Siegen.

„Ich dachte, ich wäre im falschen Film und habe meinen Mann gefragt, läuft hier ein Rennen oder was“, sagt die Zeugin. Sie erinnert sich an den Abend des 2. Juni 2013, als ihr Auto im Neunkirchener Ortsbereich von zwei sehr schnell fahrenden Wagen überholt wurde. Kurz darauf krachte es. Die Folgen wurden gestern vor dem Schöffengericht verhandelt. Der „Verfolger“ muss sich wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Unfallflucht verantworten. Er wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.

Laut Anklage hat der 43-jährige Siegerländer an jenem Abend die beiden Kinder bei seiner Ex-Frau abgeliefert. Als sie mit ihrem neuen Lebensgefährten vorfuhr, sei er mit einem „Ziegenfuß“ auf diesen losgegangen. Der Mann (31) floh mit seinem weißen Golf, der Angeklagte verfolgte ihn mit einem hellblauen Passat bis zum Abzweig Richtung Salchendorfer Familienbad, rammte ihn zweimal am Heck und kollidierte dann mit seinem Auto mit dem Golf, als dieser durch das Rammen ins Schlingern geriet und sich auf der Straße drehte. Beide Männer stiegen aus, der Angeklagte griff wiederum zur Brechstange und verfolgte seinen Widersacher einen Berg hinauf.

Bis zu den Schenkeln im Wasser

Letzterer bestätigte die Vorwürfe. Er sei schließlich in einen Bach gelaufen und habe bis zu den Schenkeln im Wasser gestanden. Der Angeklagte habe gebrüllt, „Ich bringe Dich um“. Er habe „Angst gehabt, er schlägt mir den Schädel ein.“.

Während die Ex-Frau des Angeklagten die Vorwürfe und damit die Version ihres neuen Freundes unterstützte und diverse Zeugen die Verfolgungsjagd ebenfalls im Sinne der Anklage beschrieben, lieferte der Angeklagte ein anderes Bild. Er habe die Kinder bewusst eine Straße von der Wohnung seiner früheren Frau entfernt aus dem Auto gelassen, „weil ich diese Leute nicht sehen wollte“. Er habe dies auch dem neuen Freund sagen wollen und sei ohne Waffe auf dessen Auto zugegangen, als die beiden Personen gegen alle Absprachen aufgetaucht seien. Dieser habe ihn bewusst umgefahren. Auf dem Weg zu einem Bekannten, um dort die Polizei zu rufen, sei ihm der Golf an einer Ampel wieder aufgefallen. „Ich wollte ihn nicht verfolgen. Aber ich bin ein Mensch. Ich hatte Schmerzen, meine Kinder haben vorher geschrien. Ich habe rot gesehen.“ Von einem bewussten Rammen wisse er nichts. Er sei dann aber mit dem „Ziegenfuß“ hinter dem Zeugen hergelaufen. Auf Nachfrage von Amtsrichter Uwe Stark lässt er sich auf das Zugeständnis ein, er habe den Mann verletzen wollen, der ihn verletzte.

Kein gewöhnliches Rowdytum

Kein gewöhnliches Rowdytum, „sondern hohe kriminelle Energie“, sieht Staatsanwalt Manfred Lischeck. Der Angeklagte habe mit der Absicht gehandelt, ein Unglück herbeizuführen. Er verlangt zwei Jahre und einen Monat, um eine Bewährung auszuschließen. Zudem soll der Führerschein einbehalten werden. Verteidiger Jörg Schmidt plädiert auf eine maximale Strafe von einem Jahr mit Bewährung.

Der Angeklagte bekommt ein Jahr und neun Monate, die zur Bewährung ausgesetzt werden, und soll 750 Euro an die Brücke zahlen.