Siegen-Wittgenstein. . Die Energiewende wird heiß diskutiert. Es herrsche eine Sankt-Florians-Kultur, sagt die Pro-Seite: Jeder habe nur eigene Interessen im Blick. Anliegen der Bürger werden nicht ernst genommen, entgegnet die Contra-Fraktion. Beim Windforum Südwestfalen treffen die Argumente aufeinander. Klar wird: Ohne Dialog geht nichts. Hier gibt’s Antworten auf wichtigsten Fragen.

Die Energiewende wird heiß diskutiert. Bis 2020 sollen mindestens 15 Prozent des Stroms durch Windenergie erzeugt werden, bis 2050 bundesweit 80 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen. Bei Betroffenen regt sich Widerstand: Sie fürchten gesundheitliche und kulturlandschaftliche Schäden. Es herrsche eine Sankt-Florians-Kultur, sagt die Pro-Seite: Jeder habe nur eigene Interessen im Blick. Es werde durchregiert und Anliegen der Bürger nicht ernst genommen, entgegnet die Contra-Fraktion. Beim dritten Windforum Südwestfalen trafen die Argumente aufeinander. Klar wird: Ohne Dialog geht nichts.

Wie steht Siegen-Wittgenstein in Bezug auf die Energiewende da?

Mehr als 3000 Hektar Fläche für Windenergieanlagen fehlen nach dem Entwurf für den Landesentwicklungsplan (LEP) des Landes NRW im Kreisgebiet. „Der Regionalplanung nach soll im Gebiet des Regierungsbezirks Arnsberg eine Fläche von 18 000 Hektar für diese Nutzung zur Verfügung stehen“, so Andreas Lahme, Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Er rechnet vor: Die Fläche Siegen-Wittgensteins beträgt anteilig gut 18 Prozent, was einem Areal von 3270,6 Hektar entspricht – aktuell sind es gut 130 Hektar. „Da ist noch einiges zu tun.“ Harald Knoche vom Rothaarsteigverein schließt hier negative Effekte auf den Tourismus nicht aus. Der Rothaarsteig könnte beispielsweise seine Zertifizierung als besonders attraktiver Wanderweg verlieren – ein schlagkräftiges Marketinginstrument. „Ein einzelnes Windrad ist keine Gefahr, aber wenn der Wanderer vor lauter Anlagen den Wald nicht mehr sieht, orientiert er sich anders.“

Gibt es Positivbeispiele im Kreis?

„Wir haben uns vom ersten Tag an bemüht, die Menschen zu informieren“, sagt Günther Pulte von der Rothaarwind GmbH. Er betreibt mit 88 Gesellschaftern Windanlagen in Hilchenbach. Ein Informationsdefizit schüre Ängste und Ablehnung. „Der Bürgerwindpark gehört den Bürgern“, sagt er, „und der Wind über Hilchenbach gehört den Hilchenbachern, dafür brauchen wir keine auswärtigen Investoren.“ Nach dem traditionsreichen Haubergsprinzip – das können die Siegerländer selbst und dann ist auch die Akzeptanz da. Auf der anderen Seite sieht Pulte die ausufernde Komplexität des Themas mit Sorge. Die Erweiterung des Windparks benötige wohl etliche Jahre Planung; währenddessen ändert sich die politische und wirtschaftliche Situation. „Mein Optimismus ist durchaus gebremst.“ Harald Fruhner von der Bürgerinitiative Windkraft mit Abstand sieht neben der möglichen Unwirtschaftlichkeit der Anlagen – Stichwort Energiebilanz – den LEP als Durchregieren. „Das ist Bastapolitik und keine Teilhabe der Bürger, der LEP ist nur der Toröffner zur Errichtung von Windanlagen. Die Pläne sollen auf Gedeih und Verderb durchgezogen werden.“ Applaus vom Plenum.

Was kommt auf die Städte zu?

Im Grundgesetz ist die kommunale Planungshoheit verankert – Städte und Gemeinden regeln ihre Angelegenheiten selbst. Allerdings greifen zuerst Landesentwicklungs- und Regionalplan – in etwa deckungsgleich mit den Regierungsbezirken – dann die Flächennutzungs- und Bebauungspläne der Kommunen. Übergeordnete Planungen müssen berücksichtigt oder befolgt werden. „Allerdings greift das Gegenstromprinzip; es kann oben nicht einfach beschlossen und unten muss umgesetzt werden“, sagt Lahme. Hier kommen die sogenannten Tabukriterien ins Spiel: Harte Tabus stehen fest, die Kommune muss sie umsetzen. Weiche Kriterien definiert sie selbst, muss sie allerdings rechtfertigen, etwa schutzwürdige Areale. „Zieht man Flächen, die aufgrund der Kriterien in Frage kommen, ab, bleiben Potenzialflächen, aus denen für die weitere Planung ausgewählt wird“, so Lahme. Wird bei der Prüfung festgestellt, dass nicht genug Flächen ausgewiesen werden, muss die Kommune ihre weichen Kriterien verändern.

Wie läuft eine Genehmigung ab?

Alles, was bis zur Flügelspitze höher als 50 Meter ist, muss vom Kreis genehmigt werden. Gleiches gilt für Windfarmen ab 20 Anlagen, für die ein förmliches Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung eröffnet wird. Der Betreiber muss Gutachten zu Schallemission, Schattenwurf, Artenschutz usw. vorlegen. Dann entscheidet der Kreis. „Wenn alles in Ordnung ist, müssen wir genehmigen“, stellt Olaf Vetter klar,, Fachreferent Wohnen und Bauen beim Kreis. „Der Betreiber kann das einklagen.“

Was muss alles beachtet werden?

Lärm: Es gibt keine starren Vorgaben zum Abstand einer Windenergieanlage zu Häusern. „Topografie und Abschirmung werden einbezogen“, erklärt Vetter, „es können 500 oder 1000 Meter sein.“ Gleiches gilt für Schattenwurf: Steht das Windrad nördlich der Siedlung, ist der Abstand geringer, auch hier spielt die Beschaffenheit des Geländes eine Rolle. Zum Eisabwurf gibt es Vorgaben, dass Sensoren die Anlage automatisch stilllegen, wenn sich Eis bildet oder die Rotorblätter beheizt werden. Lebhaft diskutiert wird die Frage des Infraschalls. Vetter stellte eine bayrische Studie vor, nach der die Schallemission von Windrädern weit unter der Wahrnehmungsschwelle liegt, der Wind-Infraschall deutlich stärker als der Anlagen-Infraschall ist. Das sehen Betroffene anders: Der Pegel werde nicht nur über das Ohr wahrgenommen, ein Arzt aus dem Plenum gab „Brief und Siegel“, dass die Lärmemission gesundheitsschädlich ist.

Der Bürger bekommt das Windrad vor die Nase und wird auch noch zur Kasse gebeten?

Die Netzbetreiber sind verpflichtet, vorrangig Strom aus erneuerbaren Energien abzunehmen und einzuspeisen. Dazu zahlen sie an die Anlagenbetreiber – die die wiederum an die Verbraucher weitergereichen – die EEG-Umlage, wie Pia Behrens von der Energieagentur NRW erklärt. Unternehmen mit großem Verbrauch werden ganz oder teilweise von der Umlage befreit – was die anderen Verbraucher mitbezahlen, derzeit 6,24 Cent je Kilowattstunde. Für 2014 wird mit 5,1 Milliarden Euro gerechnet, die Kosten trägt der Verbraucher. Am 1. August soll die Gesetzesnovellierung vom Bundestag verabschiedet werden. Es gilt: Klimaziele gegen Strompreise und Bürgerinteressen.