Warstein. . Er wurde von Kunden angegriffen, bepöbelt und trug einen Gast Heim. Bei seinen nächtlichen Fahrten bringt auch der Tod ihn nicht aus der Ruhe.

Es ist zwei Uhr in Warstein, die Hauptstraße ist leergefegt, einsam leuchtet das Logo der Taxizentrale, die Büroräume sind dunkel. Jetzt ist Domenico Gentile am Drücker. „Warsteiner Taxi Service“ sagt er, nachdem im Taxi ein Anruf eingeht. An diesem Samstag ist nicht nur das Schützenfest in Belecke. Drei große Geburtstage und ein Jahrestag werden ebenfalls im Stadtgebiet gefeiert. Somit ist einiges los. „Es wird stressig, kann ich Ihnen sagen“, sagt Gentile schon zur Begrüßung.

Fünf Taxis fahren in dieser Nacht fast ständig zur Schützenhalle. Gentile übernimmt viele der anderen Fahrten. Kaum ist ein Anruf beendet, klingelt das Telefon erneut. Erst nach dem dritten Gespräch findet „Domme“ – wie ihn viele, inklusive der Kunden, nennen – die Zeit, um die Fahrten unter seinen Kollegen aufzuteilen.

Kein Navigationssystem für Warstein nötig

Der 43-Jährige ist seit fünf Jahren der Nachtschicht zugeteilt und kennt die Umstände daher ganz genau. „Wenn rufen alle auf einmal an. Das endet schnell im Chaos, aber man kennt das mit der Zeit.“ Gentile kennt aber noch mehr. Die Stadt befährt er ohne Navigationssystem. So konnte er die Stadt schneller kennenlernen. „Ich habe Warstein in meinem Kopf“, sagt er selbstbewusst. Auch die Fahrziele merkt er sich problemlos. Drei Anrufe sind keine Herausforderung mehr. „Ich kann zehn Fahrten im Kopf abspeichern.“

Aber auch die Leute und ihre Eigenarten sind ihm nicht mehr fremd. Die Kundschaft sei mittlerweile zum Großteil immer die gleiche. Da weiß er, wo eventuell um den Preis verhandelt wird. Bei diesen Kunden ruft er auch nicht die Polizei, wenn die Kasse nicht stimmt. Er weiß, dass er das Geld am nächsten Tag bekommt. Andere ihm bekannte Kunden trägt er auch mal auf die Couch und zieht ihnen die Schuhe aus, wenn sie zu betrunken sind. Man kennt sich halt.

Ein offenes Ohr für Nörgler

Auch Gemecker hört er sich ohne zu klagen an. Wenn es zu lange dauert, bis ein Taxi zur Verfügung steht, dann lassen die Kunden laut Gentile ihrem Frust gerne freien Lauf. „Ich sage ihnen dann, dass sie alles rauslassen sollen. Dann fühlen sie sich besser. Ich weiß mittlerweile, wie ich die Kunden nehmen muss“, sagt der 43-Jährige. „Das Problem ist aber, dass die Kunden nicht sehen, wie stressig es ist. Das ist das schlimmste an der Nachtschicht.“

Zwei Alarmsysteme sollen die Taxifahrer schützen

Ein stummer Alarm lässt die Taxilampe auf dem Auto kontinuierlich aufblinken, um Passanten zu informieren.

Ein lauter Alarm hingegen lässt Scheinwerfer und hintere Fahrtrichtungsanzeiger blinken und löst zusätzlich eine Intervallfolge von Huptönen aus.

Dabei hat der Taxifahrer schon ganz andere Sachen erlebt in seiner sieben-jährigen Laufbahn hinterm Steuer. Da gab es dieses mulmige Gefühl in seiner Anfangszeit, wenn in den Medien über tätliche Angriffe auf Taxifahrer berichtet wurde. Er selbst ist ebenfalls schon in solche Situationen geraten. „Zwei- oder dreimal sind Gäste auch handgreiflich geworden. Aber damit musst du dann klarkommen“, sagt er abgeklärt. Passiert ist ihm nichts. Hilfe in der Nähe zu finden wird bei der Nachtschicht aber auch schnell zur Herausforderung. Gentile lernte so schnell, dass er sich emotional von diesen Erlebnissen distanzieren musste. „Das mulmige Gefühl musste ich sofort ablegen. Ich muss mich konzentrieren können. Sonst ist der Job nichts für dich“, sagt er ganz klar.

Todesfall während der Nachtschicht

Diese Einstellung sollte auf eine harte Probe gestellt werden. Bei seinem „krassesten“ Erlebnis, wie er es nennt, musste er einen Gast wiederbeleben. „Ich habe ihn zuerst zurückgeholt, aber im Krankenwagen ist er dann verstorben. Ich habe getan, was ich musste, aber auch dann musst du wieder abschalten.“

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Trotz der Erlebnisse und etwaiger Gefahren käme für den Warsteiner nicht in Frage, in die Tagschicht zu wechseln. Er weiß die Zeit, die er so mit seiner Familie verbringen kann, zu schätzen. Das Herz am rechten Fleck hat er auch, wenn er nachts junge Frauen sieht, die alleine nach Hause gehen. „Die fahre ich dann kostenlos Heim. Hauptsache, ihnen passiert nichts.“

Fröhliche Unterhaltungen und Mitleid

Neben den Schützenfesten sorgen vor allem die Montgolfiade und Silvester für geschäftige Tage, oder wie „Domme“ es nennt: Ausnahmezustand. An Schlaf denkt er während der Arbeit übrigens nicht. Er unterhält sich lieber mit den Gästen und genießt die familiäre Atmosphäre, die sich über die Jahre durch die Nähe zu den Stammkunden entwickelt hat. Manche Gäste danken ihm seine freundliche Art. „Ich bekomme von Leuten schon aus Mitleid Trinkgeld, wenn sie merken, wie stressig es wieder zugeht.“

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