Soest/Werl. Zwischen Feuerwehr und Straßen NRW gab es Verstimmungen wegen organisatorischer Fehler. Das eigentliche Problem: Unverantwortliche Verkehrsteilnehmer.

Fehlende Absprachen mit dem Landesbetrieb StraßenNRW, die Insolvenz der ausführenden Baufirma – und unverantwortliches Verhalten von Verkehrsteilnehmern: Nach dem schweren Unfall auf der A44 bei Werl hatten Feuerwehr und Rettungskräfte am Montagmorgen Probleme, zur Unglücksstelle zu gelangen. Karsten Korte, Leiter der Werler Feuerwehr: „Das Verhalten einiger Verkehrsteilnehmer war erschreckend.“ Er und seine Leute beobachten schon länger Fehlverhalten bei Unfällen.

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Was war passiert? Die Passage zwischen Werl und Soest ist ein Nadelöhr. Auf mehreren Kilometern werden vier Fahrspuren über die beiden Spuren der Strecke Soest-Werl geleitet, einen Standstreifen gibt es nicht, die Bildung einer Rettungsgasse ist schwer, zugegeben. Auch bei kleinen Unfällen entsteht sofort ein Stau. Ein Lastwagen hatte die provisorische Mittelleitplanke am Montagmorgen durchbrochen und war in den Gegenverkehr gerast. Mehrere Personen wurden schwer verletzt.

Baufirma pleite, keine Absprachen mit dem Landesbetrieb

Grundsätzliche Regelung in solchen Situationen: Ist eine Fahrbahn wegen Bauarbeiten gesperrt, muss die Baufirma garantieren, dass Rettungsfahrzeuge jederzeit durch die Baustelle fahren können. Es wird abschnittsweise gebaut; erst die rechte, dann die linke Fahrspur. Schwere Baumaschinen dürfen auch nachts nicht im Weg herumstehen. Korte: „Wir können auch auf aufgefräster Straße fahren.“ Leicht heraustrennbare Teile der Mittelleitplanke in bestimmten Abständen erleichtern Rettern den Weg zum Unglücksort.

Über all das gab es keine Absprachen – oder Ansprechpartner. Die Baufirma ist pleite, StraßenNRW hatte seit der Einrichtung der Baustelle im Mai keine weiteren Absprachen mit Einsatzkräften getroffen. Der Landesbetrieb hingegen ging davon aus, dass die seit Monaten bestehende Regelung weiter gültig ist. "Wir werden das auf fachlicher Ebene klären", bekräftigt Straßen.NRW-Sprecher Bernd Löchter.

Unglückliche Zufälle? - Feuerwehr fehlten Ansprechpartner 

Die Werler Wehr hatte noch vergleichsweise wenig Probleme, zum Unglücksort zu gelangen. Wie die Situation vor Ort aussehen würde, war ihnen nicht bekannt - denn es fehlten laut Korte die Ansprechpartner bei Baufirma und Landesbetrieb, die die Lage vor Ort kennen oder sich auf das Nahen der Einsatzfahrzeuge vorbereiten können.

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„Wir fühlten uns alleingelassen“, sagt Korte. Im Normalfall fährt zunächst ein Löschzug zur Unglücksstelle. In diesem Fall mobilisierte die Feuerwehr erheblich mehr - weil sie nicht wusste, wie sie angesichts des Staus die Verletzten erreichen können. „Damit geben wir aber den Grundschutz in anderen Teilen des Kreises auf“, sagt der Wehrleiter. Glück gehabt: In der Zwischenzeit ist nichts passiert. Feuerwehr und Sanitäter hätten im Stau gestanden.

Konstruktive Gespräche mit Straßen.NRW

Inzwischen sei man aber in konstruktiven Gesprächen mit Straßen.NRW. Es habe sich wohl um eine unglückliche Konstellation von Zufällen gehandelt. Mit den Kollegen der Soester Feuerwehr habe man sich bereits darauf geeinigt, dass grundsätzlich beide Wehren alarmiert werden, egal in welche Fahrtrichtung ein Unfall passiert.

Keine Rettungsgasse - "Die Leute gucken nur noch" 

Das viel gravierendere Problem: Vor dem Unfallort bilden die Fahrer keine Rettungsgasse, Familien vertreten sich auf der Fahrbahn die Beine. „Wenn wir mit unseren Fahrzeugen kommen und erstmal einen Lastwagenfahrer suchen müssen, der dann einsteigen und irgendwie sein Fahrzeug an die Seite fahren muss...“ - Korte fehlt das Verständnis.

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„Man lernt doch in der Fahrschule, dass man sofort eine Rettungsgasse bildet.“ Er könne ja nachvollziehen, dass man sich bei einem langen Stau die Beine vertreten will – aber doch bitte nicht auf der Fahrbahn. „Es gab anfangs sogar eine Gasse, aber als die ersten Fahrzeuge durch waren, haben die Leute die wieder zugefahren“, ärgert sich Korte. Einsatzkräfte, die wenige Minuten später eintrafen, blieben stecken.

Und dann die Gaffer. „Einer zückte gleich sein Handy“, sagt Korte. Eltern kommen mit ihren Kindern zur Unfallstelle vor. „Ich kann das nicht verstehen“, sagt er. „Denen ist anscheinend nicht bewusst, wie Kinder solche unschönen Szenen verarbeiten.“ Die Einsatzkräfte sprechen die Leute direkt an, viele wissen nicht, was sie sagen sollen.

Helfen, auch wenn es Überwindung kostet

Ein Ersthelfer gibt an, dass er seinen Bekannten zeigen wollte, was er gerade tue. „Man sollte sich vorstellen: Wenn ich mit meiner Familie im Unfallauto sitze und um Hilfe rufe – und die Leute stehen rum und filmen.“ Stattdessen: helfen. Auch wenn es Überwindung kostet. „Es reicht oft schon, wenn man sich daneben setzt und mit den Leuten redet“, sagt Korte, falsch machen könne man eigentlich gar nichts. „Wir erleben das leider immer mehr: Dass die Leute nur noch gucken.“