Niederholzklau. . Die Bäreneiche ist zwischen 650 und 700 Jahren alt. Die Schätzungen gehen auseinder. Sicher ist jedoch, dass die Stieleiche bei Niederholzklau eine der ältesten und dicksten Bewohnerinnen des Siegerlandes ist. Zum heutigen Internationalen Tag des Baums haben wir der alten Dame einen Besuch abgestattet.
Wie winzig der doch Mensch ist. Winzig im Wuchs, unbedeutend im Alter. Wer am Fuße der Bäreneiche steht, deren Wurzel gemütlich in einer dicken Moospantoffel steckt, wird geerdet. Denn hier wird einem bewusst, dass man nur Teil dieser Erde ist und nicht das Zentrum.
Mir ist klar, dass das nach Menschen klingt, die mit gebatikten Röcken durch Nieselregen tanzen, aber so ist es. Ehrfürchtige Gedanken, während meine Finger über rissige Borke fahren. Die Bäreneiche ist die älteste Einwohnerin des Siegerlandes und seit 1988 ein Naturdenkmal. Sie steht in einer Senke bei Niederholzklau – seit 650 oder 700 Jahren. Erstmals erwähnt wurde die Eiche 1453. Sie war schon da, als 1492 Kolumbus Indien suchte und Amerika entdeckte, als die Bastille gestürmt wurde (1789) und Carl Benz das Patent fürs erste Auto anmeldete (1885).
Unweit rauschen die Autos über die L564. Vögel piepen, Regentropfen klatschen laut auf grelle Buchenblätter und in mein Gesicht. Wer die Krone sehen will, muss den Kopf in den Nacken legen. Mehr als 30 Meter hoch ist die Bäreneiche, noch ist sie kahl. Die
Eichen werden später grün als die jungen Hainbuchen drumherum. Im Vergleich zu einer Fichte ist das nicht so viel.
Pilze retten Leben
Stieleichen gehen eher in die Breite. Im Schnitt zwei Zentimeter legen Stieleichen in diesem Alter an Umfang zu. Imposant ist der fünf Meter dicke Stamm, um ihn zu umfassen, bräuchte ich sechs Arme oder eben zwei weitere Menschen. Baumkuschelfotos kenne ich aus dem Yellowstone Nationalpark. Mein Vater, ein Förster, brachte aus den USA Mammutbaumsamen mit. Nach 25 Zentimetern ging das Bäumchen ein. Woran es lag? Da gehen die Schuldzuweisungen in auseinander. Vielleicht fehlten auch nur die Pilze.
Sie retteten auch die Bäreneiche: 1990 schlug der Blitz ein. Ein 20 Meter langer Rindenstreifen spaltete sich ab und Parasiten hatten leichtes Spiel. Ein Gutachter des Kreises schlug vor, die Eiche sterben zu lassen. Für das Forstamt Siegen Nord keine Option. Baumchirurgen kümmerten sich um Krone und Stamm und der Boden wurde mit Mykorrhizae geimpft. Die Pilze legen sich um die Wurzeln, so kann der Baum Wasser und Nährstoffe besser aufnehmen. Zudem pflanzten Waldarbeiter rund um die Eiche junge Bäume deren Wurzeln mit den Sporen des Kahlen Kremplings versehen waren. Auch dieser Pilz lebt in Symbiose mit den Eichen. Die Bäreneiche erholte sich.
Ableger von ihr wachsen heute sogar in North Carolina. Chad Holdsclaw nahm Sämlinge mit. Er ist der Nachfahre in 9. Generation der Siegerländer Hans Jakob Holzklau und Anna Margaretha Otterbach, die 1714 nach Amerika auswanderten. Die Bäreneiche war damals schon 400 Jahre alt.