Netphen. .
Sie sind wieder da — auf den ersten Blick. Tatsächlich haben Annette Scholl und Rüdiger Bradtka neue Wahlplakate drucken lassen. Und weil sie die einzigen sind, die am Sonntag um Wählerstimmen kämpfen, schaut das ganze politische Netphen auf das obere Siegtal. Dort, im Wahlbezirk 14, wird die Kommunalwahl vom 25. Mai wiederholt. 1417 Wahlberechtigte werden erneut zur Stimmabgabe aufgerufen.
80 Wähler hatten in Walpersdorf schon ihre Stimmen für das Europäische Parlament, für den Landrat und für den Kreistag abgegeben, bevor dem ersten Stimmberechtigten auffiel, dass er kein Kreuz für einen Stadtverordneten machen durfte. Der Wahlvorstand hatte die Stimmzettel versehentlich nicht ausgepackt. Der Fehler, der sich in einer angeblichen Wahlbeteiligung von nur 39,2 Prozent niederschlug, war auffällig und nicht mehr zu reparieren. Der Rat folgte der Beanstandung durch den Kreiswahlleiter und erklärte die Wahl für ungültig.
Plakate, Handzettel, Hausbesuche — die Wahlkampfmaschine läuft ein zweites Mal. Rüdiger Bradtka (CDU), Ortsbürgermeister in Walpersdorf, hat den Bezirk gegen Annette Scholl (SPD), Ortsbürgermeisterin in Grissenbach, verloren. Beide waren erstmals in dem neu zusammengelegten Bezirk gegeneinander angetreten. 99 Stimmen trennten die beiden voneinander — mehr also als die maximal 80, die schlicht im Koffer geblieben waren.
Früher waren Nenkersdorf und Walpersdorf allein für die CDU so sicher wie Grissenbach für die SPD. „Jetzt erst recht“, ließ Annette Scholl auf ihre Plakate drucken. Rüdiger Bradtka wirbt mit Unterstützern, die an die Bürger appellieren, einen zweiten Stadtverordneten aus dem Siegtal in den Rat zu wählen. Denn Bradtka, der auf der CDU-Reserveliste keinen sicheren Platz hat, kann sein Mandat nur direkt gewinnen. Für Annette Scholl dagegen würde, wenn sie vier Monate später den Wahlbezirk verliert, die SPD-Liste ziehen.
Was nun passiert
Dass die Wahl keineswegs nur im Siegtal registriert wird, hat einen guten Grund: Das Ergebnis kann sich sogar auf die Mehrheiten im Rat auswirken, die mit dem neuen Ergebnis im 14. Bezirk auch neu ermittelt werden. In der zentralen Verwaltung ist eine Vielzahl von Möglichkeiten berechnet worden:
1. Die einfachste Variante: Alles bleibt
An der stadtweiten Stimmenverteilung zwischen den Parteien ändert sich nichts, Annette Scholl (SPD) gewinnt den Bezirk erneut. Dann ist Rüdiger Bradtka (CDU) draußen, alles andere bleibt beim Alten.
2. Die etwas schwierige Variante: Der Bezirk kippt
An der stadtweiten Stimmenverteilung zwischen den Parteien ändert sich nichts, aber Rüdiger Bradtka (CDU) gewinnt den Bezirk. Dann zieht für Annette Scholl (SPD) der Listenplatz, und die CDU tauscht Bradtkas direkt gewonnenen Sitz gegen ein Mandat von der Reserveliste ein. Dann verlieren Sonia Ricciardi-Gronau (SPD) und Benedikt Büdenbender (CDU) ihre Mandate.
3. Die ganz komplizierte Variante: Neue Mehrheit
Die Stimmenverteilung verändert sich. Nur ganz knapp hat die SPD im Mai den 34. und letzten Sitz zugeteilt bekommen. Von einer nur leichten Verschiebung zu Ungunsten der SPD würde zunächst die FDP profitieren: Raimund Arns würde neben Klaus Kopetzki im Rat Platz nehmen dürfen und mit dem dazugewonnenen zweiten Mandat wieder eine Fraktion bilden können. Die Frohnhausenerin Sonia Riccardi-Gronau wäre auf jeden Fall draußen, der Salchendorfer Benedikt Büdenbender vielleicht — das hängt nach wie vor, siehe oben, vom Abschneiden Rüdiger Bradtkas ab. In dieser Variante hätte „Jamaika“ (14 Sitze CDU, 2 Grüne, 2 FDP) die knappe Mehrheit im Rat (35 Sitze einschließlich Bürgermeister) zurückerobert.
Bei zwei Gruppierungen geht es auch ums Geld
Auswirkungen könnte die Wahl für die Finanzen der Fraktionen haben: Verliert die SPD-Fraktion ihren elften Sitz, bekommt ihr Fraktionsvorsitzender nur noch den zweifachen und nicht mehr den dreifachen Satz der monatlichen Aufwandsentschädigung von 263,80 Euro als Zuschlag. Gewinnt die FDP ihren Fraktionsstatus zurück, steht auch deren neuem Fraktionschef der zweifache Satz zu.
Mit der Nachwahl verbunden sind auch die Vorschlagsrechte für das Amt der Ortsbürgermeister. In Walpersdorf und Grissenbach hatten Rüdiger Bradtka und Annette Scholl deutliche Vorsprünge. In Nenkersdorf trennten 47 Stimmen die CDU von der SPD. Die CDU will dort Corie Sting, Vorgängerin von Matthias Merzhäuser, auch zu dessen Nachfolgerin machen. Die SPD will Christina Blank vorschlagen.