Netphen. .

Vor einem Dreivierteljahr hat sich die Stadt Netphen ein Vorkaufsrecht für alle Grundstücke zwischen Bahnhof- und Lahnstraße sowie zu beiden Seiten der Lahnstraße bis zur Einmündung in die Kronprinzenstraße (B 62) gesichert. Wer dort, im zentralen Stadtmitte-Bereich, ein Grundstück verkaufen will, muss das zunächst der Stadt anbieten: Das wird jetzt ernst — die Stadt könnte das Grundstück der Post kaufen.

Als der Rat die Satzung im Juli 2013 beschlossen hatte, bezeichnete Bürgermeister Paul Wagener das Vorkaufsrecht noch als „kurzfristig wirkungslos“. Dem Ziel, auf die weitere Entwicklung des Einkaufszentrums Einfluss nehmen zu können, kommt die Stadt nun viel früher als erwartet nahe: Das Post-Grundstück wird im Einzelhandelskonzept von 2009 als einer von zwei Standorten genannt, der für den Bau eines Discountmarkts geeignet wäre.

Abenteuerliche Vorgeschichte

Vor wenigen Tagen sind die Fraktionsvorsitzenden mit der möglichen Entwicklung konfrontiert worden: Die luxemburgische Holding, der der Gebäudekomplex an der Ecke Neumarkt/Talstraße gehört, ist auf ihrer Suche nach einem Käufer endlich fündig geworden. Der Rat steht nun vor der Entscheidung, ob die Stadt die Immobilie dem Investor in Berlin überlässt oder selbst zuschlägt. Finanzieren könnte sie den Kauf aus Mieteinnahmen: vor allem der Post, die dort zwar längst mehr keine Kunden bedient, aber mit ihrem Verteilzentrum noch bis 2015 unter Vertrag ist. Die Schalterhalle ist verwaist, im Obergeschoss betreibt der TVE Einigkeit ein Gesundheitszentrum.

Eng mit der Entscheidung über einen Post-Kauf verbunden ist die Perspektive für das Nachbargrundstück; in das dort zeitgleich mit der Post errichtete Gebäude hat sich die Norma-Discountkette eingemietet. Netphens Träume von einem großflächigen neuen Discounter lassen sich nur erfüllen, wenn beide Gebäudekomplexe abgerissen werden — der private Eigentümer müsste dazu entweder auch an die Stadt verkaufen oder sich als Investor für den Neubau engagieren.

Braas ist keine Alternative mehr

Weil im Einkaufszentrum weder Post- noch Parkplatz-Grundstück verfügbar waren, hat Bürgermeister Paul Wagener dafür geworben, das nach dem Bau der Ortsumgehung und der Verlegung der Sieg gewonnene Gelände auf der Braas für einen Discounter bereitzustellen.

Diese Option hat der Rat 2013 endgültig ausgeschlossen.

Der Post-Norma-Komplex als Erweiterung des Einkaufszentrums ist vor 25 Jahren unter abenteuerlichen Umständen entstanden — gegenüber befand sich zu dieser Zeit noch nicht der Rewe-Verbrauchermarkt, sondern die Feuer- und Rettungswache. In einer ausgesprochen spannenden Ratssitzung hatte die Gemeinde Netphen im Dezember 1986 ihre Talschule verkauft, das Höchstgebot wurde dem Bürgermeister zwei Minuten vor Sitzungsbeginn auf den Tisch gelegt. Der Betreiber des damaligen Lebensmittelmarktes im Einkaufszentrum hatte gehofft, in den Neubau neben der Post einziehen zu können. Doch nicht der Bauunternehmer, der für den Einzelhändler gerade noch einen Supermarkt in einem anderen Ortsteil gebaut hatte, schlug zu. Sondern dessen Ehefrau, die den Laden für die Konkurrenz baute. Eine Serie von gerichtlichen Auseinandersetzungen begann, die mit der schließlich auf den Mai 1990 verschobenen Eröffnung eines Coop-Marktes endete.

Coop und Nachfolger scheiterten, 1999 eröffnete Globus sein neues Kaufhaus, 2010 verließ Aldi nach ergebnisloser Suche eines größeren Lokals die Innenstadt. In der Haushaltsdebatte 2014 machte der Rat Nägel mit Köpfen: Der Schotterparkplatz, Abbruchgrundstück des ersten Netphener Jugendzentrums und im Einzelhandelsgutachten ebenfalls als Teilfläche für einen neuen Discounter markiert, soll für 45 000 Euro gepflastert werden.