Siegen/Hagen. Das Personal ist entscheidend für den Schulerfolg. Die Ansprüche steigen. Aber wie findet man die besten Kandidaten? Das Problem: Die Kriterien sind unklar.
Während über Schulformen, Lehrmethoden und Ausbildungsdauer weiter munter gestritten wird, besteht in einem Punkt inzwischen weitgehend Einigkeit: Nichts ist so entscheidend wie die Person des Lehrers. Wie aber bekommt man die am besten geeigneten Menschen für diesen Beruf an die Schulen?
Mit dieser Frage beschäftigt sich der „Monitor Lehrerbildung“. Er spricht sich für ein „strategisches Recruitment“ aus, für die systematische Anwerbung von Kandidaten und einer ebensolchen Eignungsprüfung.
Der Wunsch ist angesichts der steigenden Erwartungen an den Berufsstand verständlich: Schule soll leistungsstark und chancengerecht sein und die immer heterogenere Schülerschaft individuell fördern. Inklusion und Ganztagsschulen stellen neue Ansprüche, gewünscht sind mehr Frauen für die MINT-Fächer, mehr Männer für die Grundschulen und insgesamt mehr Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte. Und innerhalb der kommenden zehn Jahre wird rund die Hälfte der heutigen Lehrerschaft in den Ruhestand gehen. Das spricht für verstärkte Anstrengungen.
Was ist ein guter Lehrer?
Das Problem ist nur: Es gibt keinen Konsens darüber, was einen guten Lehrer ausmacht. Prof. Jutta Wiesemann, Direktorin des Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZLB) an der Universität Siegen, hat Zweifel daran, ob es eine solche Verständigung der Experten auf ein eindeutiges Anforderungsprofil jemals geben wird. Das sieht sie sogar positiv: „Schule braucht eine Vielfalt von Persönlichkeiten.“
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Eignungsprüfungen als Selektionsinstrument hält sie für ein falsches Mittel: „Wenn sich junge Menschen für ein Lehramtsstudium entscheiden, sind sie mitten in ihrer Bildungsbiografie und nicht am Ende. Sie entwickeln sich noch.“ Das gelte insbesondere für die 17-jährigen Abiturienten, deren Persönlichkeit sich weiter entfalte: „Wir dürfen nicht sagen: ,Du kannst das’, ,Du kannst das nicht’. Stattdessen müssen wir diejenigen weiterbringen, die zu uns kommen, durch professionelle und individuelle Beratung und Betreuung.“
Eigene Bildung reflektieren
Und objektive Kriterien zur Eignung für den Beruf gibt es nicht? Doch, die gibt es sehr wohl. Wiesemann nennt drei entscheidende, die sich allerdings erst während des Studiums zeigten. Erstens: Sind sie bereit, sich den Herausforderungen einer akademischen Ausbildung zu stellen? Das sei weniger selbstverständlich als man annehmen könnte, betont die ZLB-Direktorin.
Die Rolle der Wissenschaft komme bei der derzeit angesagten Praxisbegeisterung bisweilen zu kurz. Zweitens: „Wer bereit ist, eigene Bildungsprozesse zu gestalten und zu reflektieren, wird später auch fremde beobachten und gestalten können.“ Und das dritte Merkmal: Wer in Gruppen und Teams arbeiten könne und Beratungsangebote annehme, sei meist gut geeignet.
Schröder und der schlechte Ruf
Für zusätzliche Maßnahmen sieht die Bildungs-Professorin demnach keinen Anlass? Doch. „Wir können noch viel tun“, betont Wiesemann: „Es muss allen klar sein: Nicht jeder, der Lehrer werden will, kann es auch werden.“
Das ZLB bietet zusammen mit den Schulen vielfältige Möglichkeiten, die Eignung für den Beruf vor und direkt zu Beginn des Studiums zu prüfen und auch weiter auszubauen: Neben dem obligatorischen Eignungspraktikum sind studienbegleitende Feedbackgespräche und studentische Aktivitäten in den Lernwerkstätten der Uni von Bedeutung. Eine wichtige Grundlage ist die freiwillige Teilnahme am Carrier Consulting for teachers – ein Eignungstestverfahren für den Lehrerberuf (CCT-NRW).
Im Verbund mit den Fachhochschulen Bonn Rhein-Sieg, Dortmund, Hamm-Lippstadt und Südwestfalen (Standort Hagen) tut die Uni Siegen, vom Land gefördert, bereits etwas, um mehr Lehrer an die Berufskollegs zu bringen. Ein großes Problem sieht Wiesemann aber im Image des Berufs: „In kaum einem anderen Land ist das Ansehen der Lehrer so schlecht.“
Es lässt sich ja nicht alles auf Altkanzler Schröder schieben. Aber was der 1995, als niedersächsischer Ministerpräsident, einer Schülerzeitung sagte – „Ihr wisst doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.“ – wirkt nach, wenn sich ein junger Mensch heute überlegt, ob er 40 Jahre lang Schulklassen unterrichten will.