Siegen. . Jungs haben es nicht leicht. Wer sich in sozialen Netzwerken erfolgreich präsentieren will, der sollte es als Kerl tun, wie er im Klischee-Bilderbuch steht. Zu diesem Ergebnis kommen Bente Knoll und Bernadette Fitz in einer Untersuchung, die sie bei der zweiten Gender Conference an der Uni Siegen vorstellten. Auch andere Geschlechtsrollen-Stereotype haben online noch nicht ausgedient.

Jungs haben es nicht leicht. Wer sich in sozialen Internet-Netzwerken erfolgreich präsentieren will, der sollte es als Kerl tun, wie er im Klischee-Bilderbuch steht. Zu diesem Ergebnis kommen Bente Knoll und Bernadette Fitz in einer Untersuchung, die sie am Donnerstag bei der zweiten Gender Conference an der Uni Siegen vorstellten. Geschlechter-Stereotype stehen online insgesamt recht hoch im Kurs.

Muskeln ja, Gefühle nein

Die beiden Expertinnen vom „Büro für nachhaltige Kompetenz“ (BNK) in Wien befassten sich in Workshops mit 46 Jugendlichen im Alter von 14 bis 20 Jahren – 25 Jungen, 21 Mädchen. Außerdem gab es Online-Fragebögen. „Mein Ansehen im Netz! Selbstdarstellung und Bild-Management von weiblichen und männlichen Jugendlichen auf Facebook“ ist die Arbeit überschrieben, die sich auch mit dem Phänomen der „Selfies“ beschäftigt: Jener Fotos, die Menschen von sich selbst machen, um sie im Internet zu posten.

Die jederzeitige Verfügbarkeit von Kameras und die Einfachheit digitaler Fotografie sind Voraussetzungen für einen Trend, der sich gerade in der Jugendkultur zu einem Standard ausgebildet hat. Als Fotos noch mit analogen Apparaten geknipst und zur Entwicklung gebracht werden mussten, war die bildliche Selbstdarstellung mit Aufwand verbunden, der im Smartphone-Zeitalter der Vergangenheit angehört.

So schnell und deutlich sich die Technik weiterentwickelt haben mag: Das (Selbst-)Verständnis der Geschlechter scheint vergleichsweise auf der Stelle zu treten. Besonders massiv zeigt sich das bei den Ergebnissen einer Workshop-Übung. Die jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten mit Hilfe von Bildern ein fiktives Facebook-Profil für ein „starkes Mädchen“ und einen „starken Jungen“ erstellen.

Das Resultat: Auf der einen Seite sind selbstbewusste Mädels zu sehen, die in schicker Kleidung der Kamera zugewandt sind, Requisiten hochhalten, persönliche Stärke ausstrahlen. Auf der anderen Seite sind Muskelprotze mit definierten, nackten Oberkörpern versammelt – und Autos. „Mit starken Jungs wurde nur körperliche Stärke assoziiert“, sagt Bente Knoll. „Das hat mit Muskeln zu tun, mit nichts sonst.“

Gleichzeitig seien in der Wahrnehmung der jungen Nutzergruppe textilschwache Bilder von männlichen Jugendlichen als weniger sexuell eingestuft worden als ähnliche Aufnahmen von weiblichen. Jungs dürfen also auf ihren Bildern mehr Haut zeigen – dafür aber weniger Gefühle, zumindest keine negativ belegten wie Traurigkeit. „Alle Jungen sagten uns, sie würden das nie wagen“, betont Knoll. „Das sei undenkbar.“ Mädchen sei dies, ganz klischeekonform, eher gestattet. Wobei auch hier diejenige die Nase vorn hat, deren Bild witzig, freundlich, selbstbewusst und offen wirkt. Als Hauptmerkmal, mit dem ein Profil-Bild punktet, gelte „Authentizität“.

Ausdruck der Zugehörigkeit

Warum Selfies einander oft so sehr ähneln – auch dafür haben die beiden Expertinnen eine Erklärung. Mädchen ziehen derzeit zum Beispiel gern ein „Duckface“: eine Kussmund-Grimasse, die nach Daisy Duck aussieht. Bei Jungs ist der „Poser“ beliebt, wobei sie sich in aus der Mode-Fotografie bekannte Positionen werfen. Solche Trends wechseln in Abständen – und finden deshalb so großen Zuspruch, weil sich damit die Zugehörigkeit zur Gruppe untermauern lässt. Abweichende Ideen bergen das Risiko, als Außenseiter eingeschätzt zu werden.

Knoll und Fitz kommen zu dem Schluss, dass Eltern, Lehrer und andere Bezugspersonen mit den Jugendlichen über die Online-Selbstdarstellung sprechen sollten. Die kritische Auseinandersetzung mit Geschlechtsrollen-Stereotypen sei „dringend geboten“ – und zwar nicht über Facebook oder andere Internet-Plattformen. Sondern ganz altmodisch von Angesicht zu Angesicht.