Warstein. . Wie die beiden Vorsitzenden zwischen Sprechstunden und Büroalltag im Warsteiner Krankenhaus wechseln und wieso sie den Job nicht machen wollten.

Alfred Schmiedel hat es ihnen lange Jahre vorgemacht, war 14 Jahre Gesicht des Betriebsrates im Warsteiner Krankenhaus. Sein Gesicht wurde im Juni durch gleich zwei ersetzt – zwei Gesichter, die Schmiedels Arbeit unter sich aufteilen, ihren eigentlichen Job nicht komplett für die Arbeit im Betriebsrat aufopfern wollten: Petra Jochim und Michael Nolte. „Eigentlich wollten wir das Amt ja gar nicht übernehmen“, sagen die 56-Jährige und der 50-Jährige lachend, sitzen währenddessen aber nun doch im Büro des Betriebsrates, wurden durch das Vertrauen ihrer Wähler überzeugt.

Und die Strukturen sind für sie nicht neu – Nolte ist seit acht Jahren Mitglied im Betriebsrat, Jochim seit vier Jahren. „Hätte einer von uns beiden das Amt übernommen, wäre derjenige komplett aus dem Stationsdienst zurückgezogen worden. Indem wir uns die Position teilen, können wir beide zur Hälfte noch unseren normalen Beruf ausüben“, erklärt Jochim. Ein wichtiger Aspekt für die beiden – trat Alfred Schmiedel doch aus genau diesem Grund zurück.

Abwechselnd Bürodienst

Michael Nolte als Stationsleiter der interdisziplinären Station und Petra Jochim in der Schmerztherapie und Palliativmedizin legen beide Wert auf die Nähe zum Patienten. „Wir sind eben eigentlich Praktiker, und nur im Büro sitzen? Lieber nicht“, sind sich beide einig. So hält einer von beiden morgens die Stellung im Betriebsrat, geht dann am Nachmittag in die Sprechstunde – und andersherum.

Weiterer Vorteil ihrer Aufgabenteilung: Jeder für sich habe einen jeweils anderen Einblick in den Mitarbeiteralltag. „Da wir beide auf unterschiedlichen Stationen sind, bekommen wir natürlich andere Sachen mit – und daraus können wir die Kombination für die Arbeit im Betriebsrat ziehen.“ Gerade zu Beginn ihrer Arbeit könne man sich außerdem abstimmen, gegenseitig Fragen beantworten und Unsicherheiten klären.

Tische voll mit Gesetzestexten

Vor allem deswegen betonen die beiden in ihrem gemeinsamen Büro, dessen Tische voll mit dicken Gesetzesbüchern und Unterlagen liegen, dass sie nicht die wichtigste Instanz des Betriebsrates seien. „Den Betriebsrat muss man als ganzes Gremium ansehen – da gehören die anderen neun Mitglieder gleichwertig zu. Wir sehen uns nicht als Chefs.“ Alle 14 Tage treffe man sich in „großer“ Runde, fungiere dort vielmehr als Bindeglied zwischen Verwaltung und den anderen Mitgliedern des Betriebsrates – aus denen dann wieder andere Einblicke des Arbeitslebens zum Betriebsrat vordringen.

Diese bunte Mischung ermögliche kontroverse Diskussionen mit besonderer Rücksicht auf diejenigen, die von den Themen besonders betroffen sind. „Es ist schön, das gemeinsam durchziehen zu können. Wenn es solche Gremien gibt, sollte man sie auch nutzen – alles auf Basis einer konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit“, betont Michael Nolte.

Wechselnde Charaktere

Geändert haben Jochim und er in den Abläufen und des Betriebsrates seit ihrer Übernahme nichts Wesentliches. „Es ist vorher schon gut gelaufen, das haben wir ja mitbekommen. Es nutzt schließlich nichts, wenn wir uns als Betriebsrat als Bremse verstehen, wir müssen auch erstmal reinkommen. Durch die wechselnden Charaktere im Betriebsrat ändert sich die Zusammenarbeit immer mal ein wenig“, so der 50-jährige Nolte.

Auch zu den Mitarbeitern des Krankenhauses baue man über den Betriebsrat ein besonderes Verhältnis auf – die schließlich voraussetzen, dass ihre Anregungen sensibel behandelt werden. Die Nähe zu den Mitarbeitern kann aber auch einen Nachteil haben: „Das ist das klassische Phänomen, was auch in unserem medizinischen Beruf vorkommt: Man wird häufig außerhalb des Betriebes auf etwas angesprochen, sei es beim Einkaufen oder wenn man sonst privat unterwegs ist“, sagt Jochim. Hier sei es wichtig, mit dem Feierabend einen Schlussstrich zu ziehen: „Sonst kommt man gar nicht von dem Thema los.“

Vertrauen zurückgeben

Betriebsrat als Mitbestimmungsorgan

Der Betriebsrat ist eine Arbeitnehmervereinigung, ein Mitbestimmungsorgan.

Auf dem Programm des Betriebsrats stehen auch regelmäßige Fortbildungen: „Ende September machen wir für alle Betriebsratmitglieder wieder eine Inhouse-Schulung – dann sind wir alle auf dem gleichen Stand, anders, als würden wir einzelne Mitglieder zu verschiedenen Schulungen schicken“, so Nolte.

Je nach Betriebsgröße ist die Anzahl der Mitglieder im Betriebsrat vorgeschrieben. Im Krankenhaus sind es neun plus eine Vollzeitstelle – oder eben, wie bei Nolte und Jochim, zwei halbe Stellen.

Zwar sind die beiden Bindeglieder des Betriebsrates – wie Jochim und Nolte sich selbst bezeichnen – keine Juristen. Dennoch aber müssen sie einen Überblick haben, wo was nachzulesen ist. Da kann es um gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeiten gehen, um Kündigungsschutz und Probezeiten: „Indem wir solche Dinge in verlässlichen Quellen überprüfen können, geben wir das Vertrauen an die Mitarbeiter zurück, das sie uns mit unserer Position entgegengebracht haben“, sagt Petra Jochim und blättert in einem der dicken Gesetzestexte. Auch wenn der Arbeitgeber ihnen ihre Arbeit einfach mache: Offen für Vorschläge komme er Jochim und Nolte bei ihrer Aufgabe entgegen.

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Erst einmal aber müssen sich nach der Sommerpause auch Petra Jochim und Michael Nolte richtig bewähren. Ob die beiden auch noch nach einer Amtszeit von vier Jahren weiter im Amt bleiben, hängt aber nicht nur von der Resonanz der Mitarbeiter ab: „Es ist ja immer noch ein Ehrenamt, das man auch irgendwann wieder loswerden muss. Wir haben ja immer auch selbst die Wahl, uns aufstellen zu lassen. Klar ist: Es darf nicht immer nur Wind aus ein- und derselben Richtung geben“, finden die beiden als Betriebsrat-Team.

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