Warstein. Professor Robert Jütte arbeitete als Dozent bereits in Israel. Im Haus Kupferhammer referierte er über die Gesundheit im Judentum.

Über das Leid von Juden ist seit jeher viel bekannt. Doch wenn es um ihr Leben, ihre Kultur und ihre Traditionen geht, so halten sich Wissen und Informationen bis heute in Grenzen. Daher ähnelte der Vortrag von Prof. Robert Jütte zur Gesundheit im Judentum beinahe einem Tabuthema, das er im Haus Kupferhammer präsentierte.

„Ich freue mich, mit Herrn Jütte endlich wieder ein Warsteiner Urgestein begrüßen zu dürfen“, sagte Bernhard Enste, Vorsitzender des Vereins Freunde und Förderer des Museums Haus Kupferhammer. Schließlich war es für den 1954 in Warstein geborenen Professor, der für gewöhnlich Vorträge auf der ganzen Welt hält, erstmals wieder ein Heimspiel und damit eine besondere Ehre, vor alten Freunden und bekannten Gesichtern zu referieren.

Nachdem er nach seinem Abitur am Warsteiner Gymnasium Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft in Marburg, Münster und London studierte, führte es Jütte unter anderem auch nach Isreal, wo er als Dozent für Neuere Geschichte referierte und Anregungen für sein erst kürzlich veröffentlichtes Buch zur Gesundheit im Judentum sammelte.

Während seines gleichnamigen Vortrags im Haus Kupferhammer ging es ihm nicht nur darum, Unkenntnisse und Vorurteile gegenüber des Judentums aufzudecken, auch berührte er mit dieser Thematik bewusst Empfindlichkeiten, die üblicherweise tabuisiert werden. „In kaum einer anderen Religion besitzt die Gesundheit einen so großen Stellenwert wie im Judentum“, betonte Jütte.

Damals: Drei Bereiche der Vorbeugung

Dass das Judentum über eine vergleichsweise geringe Krankheitshäufigkeit verfügt, erforschten jüdische Ärzte bereits im 19. und 20 Jahrhundert. Dabei legte die Religion einen besonderen Stellenwert auf drei Bereiche der Vorbeugung, die von der monatlichen Reinigung der Frau, über die Beschneidung bis hin zu speziellen Speisegesetzen reichten.

Besonders viel Kritik entfachte dabei die sogenannte Mikwe, die monatliche Reinigung der Frau, die in Ritualbädern durchgeführt wurde. „Die dumpfen und schmutzigen Bäder galten zwischen 1810 und 1850 als gefährliche Ansteckungsquelle und wurden zu dieser Zeit vorerst geschlossen“, erklärte Jütte. „Auch in Rüthen hat es ein solches Bad gegeben“.

Mitte des 19. Jahrhunderts schlug die Sicht auf die Reinigungsbäder wieder um, sodass zeitgenössische Einrichtungen aus Ärztesicht begrüßt wurden und als Beispiel für vorbildliche Hygienerituale galten. Ein Jahrhundert später wurden die vorhandenen Bäder allerdings nur noch von gut 15 Prozent der Frauen aufgesucht und benutzt.

Die Situation heute

Eine weitaus aktuellere Thematik präsentiert dagegen die für das Judentum bekannte Beschneidung, die noch heute zahlreiche Debatten anstößt. Während Religionskritiker wie Sigmund Freud die Beschneidung an Jungen als Gefährdung und Traumatisierung des Kindeswohls bezeichneten, so galt sie in anderen Debatten als bewiesene Vorbeugung von Geschlechtskrankheiten. Doch selbst bis heute herrscht Uneinigkeit über die Nachteile oder Vorzüge einer Beschneidung, sodass die Ärzteschaft erst 2012 forderte, eine klare Regelung aufzustellen.

Die Speisegesetze des Judentums werden hingegen heutzutage von vielen Ärzten begrüßt und nach der Aufhebung des Schächtungsgesetzes Mitte des 20. Jahrhunderts wieder als positiv angesehen. „Die koscheren Speisegesetze der Juden sind mehr als Bio-Kost und Fitnessstudio“, ist sich der Professor sicher.

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