Warstein. . Die Sondierungsgespräche zur Jamaika-Koalition sind gescheitert. Wieso Bundestagsabgeordnete aus dem Kreis Soest Neuwahlen für gefährlich halten.
- CDU: „Sie wollen ihre Verantwortung nicht wahrnehmen“
- FDP: „„Die Entscheidung war konsequent“
- SPD: „Gespräche sind nie verkehrt“
Die Deutsche Bundesrepublik ist in einer historisch einzigartigen Situation. Die heimischen Politiker versuchen noch, die neue Situation einzuschätzen.
CDU
Hans-Jürgen Thies, Bundestagsabgeordneter der CDU, sitzt im Zug auf dem Weg nach Berlin. Dass die Gespräche für eine Jamaika-Koalition nicht gefruchtet haben, scheint ihn traurig zu machen. „Es ist sehr schade. Man war auf der Zielgeraden und Jamaika wäre ein interessantes Projekt gewesen.“ Er bedauert gegenüber der WESTFALENPOST, dass die FDP die Gespräche abgebrochen habe. „So kurz vor dem Ziel die Nerven zu verlieren... Oder es war taktisches Kalkül. Beides ist kaum entschuldbar“, sagt er.
Für wahrscheinlich hält Hans-Jürgen Thies allerdings, dass die FDP vorneherein auf die Opposition geschielt habe. „Sie wollen ihre Verantwortung nicht wahrnehmen. Sie fühlen sich in der Oppositionsrolle vielleicht wohler und wollten nicht aus dem Stand heraus regieren. Ich kenne die einzelnen Gründe nicht.“ Der CDU-Politiker springt der FDP indes in einem Punkt bei: „Es herrschte ein gewisses Misstrauen bei den Verhandlungen. Wenn die Grünen schon von vorneherein darauf bestehen, alles schriftlich festzuhalten was besprochen und entschlossen wird und dass alles, was nicht verschriftlicht wurde, nicht relevant ist, kann man von einem gewissen Argwohn sprechen.“ Die Rolle von Angela Merkel in den Sondierungsgesprächen hält Hans-Jürgen Thies für richtig. „Sie hat gut daran getan, nicht mit der Faust auf den Tisch zu hauen.“
Kleinere Parteien hätten mit öffentlichen Statements Öl ins Feuer gegossen. Dass die CDU sich weitestgehend nicht in der Öffentlichkeit äußerte begrüßt der Soester Politiker. Trotzdem sieht er wohl auch, dass „das Schicksal Merkels am seidenen Faden hängt“. Neuwahlen könnten die AfD erstarken lassen, die CDU brauche eine starke Mehrheit. „Noch ist nichts sicher, aber ich gehe zu 70 Prozent davon aus, dass es Neuwahlen geben wird. Das wird die Wähler zu Recht stinksauer machen.“
FDP
Christof Rasche, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion in NRW, steht hinter der Entscheidung seines Parteikollegen Lindner: „Die Entscheidung war konsequent und zeigt, dass die Freien Demokraten zu ihren Überzeugungen stehen. Bei wichtigen Fragen wie dem Abbau des Solidaritätszuschlags gab es keine tragfähige Kompromisslinie. Nach wochenlanger Verhandlung dem Wahlprogramm der CDU in Fragen des Soli zuzustimmen, entspricht jedenfalls nicht unserer Vorstellung von Kompromiss.“
Die Hauptschuld für das Scheitern der Sondierungsgespräche sieht der Erwitter jedenfalls nicht bei der FDP, sondern bei der CDU um Angela Merkel: „Die Wähler haben der Union am Wahlabend den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Die Kanzlerin hätte die Partner zusammenführen müssen. Stattdessen gab es offensichtlich bereits eine informelle Koalition zwischen Union und Grünen. Vieles, was bis zum Sonntagabend bereits Konsens war, wurde wieder aufgekündigt.“
Dennoch hält Rasche Neuwahlen für „nicht wahrscheinlich“ – und bezieht sich auf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der am Montagnachmittag nochmal an alle Parteien appellierte. „Ich sehe die SPD in der Pflicht, in Verhandlungen zu gehen. Die FDP wird ihre Aufgaben im Bundestag gewissenhaft erfüllen. Der Ball liegt im Spielfeld der Bundeskanzlerin.“
SPD
„Die FDP hat nicht planlos gehandelt“, sagt Wolfgang Hellmich, Bundestagsabgeordneter der SPD, „sie entwickelt sich zu einer Klientel- und Elitepartei.“ Dank der FDP sei die Bundesrepublik Deutschland in einer historisch einzigartigen Situation. Schon der Ausgang der Wahl sei eine neue Situation für die Politik gewesen. „Eine Wahl ohne klare Mehrheit. Damit müssen wir lernen, umzugehen.“
Auch jetzt will Wolfgang Hellmich keine klare Antwort auf die ganzen Wenn- und Hätte-Fragen geben. „Die Kanzlerin spricht heute mit dem Bundespräsidenten. Der Ball liegt nun in seinem Feld, etwas platt ausgedrückt.“ Nur wenige Stunden nach diesem Satz kündigt Walter Steinmeier an, Gespräche mit den Parteivorsitzenden zu führen. Wolfgang Hellmich sieht eine Große Koalition nicht per se kritisch: „Gespräche sind nie verkehrt. Allerdings sind wir uns eben auch einig, dass das nicht unter Angela Merkel passieren wird.“ Neuwahlen hält Wolfgang Hellmich allerdings für gefährlich – die „Ultima Ratio“. „Neuwahlen dürfen nur dann anberaumt werden, wenn nichts mehr geht. Wenn wir den Auftrag an die Wähler zurückgeben müssen, weil nichts mehr geht. Soweit sind wir noch nicht.“
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