können sich untereinander so gut strukturieren, dass wir das Versorgungsdefizit wenn nicht schließen, dann zumindest verkleinern können“, erklärt sie.
Regelmäßiger Austausch im Senioren-Netzwerk
Im Senioren-Netzwerk rund um das Krankenhaus „Maria Hilf“ haben sich 30 Einrichtungen aus dem Gesundheitswesen zusammengeschlossen, die den Bereich Warstein/Rüthen/Anröchte abdecken.
Die Netzwerk-Partner stehen in einem regelmäßigen Austausch, unter anderem wurde eine Arbeitsgruppe Demenz und Palliativ gegründet.
Doch Melanie Rautert ist das nicht genug. Sie vermisst weitere innovative Modelle, wie die Versorgung gesichert werden kann – nicht nur in Warstein, sondern bundesweit. „Andere Länder sind da weiter“, hat sie etwa bei einem Besuch in den Niederlanden gelernt. „Dort gibt es ein Modell für den Pflegedienst, bei dem die Bürokratie deutlich gesenkt wurde.“ Die Folge: Mitarbeiter sind zufriedener, die Versorgung ist verbessert.
„Wir müssen auch in Deutschland sehen, wie wir Problemlagen verbessern“, glaubt die ausgebildete Krankenschwester. Derzeit liege der Fokus etwa noch immer stark auf einer stationären Unterbringung in Heimen. „Demnächst gibt es vielleicht mehr Wohngruppen oder betreutes Wohnen.“
Senioren müssen im Vorfeld aktiver vorgehen
Doch auch die Patienten selbst seien gefordert, findet Melanie Rautert. „Wir würden uns freuen, wenn Senioren oder ihre Angehörigen unser Netzwerk öfter im Vorfeld und von sich aus kontaktieren“, sagt sie. „Bislang kommen die Fragen oft erst in der akuten Situation auf.“
Wenn ein Patient nach dem Aufenthalt im Krankenhaus nicht mehr selbstständig in seiner Wohnung leben kann, bekommt er zum Beispiel Besuch von Melanie Rautert. „Wir überlegen dann, welche Möglichkeiten es für den Patienten gibt und ich helfe dann auch schon mal beim Ausfüllen der Anträge.“
Wohnverhältnisse oft problematisch
Die Fachfrau mag diese Gespräche, kümmert sich gern. „Nur ein Bürojob wäre nicht gut.“ Und wenn sie auf dem Zimmer ist, kommt manchmal auch die Krankenschwester noch einmal durch. „Dann helfe ich den Patienten auch schon mal ins Bett.“
Nach dem Krankenhaus-Aufenthalt werden die Wohnverhältnisse oft zum Problem. Das Bad nicht barrierefrei, das Schlafzimmer im Obergeschoss – all das ließe sich auch schon ändern, bevor der Notfall eintritt. „Wichtig sind außerdem eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmachten“, bietet Melanie Rautert auch in rechtlichen Fragen Hilfestellung an.
Krankenhäuser spüren Fachkräftemangel
Die Case-Managerin glaubt, dass sich viele Senioren zum einen nur ungern mit Fragen zu Alter, Krankheit und Tod beschäftigen, zum anderen viele aber auch die Dringlichkeit dieses Themas noch nicht erkannt haben. „In manchen Krankenhäusern ist der Fachkräftemangel schon zu spüren, aber dort kann die Versorgung der Patienten bisher noch gestemmt werden“, sagt sie. „Da fehlt bei einigen das Bewusstsein für das Problem, weil bis jetzt ja alles immer noch irgendwie funktioniert hat.“ Melanie Rautert ist überzeugt, dass sich die Situation noch verschärfen wird.
Das Senioren-Netzwerk sei daher bislang auch noch ein „kleines Pflänzchen, das wir noch wachsen lassen müssen, um für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein“. Melanie Rautert will mit aller Kraft daran mitarbeiten.
Weniger Bürokratie, bessere Pflege
Beseelt vom Enthusiasmus der Mitarbeiter ist Melanie Rautert von einem Besuch in Leeuwarden in den Niederlanden zurückgekehrt. Dort lernte sie das Modell „Buurtzorg“ kennen, das die Pflege vor Ort revolutioniert hat.
Gründer Jos de Blok war als Krankenpfleger selber unglücklich über zu viel Bürokratie, ausgebrannte Mitarbeiter und immer unzufriedenere Patienten. 2007 startete er mit vier Mitarbeitern einen ambulanten Pflegedienst. Aus den vier Mitarbeitern sind heute in den Niederlanden 10 000 pflegende Mitarbeiter geworden.
Die Pflegekräfte arbeiten in kleinen Teams wie ein eigenes kleines „Miniunternehmen“. Wenn sich mindestens vier Pflegekräfte gefunden haben, kann es los gehen. Sie organisieren sich selbstständig ein Büro, ihre weiteren Mitarbeiter und werben für sich einen Patientenstamm. Wenn es zu Problemen kommt, die sie selbst nicht lösen können, unterstützt sie ihr Regionalcoach. Hierarchien gibt es so gut wie nicht. Die Dokumentation wird digital erledigt.
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Die Patienten sind sehr zufrieden. Wenig wechselndes Personal und somit immer die gleichen Gesichter. Sie werden angeleitet, wieder ein möglichst selbstständiges Leben zu führen. Angehörige, Nachbarn und Freunde werden wie selbstverständlich mit in den Prozess einbezogen. Außerdem führte das Modell bei den Krankenkassen zu Kosteneinsparungen von 40 Prozent. Daher breitet sich „Buurtzorg“ inzwischen auch nach Deutschland aus. Im Münsterland gibt es bereits drei Teams, die nach dem gleichen Prinzip arbeiten.
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