Hilchenbach. .

In der Kabine des Rockmobils, das auf dem Hilchenbacher Marktplatz steht, bringen acht Jungen und Mädchen die „Story of My Life“ von One Direction zum Klingen, Musikpädagoge Wolfgang Armbrust leitet die kleine Band an. Ein paar Kilometer weiter, im Dahlbrucher Jugendtreff No Limits, versetzen sich drei Jungen und elf Mädchen auf den Friedhof — gedanklich: Abwechselnd frieren die trauernden Männer und steigen die jungen Frauen aus ihren Gräbern empor. „Das wird ein ziemlich buntes Musical“, verspricht Lisa Klingelhöfer, die schon mit zwölf in die To-The-Limit-Tanzgruppe gekommen ist und jetzt, mit 18, diese neue Formation leitet.

„Young Stage“, so heißt das Projekt, ist noch ziemlich dezentral. Neben den Rockmusikanten und der Tanzkompanie gehört dazu auch noch ein Theaterensemble in der Aula der früheren Dahlbrucher Hauptschule. Im September haben die Castings für das auf drei Jahre angelegte Projekt begonnen, das mit 100 000 Euro unter der Marke „Kultur macht stark“ vom Bundesbildungsministerium gefördert wird. Um die 30 junge Leute, zwischen zehn und 21 Jahren alt, vom Schüler über den Azubi bis zum FSJler, treffen sich seitdem einmal in der Woche zum Schreiben, Proben, Komponieren.

Ein Song ist im Bus bereits entstanden. Heute ist Philipp zum ersten Mal da, der Fünftklässler aus der Realschule möchte Gitarre lernen: „Meine Schwester macht auch schon mit.“ Bernd-Michael Genähr wird ihm gleich einige Griffe zeigen – und einen sehr spontan entstehenden Text vertonen: „Ich bin der Philipp und im Bus...“ Eigentlich ist Genähr, der Musiker und Comedian, aber aus einem anderen Grund im Rockmobil des Mobilen Musiktreffs (MoMu): Er sucht Verstärkung für die gerade einmal vier Mädchen starke Theatergruppe, die er gemeinsam mit Lars Dettmer leitet. Ohne eigenen Text, ahnt MoMu-Chef Hans-Dieter Klug, „sind die Hemmschwellen besonders groß“ — und die Musiker klar im Vorteil. „Vielen ist das einfach peinlich“, versteht Bernd-Michael Genähr. Überall diese ersten Male. „Am schwierigsten ist es, erst mal überhaupt ein Gefühl für den eigenen Körper zu bekommen“, weiß Lisa Klingelhöfer, die gerade zur Sprecherin des Jugendforums gewählt worden ist und in einer kaufmännischen Berufsausbildung steckt. „Aber das kommt ganz schnell“, sagt sie, „wenn man Spaß an der Sache hat.“

Musikalische Kostprobe am Büffet

Und um den Spaß nicht aufs Spiel zu setzen, geht Young Stage sein Vorhaben entspannt an: ein Musical mit dem Titel „Generation Love“, das die Jugendlichen erfinden, produzieren, bewerben und aufführen werden. In Wochen­end-Workshops und demnächst an vier Osterferientagen auf der Freusburg fließen die Ideen zusammen: die Songs aus dem Bus, die Geschichten aus der Theatergruppe, die Szenen, die die Tänzer choreographieren. Nach und nach spinnen sie ihren roten Faden: Es wird um Liebe, Freundschaft und Beziehungen quer durch die Jahrzehnte gehen. Was, zum Beispiel, waren die Tänze in den 1960ern, wie war die Mode? Drei Mädchen sind die Heldinnen. Sie wollen raus, wohin wohl, nach Italien. „Da kommt eine ganz witzige Geschichte bei heraus“, sagt Bernd-Michael Genähr. „Eine total spannende Zeit“, sagt Hans-Dieter Klug und klingt ein bisschen verklärt, als ob er an friedensbewegte Blumenkinder denkt. „Für uns ja...“, gibt Genähr etwas trockener zurück.

„Bildungsbenachteiligt“ in Hilchenbach

Kooperationspartner des Mobilen Musiktreffs (MoMu) bei Young Stage sind das Kinder- und Jugendbüro, der Gebrüder-Busch-Kreis, der Push e.V. und die Carl-Kraemer-Realschule

Der Bund fördert das Netzwerk, das sich bildungsbenachteiligten Jugendlichen zuwendet. Als benachteiligt gelten junge Hilchenbacher, weil es für sie keine Hauptschule mehr gibt.

Wann „Generation Love“ auf die Bühne kommt? Vielleicht im Sommer, vielleicht später. Eine musikalische Kostprobe der Band verspricht Heike Kühn vom städtischen Kinder- und Jugendbüro für das Eine-Welt-Büffet am 21. März. Und dann mal schauen. Nach und nach, so das Konzept für die drei Jahre, sollen sich die Profis zurückziehen und den Jugendlichen ihre Bühne überlassen. „Es wächst“, sieht Bernd-Michael Genähr. Und Philipp steigt aus. Er kann jetzt a-Moll.