Paderborn/Wickede. Auftakt im Verfahren gegen Wilfried W. und Angelika W. Staatsanwaltschaft nennt bei der Anklageverlesung grausame Details.

  • Anklage im Prozess um "Horror-Haus von Höxter" schildert grausame Details
  • 46-Jähriger und seine Ex-Frau sollen Frauen mit Kontaktanzeigen angelockt haben
  • Opfer wurden gedemütigt und gequält – zwei von ihnen starben an den Misshandlungen

Vor den Paderborner Landgericht ist am Morgen der Prozess gegen Wilfried W. und seine Ex-Frau Angelika W. gestartet. Dem Paar wird Mord durch Unterlassen vorgeworfen. Gemeinsam sollen sie in ihrem Haus in Höxter-Bosseborn zwei Frauen so schwer misshandelt haben, dass beide starben. Eines der Opfer war die in Wickede aufgewachsene Susanne F. (41). Bei der Anklageverlesung wurden grausame Details bekannt.

Riesiges Medieninteresse

Das Medienaufkommen an diesem grauen Morgen ist gewaltig. Alle Fernsehsender des Landes schickten ihre Kamerateams, der Saal 205 ist proppenvoll, Journalisten und Publikum verfolgen die Verhandlung teilweise im Stehen. Die Aufmerksamkeit ist groß, weil das Geschehene so unfassbar ist. Das Paar soll zwei Frauen unter niedrigen Beweggründen, grausam getötet und weitere schwer misshandelt haben.

Zunächst betritt Angelika W. die Anklagebank. Sie verbirgt ihren Kopf hinter einem rosafarbenen Aktendeckel. Die Hand zittert. Einige Minuten später kommt Wilfried W. Das Kameraklicken schwillt an. Der Mann mit dem grauen Vollbart, der schwarzen Brille und dem grauen Strickpullover scheint - zumindest für die Fotografen - die Hauptperson zu sein. Die Köpfe im Publikum verrenken sich. Wie sieht ein Mann aus, dem solche Taten vorgeworfen werden? Der Angeklagte schaut direkt in die Kameralinsen, dreht seinen Kopf von links nach rechts, nickt immer wieder. Er scheint die Aufmerksamkeit zu genießen. Aussagen wird er im Prozess nicht. Sein Verteidiger Detlev Binde kündigt eine schriftliche Einlassung an.

Für die Opfer interessierten sich zu Lebzeiten wenige. Dafür hatte das vermeintliche Folterpaar bereits bei seiner Rekrutierung gesorgt: sozial isolierte Frauen, die empfänglich sind für Aufmerksamkeit. Oberstaatsanwalt Ralf Meyer beschreibt in seiner Anklage die bewusste Auswahl. Das Paar schaltete Kontaktanzeigen im Internet, in der Wilfried W. eine Partnerin für eine heterosexuelle Beziehung suchte. Das eigentliche Ziel sei jedoch gewesen, die Frau durch psychischen Druck und Gewalt zu unterwerfen. Meyer benutzt mehrfach das Wort Leibeigene. Auf die Anzeigen meldeten sich erst Anika W. (33) und nach deren Tod später auch Susanne F.

Tod in Folge einer Schädelverletzung

Anika W. aus Uslar starb im August 2014 an den Folgen einer Schädelverletzung. Sie war nach mehrmonatigen Qualen schwer auf den Hinterkopf gestürzt. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Sie soll zerstückelt und im Kamin verbrannt worden sein. Das Paar hatte die Frau unter anderem in einer Badewanne im Keller auf dem Bauch gefesselt. Angelika W. soll sie mit heißem Wasser verbrüht haben, büschelweise Haare ausgerissen haben, Wilfried W. soll sie gezwungen haben, seinen Urin zu trinken. Ziel war laut Anklage die vollständige Unterwerfung. Susanne F. starb am 22. April 2016 ebenfalls an Hirnblutungen, sie war entkräftet gegen einen Küchenschrank gestürzt. Ihr Tod brachte zutage, was jahrelang hinter den Mauern des Hauses geschah.

Medienrummel zum Prozessauftakt in Paderborn

Geholfen wurde den Frauen nicht, obwohl den Angeklagten bewusst gewesen sein muss, dass sie in Lebensgefahr schwebten, so Meyer. Oberstaatsanwalt Meyer bezieht sich in seiner Anklage auch auf das psychiatrische Gutachten Wilfried W.s, das aufgrund seiner sadistischen Neigungen zur Sicherungsverwahrung rate. Weitere Frauen wurden misshandelt, konnten aber entkommen. Insgesamt gehen die Ermittler von acht Opfern aus.

Angeklagter kaut auf seiner Unterlippe

Während das Publikum eher fassungslos zuhört, regt sich Wilfried W. kaum. Er kaut auf seiner Unterlippe und schüttelt zweimal leicht den Kopf. Die Angeklagte mit der fransigen Ponyfrisur schaut immer wieder ruhig von links nach rechts. Verfolgt das Geschehen vor Gericht mit fast kindlicher Neugier. Richter Bernd Emminghaus verspricht ihr, dass sich das Gericht nicht von den Medien beeinflussen lasse. Dort werde sie als Hexe bezeichnet, es ist vom Horrorhaus die Rede und vom Folterpaar. Sie sagte bereits umfassend aus, auch über die Qualen, die Wilfried W. ihr zugefügt haben soll.

Fortsetzung im November

Die Verhandlung wird am 16. November fortgesetzt und soll bis März dauern. Insgesamt sind 48 Zeugen geladen, sieben Sachverständige sagen aus.