Siegen. . Widersprüche interessieren ihn, außerdem existenzielle Fragen des Menschlichen. Für seine Arbeit erhält Vajiko Chachkhiani am Sonntag den 7. Förderpreis zum Rubenspreis der Stadt Siegen. In seiner Ausstellung „Both“ im Museum für Gegenwartskunst wird schnell klar: Der junge Künstler aus Georgien bekommt die Auszeichnung aus gutem Grund.

Eine Uhr versinkt in einem Betonsockel. Auf einer Schaumstoffmatratze liegen dünne Metallplatten. Ein Rohr, dessen eines Ende durch ein Loch in der Fensterscheibe ins Freie ragt, fängt Regen auf und lässt ihn in eine kleine Betonwanne auf dem Boden fließen. „The sky is slightley dangerous“ – „Der Himmel ist ein bisschen gefährlich“ – hat Vajiko Chachkhiani den sechsten Raum seiner Ausstellung „Both“ im Museum für Gegenwartskunst genannt. Die Installation funktioniert mit ihrem surrealen Charme zwar für sich, verweist aber – wie so vieles im Werk des 1985 in Tiflis geborenen Künstlers – auf etwas anderes, jenseits der Museumsräume.

Widersprüche zusammenführen

„Diese Skulptur ist eine Übersetzung“, sagt Chachkhiani, der am Sonntag den 7. Förderpreis zum Rubenspreis der Stadt Siegen entgegen nehmen wird. Es sei der Versuch, „Poesie in die physische Welt zu übersetzen“, auch wenn sich dies als „unmöglich“ erweise. Autor des Gedichts ist ein Häftling, in Chachkhianis Herkunftsland Georgien zu neun Jahren Haft verurteilt. Der Text ist in den Boden der Betonwanne eingeprägt, außerdem steht er im Begleitkatalog – aber nur im Original, ohne Übersetzung. Wer der georgischen Sprache mächtig ist, könnte also einen Vorteil haben; oder einen Nachteil, weil Phantasie und Assoziationen sich vielleicht nicht mehr so frei von den Elementen in Raum Nummer 6 beflügeln lassen.

Poesie und Beton sind nicht die einzigen vermeintlichen Widersprüche, die der Förderpreisträger mit völliger Natürlichkeit vereint. „Wenn gegensätzliche Elemente aufeinandertreffen, entsteht das Kunstwerk“, sagt der Wahlberliner. Davon zeugt auch der Name der Ausstellung. „Both“ – „Beides“ – stehe für das, „wo es beginnt und wo es endet“. Die Präsentation ist quasi folgerichtig als Rundgang angelegt, der den Besucher durch zehn Räume führt.

Grundfragen des Menschlichen

Dem Künstler geht es nach eigenem Bekunden um „Grundfragen des Menschlichen“, um „existenzielle Fragen“. Die ästhetische Sprache, derer er sich bedient, ist zeitgenössisch; aber nicht auf modische Ex-und-Hop-und-übermorgen-weg-vom-Fenster-Art, sondern mit einer universellen Qualität, die zurückgenommen ist und auf fast archaische Klarheit setzt.

Im „Trade“-Raum etwa stehen, liegen und hängen Dinge, die Chachkhiani von anderen Menschen im Tausch bekommen und dann verändert hat. An der Wand lehnt eine abgenutzte grüne Metalltür aus einem georgischen Gefängnis. Das Guckloch, durch das Wärter die Häftlinge beobachten konnten, hat der Künstler mit Wachs verstopft. Vorn im Raum liegt ein größerer Ast. Bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass der mittlere Teil durch einen Abguss aus Blei ersetzt wurde – geformt aus eingeschmolzenen Gewehrkugeln von Jägern.

Oft kombiniert Chachkhiani das Brachiale, das Triste oder Verstörende mit Elementen wie aus der Welt des Traums. Er haucht Surreales in sein Werk, aber nur, um das Konkrete um so deutlicher herauszuarbeiten. So auch bei „The missing Landscape“, der „fehlenden Landschaft“. In Raum Nummer 5 sind Kiefern aus einem Wald zu sehen, der 2008 während des Kriegs zwischen Russland und Georgien abbrannte. „Der Mensch ist ein gewalttätiges Wesen“, sagt Chachkhiani, „diese Bäume sind ein gutes Beweisstück.“ Der konkrete Konflikt selbst sei dabei nicht so sehr das Problem. „Konflikt liegt in der menschlichen Natur. Das ist das Problem.“