Sundern. . 44 Kinder und Betreuer aus dem Kreis Steinfurt, die im Zeltlager der Christlichen Arbeiterjugend waren, sind mit Verdacht auf eine Infektion mit dem Noro-Virus ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Schützenhalle, in der sie die Freizeit verbrachten, muss dekontaminiert werden.

Großalarm im Sunderner Ortsteil Westenfeld am Samstag: Ärzte, Sanitäter, Feuerwehrleute in blauen Schutzanzügen und mit Schutzmasken auf dem Vorplatz der St.-Agatha-Schützenhalle. ­Eiligst, aber mit großer Präzision aufgebaute Zelte, die als Dekontaminierungsschleuse den konstruierten Schauplätzen amerikanischer Katastrophenfilme ähneln. Polizei-Absperrungen in einem großen Radius um die kontaminierte Halle – Durchfahrt nur noch für Einsatzkräfte. Das Theorie-Szenario eines Massenanfalls von Verletzten und Erkrankten (MANV), es ist in der Nacht zur rauen und gefährlichen Wirklichkeit geworden.

Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis zwölf Jahren aus Recke im Kreis Steinfurt, sie hatten ihr einwöchiges Zeltlager der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) im Sauerland ausgiebig genossen – bis in der Nacht zu Samstag bei einem erheblichen Teil der Gruppe die ersten Klagen über Erbrechen und Durchfall auftraten. Die Betreuer des insgesamt 80-köpfigen Lagers reagierten instinktiv richtig, riefen per Notruf ärztliche Hilfe herbei. Noch in der Nacht, gegen 1.30 Uhr, lösten die Notärzte dann den Großalarm aus.

Mittlerweile wissen die Erstversorger und das Pflegepersonal in den drei Krankenhäusern in Arnsberg, Hüsten und Meschede, in denen Erkrankte betreut werden: Es ist der Norovirus, der sich im ­Lager offensichtlich rasend schnell ausgebreitet hatte.

Brechdurchfall, in einigen Fällen zudem erhebliche Kreislaufprobleme: Notärzte, Feuerwehr, Polizei, Deutsches Rotes Kreuz, Malteser-Hilfsdienst, Technisches Hilfswerk sowie die Mitarbeiter des Sunderner Baubetriebshofes und des Ordnungsamtes arbeiteten den Notfallplan noch in der Nacht Schritt für Schritt ab: Infusionen wurden in der Schützenhalle für die Erkrankten gelegt, die über erhebliche Kreislaufprobleme klagten; die offensichtlich nicht infizierten Lagerteilnehmer wurden im Pfarrheim untergebracht; Schützenhalle, Vorplatz und das weitere Umfeld wurden abgesperrt, Dekontaminierungsschleusen aufgebaut. Alles mit einem ehrgeizigen Ziel: Vorbereitung der ­Betroffenen auf den geordneten und zügigen Abtransport in Krankenhäuser. „Hier läuft alles sehr besonnen und hoch professionell ab“, bilanzierte der Beigeordnete der Stadt Sundern, Meinolf Kühn.

Strenger Ablaufplan

Die 200 Einsatzkräfte hatten unaufgeregt Hand in Hand ganze Arbeit geleistet. Am Vormittag konnte die endgültige Evakuierung des Lagers zur Versorgung der Erkrankten in umliegenden Hospitälern in Angriff genommen werden: Zwischen 11 und 14 Uhr wurden Kinder und Betreuer nach strengem Ablaufplan auf das weitere Vorgehen vorbereitet: Dazu wurde jeder Erkrankte zunächst mit einer speziellen Lösung gesäubert, dann ging es in Einmalkleidung in die Krankenwagen.

Unzählige Fahrzeuge standen an der Schützenhalle bereit. Sie ­waren aus dem ganzen Hochsauerlandkreis und dem Kreis Soest in Westenfeld zusammengezogen worden. Weiterer Knackpunkt des Großeinsatzes: Neben der Abservierung der Kleidung ist in einem solchen Fall die Datenaufnahme besonders wichtig.

Besorgte Eltern beruhigt

44 Opfer des Virus’ wurden in die Hospitäler transportiert, 25 weitere Feriengäste aus Recke sind zwar infiziert, zeigten aber nur leichte Symptome. Der Rest der Zeltlager-Teilnehmer wurde als nicht infiziert eingestuft und konnte schnell per Bus die Heimreise antreten.

Eine neue Gruppe, die sich auf die Tour ins Sauerland gefreut hatte, reiste indes gar nicht erst an.

Eine besondere Aufgabe hatte der Hachener Willi Geißler von der Psychosozialen Notfallversorgung zu bewältigen. Er war für die Betreuung der betroffenen Kinder und Betreuer, aber auch der angereisten Eltern im Einsatz – und das schon während der Nachtstunden: „Alles ist im grünen Bereich geblieben“, zog Geißler ein erstes Resümee. Er hatte die besorgten Eltern ob der ungewohnt und bedrohlich anmutenden Kulisse vor allem ­beruhigt: „Es besteht keine Lebensgefahr, Ihrem Kind geht es bald wieder gut.“ Das nahm dem ungewöhnlichen Einsatz weiteren Druck.

Mit den Kollegen im Kreis Steinfurt stehen die Ärzte weiterhin im ständigen Kontakt. Vor allem, um die Heimgereisten zu beobachten, wie Jürgen Uhl als Sprecher des Hochsauerlandkreises betonte. ­Alle Kraft werde über den unwirklichen Samstag von Westenfeld ­hinaus gebündelt im Interesse der Kinder, deren Zeltlager so jäh im Krankenhaus endete.