Warstein. . Die 57-Jährige ist Radiologieassistentin im Warsteiner Krankenhaus. Warum sie eigentlich nicht im medizinischen Bereich gelandet wäre
Als Bettina Stimpel ihre Ausbildung begann, sagte der Leiter der Medizinisch Technischen Radiologie einmal zur ihr: „Was man nicht versteht, muss man als gegeben hinnehmen.“ Heute weiß Stimpel ganz genau, was er mit diesem Satz meinte. Damals wusste sie es noch nicht.
Und eigentlich musste sie es auch gar nicht wissen, denn ihr Berufswunsch war früher nicht im medizinischen Bereich verortet: „In der Grundschule wollte ich immer Sekretärin werden“, lacht die 57-jährige heute, geht ein wenig erschöpft von der Hitze mit einer Flasche Wasser in die kurze Arbeitspause.
Gegen Jugendkriminalität kämpfen
Die Grundschulträume aber waren schnell verflogen, Polizistin wollte die gebürtige Bochumerin werden, wollte nicht studieren. „Wie das damals so war ohne Internet, habe ich den Pförtner des Bochumer Polizeipräsidiums nach einer Ausbildung gefragt.“ Vor allem gegen Jugendkriminalität wollte Stimpel etwas in diesem Beruf bewirken. Aber ihr Vater hatte anderes für seine Tochter im Sinn, Ende der 1970er Jahre war es schlicht noch nicht üblich, als Frau zur Polizei zu gehen.
Wie es mit einer Ausbildung im medizinisch-technischen Bereich, entweder im Labor oder in der Radiologie aussehe, fragte der Vater. Und bei letzterem ist Bettina Stimpel geblieben. „Labor hat mir von Anfang an nicht so viel Spaß gemacht. Das ist für mich totes Material, hat nichts mit der Arbeit am Menschen zu tun.“ Also wird Bettina Stimpel zur Medizinisch-technischen Radiologieassistentin (MTRA).
Miteinander viel größer
1981 machte sie das Staatsexamen, sammelte anschließend zwölf Jahre Erfahrung im Marienhospital in Gelsenkirchen in Strahlentherapie und Nuklearmedizin. Am 1. April 1994 verschlägt es sie dann ins Maria-Hilf-Krankenhaus nach Warstein. „Ich könnte mir zwar vorstellen, wieder in einem größeren Krankenhaus wie dem Bochumer Bergmannsheil oder dem Gelsenkirchener Marienhospital zu arbeiten. Aber hier ist die Patientennähe und auch das Miteinander der Mitarbeiter viel größer.“
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In Warstein kennt Bettina Stimpel gut 90 Prozent der anderen Schwestern, bei 1 500 anderen Mitarbeitern in großen Krankenhäusern im Ruhrgebiet – keine Chance. „Und wenn mir beim Röntgen lediglich ein Gesicht bekannt vorkommt, der Patient daraufhin Anekdötchen erzählt von Zeiten, in denen ich auch schon in Warstein gearbeitet habe, vielleicht sogar genau ihn behandelt habe – das ist das Tolle.“
Persönliche Bindungen
Hinzu komme allerdings jener Nachteil, der sich schon in der Ausbildung Bettina Stimpels andeutete. Gleichzeitig mit der Patientennähe erhöhe sich als logische Folgerung natürlich auch das Risiko, persönliche Bindungen zu den Patienten aufzubauen. „Wenn ich einen Patienten röntge, entsteht im Regelfall nicht direkt eine Bindung. Aber wenn die gleiche Person über Wochen und Monate zur Strahlentherapie zu mir kommt, ist das schon was anderes.“
Verschiedene Aufgabenfelder
Der Zweck der Nuklearmedizin ist es, die Strahlung aus den Organen aufzunehmen – beispielsweise bei einem Nierenfunktionstest oder der Untersuchung eines Herzmuskels.
Nachdem sich die Arbeit Stimpels in Warstein zunächst noch in Nuklearmedizin und Strahlentherapie aufteilte, ist sie seit gut 25 Jahren in der konventionellen Radiologie tätig.
Ob Bettina Stimpel nach all den Jahren Berufserfahrung das Gefühl hat, emotional abzustumpfen? Heftig schüttelt die 57-Jährige den Kopf. Abstumpfen auf keinen Fall. „Aber da muss man differenzieren. Natürlich geht mir vieles vielleicht nicht mehr so nahe, als zu Beginn der Ausbildung. Wenn ich manche Schicksäle von Patienten sehe, tun sie mir leid – aber ich fange nicht mehr an zu weinen, wie manchmal zu Beginn meiner Laufbahn.“ Man lerne damit umzugehen, lerne, dass Verletzungen zum Alltag dazu gehören. Was Bettina Stimpel außerdem helfe, sei jener Satz, den sie einst in der Ausbildung hörte: „Was man nicht versteht, muss man als gegeben hinnehmen.“
Reden als unverzichtbarer Faktor
Auch mit dem neuen Schockraum des Maria Hilf habe die Radiologieassistentin zu tun, immer abwechselnd übernimmt ein Kollege jeweils das entsprechende Telefon und weiß damit: Kommt ein Anruf rein, bin ich dafür zuständig, im Notfall in den Schockraum zu wechseln – sei es bei Patienten mit Schwindel und Bewegungsstörungen oder nach Verkehrsunfällen.
Auch hier sei genau wie beim konventionellen Röntgen das Wichtigste, sich nicht vor dem Kontakt zum Menschen, zu einem Patienten mit offenen Wunden zu scheuen. „Die sind möglicherweise geschockt und verletzt. Und das wäre ich erst recht, wenn eine Schar Ärzte in blauen Kitteln um mich herum steht“, sagt Stimpel. Reden sei deshalb ein unverzichtbarer Faktor, schließlich kämen die Menschen ins Krankenhaus, um behandelt zu werden. „Und alles, was im medizinischen Bereich des Möglichen ist, sollten wir dann zum Wohl des Patienten auch tun.“ Denn – wie alles zu der Art Leitsatz Stimpels zusammenführt – auch Ärzte seien keine Übermenschen, kommen über gewisse Grenzen nicht hinaus.
Dankbar für Ratschlag
Ob Bettina Stimpel ihrem Vater heute dankbar ist, für seine Richtungsweisung zu ihrem heutigen Beruf? „Auf jeden Fall. Wenn ich das nicht gerne machen würde, wieso sollte ich hier dann überhaupt noch und schon so lange sitzen?“
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