Weidenau. . Im Rahmen der Vorlesungsreihe „Religion in Kinder- und Jugendliteratur“ sprach die Autorin auch über sensible Thematiken wie den Tod und ihre eigene Kindheit.
Das Leben entschleunigen – das scheint auch in hektischen Zeiten an der Uni Siegen zu funktionieren, wenn die Kinder- und Jugendbuchautorin Jutta Richter aus ihren Büchern vorliest. Zu Gast war die Schriftstellerin in der von der Germanistin Dr. Jana Mikota und der Theologieprofessorin Dr. Mirjam Zimmermann veranstalteten Ringvorlesung „Religion in der Kinder- und Jugendliteratur“. In ihren Büchern, die sich überwiegend durch eine schlichte und gleichzeitig poetische Sprache auszeichnen, spielt Religion eine große Rolle. Schon eingangs betont sie, dass Schutzengel die Geschichten durchziehe, die sie geschrieben habe. In ihrem eindrucksvollen Gedicht „Der Engel der Langsamkeit“, das sie akzentuiert vorträgt, verbindet sie die Gestalt des Schutzengels mit der Zeitthematik. Dahinter steckt nicht nur für Kinder das Plädoyer, alles etwas langsamer und bedächtiger im Leben anzugehen, ohne Eile und Hektik.
Die Thematik
Das Thema Zeit lotet Jutta Richter in sämtlichen Facetten aus und dazu gehört auch die Endlichkeit des Lebens. Ihr sei wichtig, dass sich Kinder mit Sterben und Tod befassen. „Es gibt keine behütete Kindheit. Man muss Kinder fürs Leben stärken. Dazu gehört auch der Tod.“ Die Autorin hält es für wichtig, dass man sehr früh mit solchen Themen konfrontiert werde, damit später im Leben nicht die Gefahr bestünde, daran zu zerbrechen. In ihrem Kinderroman „Hechtsommer“, der unter anderem mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet worden ist, geht es beispielsweise um ein Mädchen, dessen Mutter an Krebs erkrankt.
Die Inspiration
Obwohl sie sich insbesondere als Kinder- und Jugendbuchautorin – nicht zuletzt durch zahlreiche Literaturpreise – einen Namen gemacht hat, erklärt sie, dass sie nicht in erster Linie für Kinder schreibe, sondern vielmehr über Kindheit. Beim Schreiben habe sie stets ihre eigene Kindheit vor Augen und daraus schöpfe sie ihre Geschichten. Eine weitere Quelle ihrer literarischen Arbeit sind biblische Geschichten, auch wenn sie die Bibel für ihr Schreiben nicht heranzieht. „Aber manchmal deckt sich das.“ So echauffiert sich die Autorin zum Beispiel darüber, dass in der Grundschule ihrer Enkeltochter die Kain-und-Abel-Geschichte nicht behandelt wird, da sie laut Lehrpersonen und Eltern zu grausam sei. Aber ihre Zeit sei zu kostbar, um sich mit „Helikopter-Eltern“ zu streiten. „Da setze ich mich lieber hin und schreibe eine Geschichte.“, erklärt sie. Auf die Frage, ob die Geschichte um die Opferung Isaaks für Kinder noch zumutbar sei, reagiert die Schriftstellerin mit einem uneingeschränkten Ja. Kinder können mit dem zornigen Gott im Alten Testament konfrontiert werden, „weil sie doch selbst diese Gefühle haben. Wenn ich als Kind richtig sauer war, dann hätte ich die ganze Welt auslöschen können.“
Dass Kinder mit biblischen Geschichten und Mythen vertraut werden, ist Jutta Richter sehr wichtig. Ihre Intention sei kein uneingeschränktes Plädoyer fürs Christentum, „aber man muss wissen, in welchem Kontext man lebt.“. Vor diesem Hintergrund ist unter anderem der Kinderroman „Der Hund mit dem gelben Herzen oder die Geschichte vom Gegenteil“ entstanden, in dem die Schöpfungsgeschichte narrativ ausgeschmückt wird. Dabei gehe es ihr nicht darum, detailgetreu dem biblischen Mythos zu entsprechen, vielmehr beabsichtige sie, dass Kinder überhaupt diese Geschichten lesen und verstehen. Das Buch erschien 1998 im Hanser-Verlag.