Warstein. . Sekundarschule, Gymnasium, Infineon und Firma Risse haben verschiedene Angebote. Wieso der Entscheidungsprozess bereits im Kindergarten beginnt.

Vorsichtig den Lötkolben ansetzen und zuschauen, wie zwei Teile miteinander verschmelzen, dem Patienten aus dem Bett helfen und seine Wunden neu verbinden, im Hörsaal sitzen und dem Dozenten zuhören, wie er über Grundrechte redet. Die Möglichkeiten nach der Schule sind für junge Menschen vielfältig. Studium oder Ausbildung, Abitur oder die Schule verlassen. Früh müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden. Dabei unterstützen Schulen und Unternehmen, stellenweise schon in jungen Jahren. So erleben die Beteiligten die Vorbereitung.

Marie-Luise Mues

„Bei mir war die Vorbereitung nicht optimal. Es gab Ausflüge zu einer Berufsmesse und sonst zwei Praktika. Aber an einem Tag beziehungsweise in zwei Wochen lernt man dann eben zwei Berufe kennen und darf nicht wirklich mit anpacken. Noch mehr Praktika sind vermutlich schwer zu integrieren in den Schulplan, aber so fehlt die Zeit für die Suche nach dem Traumjob.

Genauso wahrscheinlich, um noch mehr Praktika zu integrieren, hilfreich wäre es sicher. Ein freiwilliges soziales Jahr kann auch hilfreich sein, dafür wurde auch am Gymnasium in Rüthen geworben. Dort reift man auch und weiß vielleicht eher, was man möchte. Mir half ein Ferienjob in den Semesterferien bei Elektro Müller meinen Traumjob zu finden. Die Möglichkeiten nach der Schule können schon verwirrend sein. Da ist Hilfe wichtig und auch die Unterhaltungen mit den Klassenkameraden.“

Marcus Schiffer

„Bei uns ist Bildung keine Einbahnstraße. Es ist wichtig, alle Bereiche und Abschlüsse zu bedienen und die Schüler so auf die gymnasiale Oberstufe und auf die Ausbildung vorzubereiten. Das fängt mit einer Orientierungsphase in den Klassen fünf bis sieben an. Da wird in die Familien geschaut. Was machen die eigentlich genau beruflich. Dann bieten wir eine Digitalwerkstatt an, um die Medienerziehung voranzutreiben und den Schülern dabei zu helfen, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden.

Stärken und Schwächen

In der achten Klasse überlegen die Schüler, welche Berufe etwas für sie sein könnten und wählen entsprechend ihre Kurse. Wer handwerklich begabt ist, wählt vielleicht das Fach Technik. Durch die Potenzialanalyse wird die Auswahl nochmals verfeinert und dem Schüler weiteres Wissen über die Stärken und Schwächen an die Hand gegeben.

Setzt sich für eine umfangreiche Berufsvorbereitung der Schüler an der Sekundarschule ein: Schulleiter Marcus Schiffer.
Setzt sich für eine umfangreiche Berufsvorbereitung der Schüler an der Sekundarschule ein: Schulleiter Marcus Schiffer. © Kevin Kretzler

In der neunten und zehnten Klasse befinden sich die Schüler dann in der Auswahlphase und lernen Berufe detailliert kennen durch Praktika. Es reicht nicht zu sagen, ich mag das Handwerk. Daher präsentieren sich Betriebe, um den jungen Leuten zu zeigen, in welchen Produktionsprozess sie sich sehen könnten. Im Hintergrund steht dann weiter ein Team aus Studien- und Berufskoordinatoren und Beratungslehrern. Sie nehmen die Schüler dann auch an die Hand und helfen ihnen dabei, zukunftsorientiert zu handeln. Aus Berufswünschen soll Realität werden, dafür sind Schulen prädestiniert.“

Bernd Belecke

„Auch am Gymnasium gibt es die Berufsorientierung. Die richtet sich auch an die Schüler, die nach der zehnten Klasse eine Ausbildung beginnen wollen, um erst im Anschluss daran zu studieren. Jeder soll eine Vorstellung davon bekommen, was draußen passiert und einem selbst liegt. Das startet bei uns in der achten Klasse mit drei Tagespraktika, es gibt den Girlsday und den Boysday und zweiwöchige Praktika in der zehnten Klasse.

Arbeitswelt im Unterricht

Auch im Unterricht geht es um die Arbeitswelt und deren Regeln. Dort treiben wir die Berufsorientierung dann weiter. Die Schüler sollen mit Hilfe der Arbeitsagentur, Berufs- und Studienberatung für sich erkennen, wo sie ihre eigene Zukunft sehen. Wir holen auch ehemalige Schüler zu uns, die erzählen, wie sie sich orientiert haben und ihren Alltag jetzt gestalten.

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Um Studiengänge näher kennenzulernen geht es im Herbst nach Münster für den Hochschultag, parallel finden Beratungsgespräche statt. Da ist für jeden was dabei. Sie müssen sich kontinuierlich damit auseinandersetzen, damit sie eine Orientierung haben. Aber nicht nur die Berufe sind wichtig, sondern auch Intermezzos, wie freiwillige soziale Jahre, denn auch dort werden wichtige Kompetenzen und Eindrücke erworben.“

Christoph Pielsticker

„Wir gehen in die Schulen, um auf das Ausbildungsangebot von Risse & Co. und die einzelnen Tätigkeiten bei uns aufmerksam zu machen, beispielsweise im Rahmen von Berufsparcours. Es ist gar nicht mehr so einfach, Auszubildende zu bekommen. Dadurch, dass die meisten minderjährig sind, müssen sie in der Nähe wohnen, weil sie kein Auto haben. Da ist der Stimmstamm dann schnell wie ein Alpenpass.

Christoph Pielsticker ist Ausbilder bei Risse & Co – und findet zunehmend weniger geeignete Azubis.
Christoph Pielsticker ist Ausbilder bei Risse & Co – und findet zunehmend weniger geeignete Azubis. © Kevin Kretzler

Manchmal merken wir, dass die Qualifikationen zu wünschen übrig lassen. Da sind Auszubildende mit 18 Jahren oft einfacher zu handhaben, weil sie reifer sind. Es kommt eben nicht nur auf die Noten an, sondern auch auf die Sozialkompetenzen. Manche brauchen dafür länger. Meiner Meinung nach streben viele junge Menschen heute auch einen höheren Abschluss an, um die eigenen Chancen zu erhöhen.“

Sylvia Dohmen

"Die Schüler werden durch die Schule und die Wirtschaft begleitet. Manche kümmern sich dann ausgiebig und andere weniger. Die jungen Leute befinden sich ja auch in einem Lebensabschnitt, wo sie eine weitreichende Entscheidung treffen müssen. Aber eigentlich sind sie noch in der Findungsphase. Das ist schwer.

Sylvia Dohmen wünscht sich als Ausbildungsleitern bei Infineon mehr Frauen in technischen Berufen.
Sylvia Dohmen wünscht sich als Ausbildungsleitern bei Infineon mehr Frauen in technischen Berufen. © Kevin Kretzler

Vor zwanzig Jahren gab es keine Berufsfindung. Jetzt werden die Schüler bedarfsgerecht begleitet. Es sind Programme ins Leben gerufen worden, um die jungen Leute besser zu fördern und besser auf den Dschungel an Möglichkeiten vorzubereiten. Heute füllen Betriebe ganze Schützenhallen, um bei Ausbildungsmärkten zu zeigen, was es alles gibt. Da passiert einiges. Und das beginnt früh.

Sozialisierung beginnt früh

Das fängt vom Kindergartenkind an, das machen will, was die Eltern beruflich machen. Die sind auf ihre Umwelt fixiert und sammeln dort Ideen. Bei dieser Sozialisierung verlieren wir dann auch ganz viele Mädchen für die technischen Berufe. Da liegt ein wahnsinniges Potenzial brach, das nicht gesehen wird und auch oft von der Umwelt, Eltern und Co nicht gefördert wird, weil sie der Ansicht sind, dass das nichts für Mädchen ist.“

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