Paderborn.. Auftakt im Mordprozess gegen Wilfried und Angelika W. Staatsanwalt schildert Qualen, die die Wickederin Susanne F. bis zu ihrem Tod ertragen musste.
Vor dem Paderborner Schwurgericht ist am Mittwoch der Prozess gegen Wilfried W. (46) und seine Ex-Frau Angelika W. (47) gestartet. Dem Paar wird Mord durch Unterlassen vorgeworfen. Gemeinsam sollen sie in einem Haus in Höxter zwei Frauen so schwer misshandelt haben, dass sie starben. Eines der Opfer war Susanne F. (42), die in Wickede aufgewachsen ist.
Zunächst betritt Angelika W. die Anklagebank. Sie verbirgt ihren Kopf hinter einem rosafarbenen Aktendeckel. Die Hand zittert. Einige Minuten später folgt Wilfried W. Das Kameraklicken schwillt an. Der Mann mit dem grauen Stoppelbart und der schwarzen Brille scheint nicht nur für die Fotografen eine besondere Rolle zu spielen. Die Köpfe im Publikum verrenken sich. Wie sieht ein Mann aus, dem vorgeworfen wird, Frauen zu Tode gequält zu haben? Der Angeklagte schaut direkt in die Kameralinsen, dreht seinen Kopf langsam, nickt immer wieder. Er scheint die Aufmerksamkeit zu genießen. Reden wird er nicht. Sein Verteidiger Detlev Binder kündigt jedoch eine schriftliche Einlassung an. Bislang hatte er alle Schuld von sich gewiesen und seine Ex-Frau beschuldigt.
Große Liebe vorgespielt
Seit sechs Monaten berichten die Medien über das Horrorhaus in Höxter-Bosseborn. Befragten Nachbarn, besuchten Schauplätze. Am Mittwochmorgen senden die Fernsehteams ab 7 Uhr live aus Paderborn. Doch zu Lebzeiten interessierten sich wenige für die Opfer. Dafür hatte das mutmaßliche Folterpaar bei der Auswahl gesorgt: Sie suchten gezielt sozial isolierte Frauen, die empfänglich sind für Aufmerksamkeit. Für die große Liebe, die Wilfried W. ihnen vorspielte. Oberstaatsanwalt Ralf Meyer beschreibt in seiner Anklage wie der Beschuldigte vorgab, jemanden für eine Liebesbeziehung zu suchen. „Das Ziel war es, die Frauen durch psychischen Druck und Gewalt zu unterwerfen.“ Meyer spricht von „Leibeigenen“.
Medienrummel beim Prozessauftakt in Paderborn
In der St.-Antonius-Kirche in Wickede liegt ein Buch, in das Gemeindemitglieder Gebete schreiben. Eine Oma bittet dort, dass ihre Enkelin Ann-Kathrin die Prüfungen schafft. Ende April hielt der Vikar in dieser Kirche eine Trauerfeier für Susanne F. In ihrem Heimatort Wickede-Wiehagen ist sie unter ihrem Mädchennamen bekannt. Dort ging sie zur Schule und heiratete. Das Paar bekam ein Kind. Die Ehe zerbrach, Susanne F. zog um. Vor ihrem Tod lebte sie in Bad Gandersheim. Klassenkameraden beschreiben sie als ruhig und „irgendwie eigenartig“. In der Trauerrede beschrieb der Vikar ihr Leben wie eine Suche. Im Frühjahr 2016 antwortet die Susanne F. auf Wilfried W.s Anzeige.
Frauen nackt an Heizkörper gefesselt
Oberstaatsanwalt Meyer beschreibt, wie die Frauen nackt an Heizkörper gefesselt wurden, später auch in der Badewanne im Keller. Die Täter rissen Susanne F. die Haare büschelweise aus. Traten sie. Schlugen sie. Würgten sie. Anika W. wurde gezwungen „den Urin des Angeklagten zu trinken“. Den Menschen im Publikum schaudert es. Wilfried W. schüttelt den Kopf.
Anika W. starb im August 2014 an den Folgen einer Schädelverletzung. Sie war geschwächt auf den Kopf gefallen. Meyer: „Die Beschuldigten haben ein krachendes Geräusch wahrgenommen.“ Aber nichts zur Rettung unternommen. Ihre Leiche wurde nicht gefunden.
Susanne F. starb an Hirnblutungen, sie war entkräftet gegen einen Küchenschrank gestürzt. Ihr Tod brachte zutage, was jahrelang hinter den Mauern des Hauses geschah. Weil das Opfer im Sterben lag, wollte das Paar sie in ihre Wohnung nach Bad Gandersheim fahren. Allerdings blieb der Corsa unterwegs mit einer Panne liegen. Susanne F. erlag ihren Verletzungen in einem Krankenhaus.
Angeklagter kaut an seiner Unterlippe
Während das Publikum eher fassungslos zuhört, regt sich Wilfried W. kaum. Er kaut auf seiner Unterlippe und schüttelt zweimal leicht den Kopf. Die Angeklagte mit der fransigen Ponyfrisur schaut immer wieder ruhig von links nach rechts. Verfolgt das Geschehen vor Gericht mit fast kindlicher Neugier. Richter Bernd Emminghaus verspricht ihr, dass sich das Gericht nicht von den Medien beeinflussen lässt. Dort werde sie als „Hexe“ bezeichnet, es ist vom „Folterpaar“ die Rede. Sie sagte bereits umfassend aus, auch über die Qualen, die Wilfried W. ihr zugefügt haben soll.