Hirschberg/Nakkila. . Für Svenja Fischer ging es nach dem Abitur in Warstein hoch hinauf in den Norden: Ein Jahr lang lebt und arbeitet die Hirschbergerin in Finnland.
- Abiturientin betreut einen schwerz erziehbaren Jugendlichen
- Eigene Wohnung im umgebauten Stall mit Blick ins Hühnergehege
- Autofahren ist in Finnland gewöhnungsbedürftig
Nun bin ich mittlerweile seit einem Monat in Finnland, um hier auf einem Hof auffällig gewordene Jugendliche aus Deutschland zu betreuen – und ich konnte schon viel über mich selber herausfinden und lernen. Ein Rückblick auf die ersten Tage.
Ich bin an meinem Ankunftstag in Nakkila sehr herzlich empfangen worden von meinen Gasteltern, deren Tochter, meiner Mitfreiwilligen und dem zu betreuenden Jugendlichen. Die andere Freiwillige und ich wohnen im renovierten Stallgebäude und haben einen direkten Ausblick ins Schaf- bzw. Hühnergehege.
Anfangs gereizte Situationen
Es sind alle sehr lieb zu mir, aber gerade die ersten Wochen hier sind schwierig, weil man sich selbstverständlich erst mal kennen lernen und aneinander gewöhnen muss. In manchen Punkten kommt es da mal schnell zu gereizten Situationen, die aber mittlerweile nicht mehr so häufig eintreten, da man sein Gegenüber besser einschätzen und verstehen kann.
Mein Tag beginnt jeden Morgen mit dem Stall: Die andere Freiwillige und ich füttern die Hühner und Schafe und nach einem Frühstück in unseren eigenen Räumen starten wir mit dem Rest der Familie mit einem kleinen Morgenkreis in den Tag. Den Morgenkreis kann man sich als eine Reihe von simplen Übungen vorstellen, die mal förderlich für die Konzentration auf den eigenen Körper sind oder für die Koordinationsfähigkeit zum Beispiel. Anschließend besprechen wir, wie jeder seinen Tag gestaltet und was genau zu erledigen ist – wer mit Kochen dran ist und all so etwas.
Die Therapie mit dem Jugendlichen besteht im Wesentlichen „nur“ daraus, dass er mit uns zusammenlebt und so gut es geht in den Alltag miteinbezogen wird, damit er lernt, sich anders zu verhalten und sich mit seinen Problemen quasi unterbewusst auseinanderzusetzen. Wir machen deshalb häufig etwas mit ihm alleine, um die individuelle Beziehung zu ihm zu fördern und damit er sich nicht auf zu viele Personen gleichzeitig konzentrieren muss, da er dadurch schnell überfordert sein kann.
Wir im Gegenzug dienen deshalb als Vorbilder und das ist manchmal gar nicht so einfach, wie es sich anhört – man muss ständig darauf achten, was man sagt und tut, weil viele (für uns) selbstverständliche Dinge verschiedene Reaktionen bei dem Jugendlichen auslösen können, ohne dass man das vorher weiß.
Ich entwickele also langsam aber sicher eine feine Antenne für die Gefühle und Gedanken anderer, aber auch einen besseren Blick für meine Verhaltensweisen, die man auf den anderen anpassen muss. Das kann wie gesagt manchmal sehr anstrengend und auch hart sein, weil man natürlich bestimmte Dinge trotzdem weiterhin so machen will wie vorher, welche aber für den Jugendlichen nicht immer nachvollziehbar und deshalb problematisch sein können. Naja, aber da schlägt man sich durch und lernt jeden Tag ein bisschen mehr.
Ärger beim Autofahren
Ansonsten habe ich auch schon einige Unterschiede zwischen den Finnen und den Deutschen feststellen können: So wie die Autos in Los Angeles auf die Einwohner verteilt sind, sind die Saunen auf die finnische Bevölkerung aufgeteilt.
Ganz egal, wie arm oder reich du bist, jeder Haushalt hat mindestens eine Sauna (wir haben hier zwei und obwohl ich vorher echt kein Fan vom Saunieren war, lerne ich es gerade jetzt, wenn es kälter wird, zu schätzen) und es ist auch sehr gewöhnlich, mit Freunden zusammen zu saunieren. Außerdem blinken die Finnen nicht gerne, wenn sie aus dem Kreisverkehr fahren wollen, worüber ich mich in den paar Tagen, die ich hier selber schon Auto gefahren bin, mehr als einmal geärgert habe.
Leider habe ich noch nicht allzu viele Einheimische kennenlernen können, aber ich kann vom Gehörten sagen, dass die Finnen zwar zu Beginn sehr verschlossen sind, jedoch äußerst hilfsbereit und freundlich sind.
Durch den Sprachkurs in Pori (etwa 20 Kilometer von Nakkila entfernt) kann ich nun auch schon ein bisschen Smalltalk auf Finnisch halten – wenn auch die Aussprache manchmal noch etwas kompliziert ist, dank der vielen Ös, Äs und Üs in der Sprache, aber auch das wird wohl mit der Zeit besser werden.