Werl. . In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl werden ab dem kommenden Monat alle nordrhein-westfälischen Sicherungsverwahrten untergebracht sein. Der Neubau des Wohnheims für Sicherungs­verwahrte ist soeben fertiggestellt worden. Er bietet Platz für 140 ­Männer, die zwar ihre Haftstrafe verbüßt haben, aber nach wie vor von Gutachtern als gefährlich eingestuft werden.

  • Alle NRW-Sicherungsverwahrte künftig in Werl
  • Neues Wohnheim fertiggestellt
  • 140 Zimmer mit einer Größe von 20 Quadratmetern
  • Alle NRW-Sicherungsverwahrte künftig in Werl
  • Neues Wohnheim fertiggestellt
  • 140 Zimmer mit einer Größe von 20 Quadratmetern

Der Mann in dem beigefarbenen Pullover lässt die Reporter in sein Zimmer. Es sieht gemütlich aus in dem 20 Quadratmeter großen Raum mit Sesseln, Tisch, Bett, Schrank, Regalen, Fernseher, Dusche, WC und einer Kochnische, auch wenn er erst seit zwei Wochen im Haus IV B3 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl lebt. Der 47-Jährige ist von seiner bisherigen Bleibe in das acht bis zehn Gehminuten entfernte neue Wohnheim für Sicherungsverwahrte umgezogen. „Hier ist es viel angenehmer. Alleine schon die eigene Dusche“, sagt der Mann, der seine Haftstrafe verbüßt hat, aber weiter als gefährlich gilt und zum Schutz der Allgemeinheit eingesperrt bleibt.

Ab dem kommenden Monat werden in der JVA Werl sämtliche Sicherungsverwahrte in NRW wohnen. Zu den mehr als 50 Männern, die bereits hinter den Mauern leben, gesellen sich die Sicherungsverwahrten aus Aachen. 140 Zimmer wurden per Neubau geschaffen, 105 werden zunächst bezogen.

„Wir sprechen von einem Wohnheim mit Zimmern, nicht von einem Gefangenen-Trakt mit Hafträumen“, betont JVA-Leiterin Maria Look. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2011 eine Neuordnung verfügt: Sicherungsverwahrte dürften nicht wie Häftlinge eingesperrt werden.

Zwischen 35 und 75 Jahre alt

Maria Look und ihr Stellvertreter Andreas Jellentrup, gleichzeitig Leiter des neuen Wohnheims, kennen die bisweilen geäußerten Ansichten: Menschen, die eine schwere Straftat begangen haben, wohnen in einem größeren Raum als viele Studenten. „Aber Studenten können jederzeit vor die Tür“, begegnet Maria Look dem. Und: „Man darf nicht vergessen, dass Sicherungsverwahrte letztlich nicht wissen, wann sie jemals die JVA verlassen können.“ Und das erst nach einer intensiven Begutachtung.

Die Werler Sicherungsverwahrten (zwischen 35 und 75 Jahren alt) können sich außerhalb der Nachtruhe (21.30 bis 6 Uhr, während dieser Zeit wird das Zimmer von außen abgeschlossen) in einem begrenzten Raum frei bewegen.

Viele Hinweisschilder nötig

Die Begrenzung spüren die Reporter auf jedem Gang. Immer wieder müssen Maria Look und Andreas Jellentrup Türen zu den vielen langen Gängen mit ihren Schlüsseln aufschließen. Ohne die Schilder, die darauf hinweisen, in welchem Komplex man sich befindet, irrte man orientierungslos umher. Lange Gänge verbinden auch die weiteren Komplexe des 99-Millionen-Neubaus: Gesundheits- und Besucherzentrum, Werkhalle, Pforte.

Der Bewohner in dem beigefarbenen Pullover schaut das Programm eines Nachrichtensenders. Einen Computer besitzt er nicht - Internet ist auch für Sicherungsverwahrte tabu. Das Telefon ist nur für wenige Nummern freigeschaltet.

Die Herdplatten in der Kochnische hat der 47-Jährige noch nicht benutzt. „Ich mag es nicht, wenn es im Zimmer nach Essen riecht“, sagt er und greift einen Grundgedanken des Wohnheims auf: Man pflegt ein Zusammenleben. „Ich halte mich gerne mit anderen in der Gemeinschaftsküche auf.“

Auch wenn Sicherungsverwahrte nicht arbeiten müssen, sind zwei Drittel von ihnen in der JVA-Bäckerei, in der Schreinerei, Küche oder Schlosserei aktiv. „So geht der Tag besser um“, sagt Maria Look, „und sie haben einen geregelten Ablauf.“

Ein Umzug - und sei es nur einer auf einer Distanz von acht bis zehn Gehminuten - ist für einen Menschen, der seit vielen Jahren hinter Gittern lebt, ein Einschnitt. „Bei einigen spürt man Angst vor Veränderung“, sagt Andreas Jellentrup, „andere finden es spannend und haben hohe Erwartungen.“ Es tut sich etwas in ihrem Leben - ein wichtiges Gefühl für Menschen, die keine konkrete Perspektive auf Entlassung haben.

Die Gemeinschaftsräume im neuen Wohnheim sind mit großen Scheiben ausgestattet worden. Bei guter Sicht ist ein weiter Blick über den Höhenzug am Haarstrang bis ins Sauerland möglich. Ein Hauch von Freiheit - der sich auch in den Innenhöfen der Neubauten einstellen soll. „Die Bewohner können jederzeit auf das Freigelände“, sagt JVA-Vize Jellentrup. Zu sehen sind ein Basketballfeld, eine Tischtennisplatte, eine Boulebahn, Bänke, Beete zur Bewirtschaftung. „Wir bemerken noch eine gewisse Zurückhaltung beim Gang nach draußen.“

Die Bürger von Werl sind grundsätzlich der JVA positiv gegenüber eingestellt. Dass in Kürze alle NRW-Sicherungsverwahrten hier untergebracht sind, hat einige nachdenklich gemacht. „Die Sorge, dass Sicherungsverwahrte nach einer Entlassung in Werl bleiben, kann ich nehmen“, sagt Anstaltsleiterin Maria Look, „die Menschen gehen in der Regel dorthin, wo sich vor der Haft ihr Leben abspielte.“