Siegen. . Schöffenrichter Uwe Stark fühlte sich an eine „Gesprächsrunde“ erinnert, als alle Beteiligten im Gerichtssaal Platz genommen hatten. Beteiligte einer größeren Drogensache aus dem Jahr 2011, die nun mit deutlicher Verspätung zur Verhandlung kam. Immerhin, ein paar Stunden später waren sechs Männer verurteilt.
Sieben Angeklagte und ihre Verteidiger saßen dem Richter auf der mit letzten Tischreserven verlängerten Anklagebank gegenüber. Nur einer muss noch einmal kommen.
Der von Staatsanwaltschaft und Gericht mehr oder weniger als Drahtzieher betrachtete B. wollte nicht gestehen, ließ sogar frühere Angaben durch seinen Verteidiger widerrufen. Sein Tatbeitrag wird in einem neuen Termin noch einmal unter die Lupe genommen, in Verbindung mit weiteren Vorwürfen. „Dann müssen wir eben die 21 Bände Telefonüberwachung einzeln durchgehen“, kündigte Staatsanwalt Manfred Lischeck an. Hintergrund des Geschehens sei eine Häufung von Drogendelikten im Siegerland und dem angrenzenden Hessen Anfang 2011 gewesen, erläuterte der Anklagevertreter. Ein vertraulicher Hinweis habe auf B. gedeutet, es folgten unter anderem Telefonüberwachungen sowie der Einsatz einer polizeilichen Vertrauensperson aus der Szene, die auf das Umfeld des Verdächtigen angesetzt wurde.
Dieser im Verfahren anonym gebliebene Mann hatte im Herbst mehrfach Drogen von den jetzt Angeklagten gekauft und damit die Grundlage der Vorwürfe gelegt. Was allerdings auch dazu führte, dass keiner der Verurteilten ins Gefängnis muss – weil der Verkauf die ganze Zeit überwacht wurde und die Drogen nicht in Umlauf kamen.
Konkret wurde B. vorgeworfen, mit einem Mitangeklagten ein Kilo Amphetamine verkauft zu haben, später sollen sie zwei hochwertige LED-Fernseher als Hehler an den Mann gebracht haben. Die Geräte stammten aus einer Ladung von insgesamt 13 Fernsehern, die vorher bei einer Spedition in Neunkirchen als gestohlen gemeldet worden waren.
Hilfe beim Verkauf von Amphetaminen
Dieser zweite Angeklagte gab an, allein schuldig zu sein, B. sei nur zufällig dabei gewesen. B. behauptete, ein früheres Geständnis bei einem Haftprüfungstermin nur abgegeben zu haben, um nach fünf Monaten U-Haft wieder in Freiheit zu kommen: „Mein damaliger Anwalt hat mir gesagt, Herr Lischeck will ein Geständnis. Also hat er eins aufgesetzt und ich habe es unterschrieben.“ „Das würde ich schon nicht glauben, wenn es mir nur erzählt würde. Aber ich war ja selbst bei dem Termin der Vorsitzende“, sagte Richter Stark kopfschüttelnd.
Im Oktober 2011 waren die übrigen Angeklagten verhaftet worden. Einer von ihnen hatte dem Vertrauensmann rund zwei Kilo Amphetamine übergeben, angeblich auch im Auftrag von B., den er „vom Friseur“ kennen wollte. B. bestritt den Zusammenhang. Er habe dem anderen lediglich Geld geliehen, weil dieser ein Spielproblem hatte, Geld brauchte und bei diversen Finanzhaien hoch verschuldet gewesen sei. Der Mitangeklagte hatte dem Vertrauensmann drei Kilo Stoff versprochen, aber nur zwei geliefert. Dabei hatten ihm die weiteren Männer auf der Anklagebank in unterschiedlicher Weise geholfen.
Besserung versprochen
Am Ende des mehr als komplizierten Sachverhalts standen Freiheitsstrafen in Höhe von sechs Monaten bis zwei Jahren, die allesamt zur Bewährung ausgesetzt wurden. Dies war den Angeklagten bereits am Morgen in einem Rechtsgespräch zugesichert worden, wenn sie zu Geständnissen bereit seien.
Die Männer, bis auf einen im Alter von um die 30, entschuldigten sich und versicherten, nie wieder straffällig zu werden. Die meisten waren nicht oder kaum vorbestraft. „Das sind hier nicht die typischen Angeklagten, die aus eigenem Suchtdruck straffällig werden. Ihnen ging es überwiegend um Gewinn, den sie aus dem Leid anderer ziehen wollten“, merkte der Staatsanwalt nachdenklich an.