Warstein. . Selbstversuch: Redakteur Sebastian Hahn pendelt mit dem Twizy der WVG von Warstein nach Dortmund. Lohnt sich die Anschaffung eines E-Autos?
Jeden Tag von Dortmund nach Warstein: 156 Kilometer pendelt Redakteur Sebastian Hahn jedes Mal zur Redaktion und zurück nach Hause. Zwei Stunden Fahrtzeit und eine Menge Geld, das jeden Tag für Benzin draufgeht. Bei einem Super-Preis von 1,40 Euro pro Liter wären das 9,80 Euro pro 100 Kilometer, hochgerechnet mehr als 300 Euro im Monat.
Nicht umsonst steigen immer mehr Pendler auf günstigere Alternativen um. War vor ein paar Jahren Erdgas als Benzin-Alternative im Trend, setzen mittlerweile viele Autofahrer auf Elektro-Autos. Die Warsteiner Verbundgesellschaft (WVG) besitzt seit Anfang 2018 ebenfalls ein E-Auto, um Termine im Stadtgebiet wahrzunehmen.
Doch der Renault Twizy, mit dem WVG-Mitarbeiter täglich unterwegs sind, ist eigentlich nur für kurze Strecken ausgelegt: Maximal 80 Kilometer Reichweite und eine Höchstgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern machen etwa das Fahren auf Autobahnen unmöglich. Taugt das E-Auto der WVG also zum Pendeln? Ein Selbstversuch.
10.03 Uhr
WVG-Geschäftsführer Thorsten Kosfeld wartet vor dem Eingang des WVG-Gebäudes, den Autoschlüssel in der einen, das Handy in der anderen Hand. Denn beides ist essenziell für die Nutzung des Renault Twizy. „Sie brauchen erstmal eine App, damit Sie überhaupt an allen Ladesäulen tanken können“, erklärt Kosfeld und richtet „eCharge“ auf dem Smartphone ein.
Mithilfe einer Vertragsnummer erkennt die App automatisch das dazugehörige Fahrzeug, mit einer Navigationsfunktion lassen sich einzelne Ladesäulen gezielt ansteuern. Zudem kann überprüft werden, ob diese aktuell belegt sind oder nicht. Möglich ist dies allerdings nur für Ladesäulen, die von Innogy betrieben werden.
Dazu gehören unter anderem die Ladepunkte in Warstein. Für diese wird beim Twizy allerdings ein Adapter benötigt – denn normalerweise reicht eine handelsübliche Steckdose, um das Fahrzeug zu laden.
10.32 Uhr
80 Kilometer schafft der Twizy normalerweise. Auf gerader Strecke und bei entsprechender Fahrweise. „Die Strecke nach Dortmund über die Haar ist doch recht hügelig, da werden Sie auf jeden Fall einmal halten müssen“, erklärt Thorsten Kosfeld.
Ein weiteres Handicap: Autobahnfahrten mit dem Twizy sind nicht drin, mit 80 Stundenkilometern und ohne Fenster ist er dafür nicht wirklich ausgelegt. „Die Strecke ist dann zwar ein wenig kürzer, aber eben auch unebener“, ergänzt Kosfeld. Die „eCharge“-App zeigt in Unna und am Möhnesee eigene Ladesäulen an, in Soest funktioniert das Aufladen auch ohne App.
11.03 Uhr
„Natürlich dauert das Laden eines E-Autos ein wenig, aber in der Zeit lassen sich auch andere Dinge erledigen. Und den Twizy können Sie ja auch zuhause einfach an die Steckdose stecken“, sagt Thorsten Kosfeld. Tatsächlich bedeutet die lange Wartezeit nicht auch gleich verschwendete Zeit.
Parallel lässt sich etwa mit dem Laptop arbeiten, dafür ist im Innenraum des Twizy genug Platz. Auch während eines halbstündigen Einkaufs lädt das Auto knapp zehn Prozent. „Wenn der Wagen komplett leer ist, braucht es knapp dreieinhalb Stunden, bis er wieder 100 Prozent hat“, sagt Kosfeld.
13.21 Uhr
Etwas mehr als ein halbes Jahr nutzt Thorsten Kosfeld von der WVG den Wagen schon – und hat schon einige Erfahrung im Umgang damit gesammelt. „Wenn Sie aufwärts fahren, verbraucht der Wagen natürlich mehr von der Batterie, bremsen sie oder rollen sie abwärts, lädt sich die Batterie ein Stück neu auf. So lässt sich die Reichweite natürlich ein wenig erhöhen.“
15.55 Uhr
„So eine lange Strecke sind wir damit noch nicht gefahren, von daher ist es auch ein kleiner Härtetest für uns“, erklärt Thorsten Kosfeld schmunzelnd. Denn für lange Strecken ist der Twizy keinesfalls ausgelegt. Zu wenig Geschwindigkeit und eine zu kleine Reichweite. „Fürs Pendeln gibt es sicherlich bessere E-Autos“, meint auch Thorsten Kosfeld.
17.31 Uhr
Auf dem Haarweg erreicht mich die Erkenntnis: Das wird nichts bis nach Warstein. Also nochmal ab zum Möhnesee. Erst den Wagen an die Ladesäule anstecken, dann der Anruf bei der WVG. Thorsten Kosfeld rät: „Mindestens 30 Prozent sollten Sie haben, damit kommen Sie aus Körbecke bis nach Warstein.“Also nochmal warten – so langsam nervt es ein wenig. Aber gut, ich habe mir diesen Tag selbst ausgesucht.
18.52 Uhr
Ich biege in Belecke auf die Lanfer, dann verschwindet auch der letzte Balken aus der Batterieleiste. Alles blinkt, alle 30 Sekunden gibt der Wagen ein furchterregendes Piepen von sich. Ich überlege schon, ab wann ich realistisch schieben könnte, suche nach jeder kleinsten Abfahrt, um den Wagen rollen zu lassen.
Endlich sehe ich die Gaskugel – nach fast neun Stunden bin ich zurück an meinem Startort. Thorsten Kosfeld freut sich: „Ich dachte zwischendurch schon, Sie kommen gar nicht mehr an. Aber gut, jetzt wissen wir, dass der Twizy auch so eine Strecke schafft.“
Mein Fazit: Für kurze Strecken ist der Wagen ideal, zumal man ihn zu Hause laden kann. Wartezeiten lassen sich bei der Arbeit, beim Einkaufen oder auch einfach während der Schlafenszeit überbrücken. Aber knapp drei Stunden pro Arbeitsweg sind mir entschieden zu lang.
Da bleibe ich beim Benziner, bis ich mir ein „richtiges“ E-Auto mit mehr Reichweite zulegen kann. Denn sinnvoll ist das schon. Der Umwelt und dem Geldbeutel zu liebe...
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