Eickelborn. . An der LWL-Klinik in Eickelborn wurde erstmals ein ehemaliger Flüchtling als Pflege-Assistent eingestellt. Der Erfolg spricht für sich.
„Ramadan! Ramadan!“, schallt es durch die Aufnahmestation der forensischen Klinik in Eickelborn. Mohammad Ramadan eilt über den langen Flur an die Zimmertür des rufenden Patienten und spricht mit ihm auf Arabisch. Seit Februar arbeitet der syrische Kurde, der vor 20 Jahren aus seiner Heimat nach Deutschland geflüchtet ist, als Pflege-Assistent im LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt. Seine Anstellung hat Modellcharakter: Erstmals wurde an der Klinik ein ehemaliger Flüchtling im Stationsdienst eingestellt.
„Mohammad Ramadan hat sich für die Aufnahmestation als echter Glücksgriff erwiesen“, sagt Pflegedirektor Bernd Sternberg. Am Anfang sei die Klinik vorsichtig an die Bewerbung herangegangen. „Ein Flüchtling ohne Ausbildung, seit vielen Jahren mit wechselndem Aufenthaltsstatus in Deutschland – da schaut man schon genauer hin“, erklärt Sternberg. „Unser Eindruck beim Bewerbungsgespräch war so gut, dass wir uns entschieden haben, ihm eine Chance zu geben.“
Ramadans Aufgabe ist es, das Pflegepersonal von Alltagsaufgaben zu entlasten: Essen verteilen, Besucher abholen oder Post ausgeben.
Türöffner zu den Patienten
Viele Patienten mit Migrationshintergrund können sich nur schwer verständigen. Manche sprechen überhaupt kein Deutsch. Die Aufnahmestation hat 24 Plätze; im November waren hier zehn Patienten ohne Deutschkenntnisse untergebracht, acht davon aus dem arabisch-sprachigen Raum. Für den stationsleitenden Psychotherapeuten Philipp Hintze ist Ramadan ein Türöffner zu diesen Patienten. „Seine Anwesenheit wirkt positiv auf das Stationsklima. Wir profitieren genauso von seinen immensen Sprachkenntnissen wie von seiner ruhigen und zugewandten Art mit den Patienten“, sagt er. Ramadan ist mit allen Dialekten der arabischen Sprache vertraut. Außerdem spricht er Persisch, Kurdisch und Türkisch. Und sehr gut Deutsch, was ihm zuvor schon eine Übersetzungstätigkeit für die Polizei und ein Flüchtlingsheim eingebracht hatte.
Bei der Arztvisite ist Ramadan ganz Ohr, Auge und Stimme, während er zwischen Arzt und Patient dolmetscht, hin und wieder noch eine Erklärung zum besseren Verständnis hinzufügt. „Guter Mann!“, sagt der Patient beim Verlassen des Raumes und klopft Ramadan auf die Schulter. Er ist für viele Patienten aus dem arabischen Raum eine wichtige Bezugsperson, weil er ihre Sprache und ihre Kultur versteht.
Abgrenzung ist wichtig
„Ich musste aber auch lernen, mich abzugrenzen“, sagt Ramadan. Es soll keine Abhängigkeit entstehen. Therapiegespräche werden nach wie vor meist von offiziellen Dolmetschern übersetzt. Ramadan sieht seine Rolle vor allem darin, zwischen den Patienten und dem Personal zu vermitteln. „Nicht jedes auf den ersten Blick abweichende Verhalten ist krankheitsbedingt, manches ist auch kulturabhängig“, erklärt Psychotherapeut Hintze. Lautes Sprechen zum Beispiel sei meistens kein Anzeichen für Aggressivität, sondern ganz normales Gesprächsverhalten im türkisch-arabischen Kulturraum. „Da konnte der syrische Kollege schon so manches Missverständnis ausräumen“, so Hintze.
Weiterqualifizierung möglich
Ein Patient war anfangs sehr verschlossen gegenüber dem Stationspersonal. „Weil ich auch Moslem bin, hat er irgendwann mit mir gesprochen“, erinnert sich Ramadan. Der Patient meinte, Probleme mit Gott zu haben, und wollte deswegen sterben. „Ich konnte das Personal zum Glück rechtzeitig warnen.“ Solche Erkenntnisse sind wichtig für das gesamte Team der Station. Deshalb sitzt Ramadan inzwischen regelmäßig am Stationscomputer und dokumentiert seine Eindrücke.
330 patienten stationär
Im LWL-Zentrum sind derzeit knapp 330 Patientinnen und Patienten stationär untergebracht, davon haben 40 Prozent einen Migrationshintergrund.
Auf der Aufnahmestation macht das Modell Ramadan bereits Schule: Anfang November wurde ein weiterer ehemaliger Flüchtling als Pflege-Assistent eingestellt.
„Wie es aussieht, ist Herr Ramadan ein Naturtalent im Umgang mit psychisch kranken Menschen“, sagt Pflegedirektor Sternberg. „Deshalb haben wir ihm auch nahe gelegt, eine berufsbegleitende Ausbildung zum im Pflege- und Erziehungsbereich zu machen.“ Ein Angebot zur Weiterqualifizierung, das allen Pflege-Assistenten des Eickelborner LWL-Zentrums offen steht, wenn sie sich mit dem Maßregelvollzug vertraut gemacht haben.
Ramadan selber hat das Angebot vorerst abgelehnt. Er will erst genug Geld verdienen, um seine Mutter für einen Besuch nach Deutschland zu holen. „Seit über zehn Jahren habe ich meine Mutter nicht gesehen. Mein Sohn soll endlich seine Großmutter kennenlernen“, betont er.